Samina Haye

Der Weg nach Roseworthy


Скачать книгу

zu sein. Ich habe versucht, hier normal weiterzuleben, doch es funktioniert nicht.“ Sie sah sein erwartungsvolles Lächeln verschwinden, er starrte sie an und wusste momentan nicht, was er darauf sagen sollte. Doch nach kurzer Überlegung ging er auf sie zu.

      „Oh, das ist schade für unsere Schule, doch auf jeden Fall werde ich Sie dabei unterstützen und werde mich auf die Suche nach einer geeigneten Schule für Sie machen.“

      Jetzt fiel ihr ein Stein vom Herzen und es kamen ihr ein paar Tränen.

      „Vielen Dank“, sagte sie freudig und gab dem Direktor die Hand.

      „Okay, dann werde ich mich heute noch auf die Suche machen, und sobald sich was ergibt, melde ich mich bei Ihnen. Aber Zoe, ich sag Ihnen gleich, es kann Wochen oder sogar Monate dauern, bis ich etwas Geeignetes gefunden habe.“ Er rief seine Sekretärin ins Zimmer, sie solle sofort eine Lehrerkonferenz anmelden. Einige Zeit später waren einige Lehrer im Konferenzzimmer versammelt.

      Der Direktor hielt eine kurze Ansprache und gab dann das Wort an Zoe weiter. Sie erklärte ihren Kollegen in Ruhe, was sie in den freien Tagen nun beschlossen hatte. Nach einer guten halben Stunde war alles gesagt, danach kamen die Kollegen zu ihr und wünschten Zoe alles Gute für ihre Zukunft.

      Nun ging es ihr besser, sie hatte ein gutes Gefühl dabei und wusste, dass sie die richtige Entscheidung getroffen hatte. Nun musste sie sich noch von ihren Schülern verabschieden.

      Nach dem Pausenläuten packte sie nochmal allen Mut zusammen, atmete tief durch und betrat ihre Klasse. Sie sprach kurz mit den Kindern und verabschiedete sich von ihnen.

      Der Abschied von den Kollegen war nun nicht mehr so schwer zu vollbringen. Ab nun hieß es abwarten.

      6

      Freitag, 04. März 2011

      Zoe hatte in den letzten Wochen viel Zeit gehabt, um andere wichtige Sachen zu erledigen. Sie hatte durch einen Makler Julians Wohnung verkauft und derweil das Geld auf ihr Sparbuch gelegt. Und was für Zoe auch noch sehr wichtig war: Sie hatte vor ein paar Tagen ihre letzte Therapiestunde erfolgreich beendet, nun ging es ihrer Seele schon um einiges besser.

      Dennoch sind bald zwei Monate vergangen, und Zoe hatte noch immer nichts von Direktor de Mol gehört, das hieß, es hatte sich noch keine Schule gefunden. Zoe fühlte schon seit Tagen eine leichte Unruhe in sich, was wäre nur, wenn der Direktor keine Schule für sie fand? Sie stand früh auf um mit ihrer Schwester zu frühstücken, denn Lina arbeitete in einem großen Einkaufscenter in Luxemburg, das schon früh am Morgen öffnete.

      Zoe ging ins Wohnzimmer, setzte sich in den Ledersessel, in der einen Hand hielt sie eine Tasse Kaffee und in der anderen einen spannenden Roman.

      Ihr Kopf brummte von den vielen Gedanken, sodass sie müde wurde und vor sich hin zu dösen begann. Beinahe wäre sie eingeschlafen, doch aus irgendeinem Grund schrak sie hoch. Sie fluchte leise vor sich hin, denn sie hatte sich - und den Sessel natürlich auch - mit dem Kaffee bekleckert. Sie wollte eben in die Küche gehen und einen Lappen holen, als das Telefon klingelte.

      Mit verklebten Kaffeefingern griff sie zum Hörer.

      „Ja, hallo“, sagte sie gereizt. Wer wohl so früh am Morgen schon anrief?

      „Guten Morgen, Zoe, hier ist Direktor de Mol. Ich hoffe, ich habe Sie nicht geweckt?“

      Ihr Herz klopfte, als sie den Namen hörte, aber sie fasste sich langsam und nickte lächelnd mit dem Kopf.

      „Guten Morgen, Herr de Mol, nein ich hab nicht mehr geschlafen. Wie geht es Ihnen? Freut mich, von Ihnen zu hören.“ Neugierig setzte sie sich.

      „Ja, Zoe, ich habe heute früh Neuigkeiten erhalten. Nur weiß ich nicht, ob es das Richtige für sie ist, denn es ist ziemlich weit weg von hier“, berichtete er ihr. Sie war aufgeregt und konnte es kaum erwarten, mehr zu hören, darum bat Zoe ihn, fortzufahren.

      „Also, ich bekam eine Mail von Frau Emma McCain, sie leitet ebenfalls eine Grundschule mit drei verschiedenen Gruppen und würde dringend eine Lehrerin benötigen für die Fächer Deutsch und Mathematik“, erzählte er Zoe, wurde aber gleich von ihr unterbrochen.

      „Oh ja, toll, das wäre doch ideal für mich, das sind meine Fächer und das mit den Gruppen ist super, da wäre sicher die richtige Gruppe für mich dabei. Doch nun sagen Sie mir bitte, wo sich denn die Schule befindet, ist es schön dort, waren Sie da schon mal?“, fragte sie aufgeregt.

      Direktor de Mol hüstelte kurz. Er war gespannt auf ihre Reaktion, wenn er ihr jetzt Land und Ort nennen würde.

      „Zoe, dieses Land und dieser Ort sind sicher wunderschön. Ich war leider noch nie dort, aber vielleicht würde sich das bald ändern, wenn ich Sie besuchen würde“, sagte er mit einem freundlichen Lächeln im Gesicht. Zoe wurde immer nervöser, doch nach einer kurzen Pause fuhr er fort.

      „Diese Grundschule liegt in Gawler, das ist gute 40 Kilometer von Adelaide entfernt, und das liegt in Südaustralien.

      Frau McCain schrieb mir, sie würde schnell jemanden benötigen.“

      Zoe war sprachlos, damit hatte sie nicht gerechnet, das war ja wirklich sehr weit weg. Doch sie musste ihm jetzt kurz eine Antwort geben, weil auch der Direktor neugierig darauf wartete.

      „Ähm, wow, okay, nun weiß ich nicht, was ich sagen soll, das ist ja am anderen Ende der Welt. Da bräuchte ich bitte noch Bedenkzeit, ich muss mit meiner Familie darüber sprechen und mir selbst darüber klar werden, ob ich das möchte, soweit von zuhause wegzugehen. Darf ich Sie morgen früh anrufen und Ihnen Bescheid geben? Geht das in Ordnung?“ Sie war einfach überwältigt. Zoe wartete auf seine Reaktion.

      „Sicher haben Sie Bedenkzeit, das ist doch völlig klar, melden Sie sich einfach die nächsten Tage, wenn Sie sich entschieden haben.“

      Zoe bedankte sich für alles und wünschte ihm noch einen schönen Tag. Als das Gespräch beendet war, blieb sie noch sitzen, hielt inne und wusste nicht, ob sie schreien oder weinen sollte.

      Stattdessen nahm sie eine kalte Dusche und rief Lina an.

      Ein paar Stunden früher als sonst stürmte Lina zur Haustür herein, ganz außer Atem, lehnte sich an den Küchentisch ließ sich von der lächelnden Zoe ein Glas Wasser reichen.

      „Oh, warum bin ich heute überhaupt in die Arbeit gefahren“, schnaufte sie.

      „Das ist echt schlimm mit dir. Na, dann leg mal los.“

      Zoe bekam ihr Lachen nicht unter Kontrolle, doch Lina gab ihr einen Klatsch aufs Hinterteil und forderte sie auf, endlich zu erzählen.

      Sie setzten sich und Zoe atmete nochmal durch.

      „Nimm Platz, als ich erfuhr, wohin es gehen wird, haute es mich fast vom Hocker“, plapperte Zoe munter drauflos, sodass Lina noch nervöser wurde.

      „Kannst du bitte endlich zum Punkt kommen?“ Lina zwickte Zoe in den Arm.

      „Aua, okay, ich leg ja schon los. Also, heute früh rief mich Direktor de Mol an und sagte mir, er hat eine Schule gefunden, wo sie dringend einen Lehrer brauchen für den Deutsch- und Mathematikunterricht.“

      „Das ist doch toll, das sind genau die Fächer, die du unterrichten möchtest. Und wo ist die Schule?“

      Zoe war sehr aufgeregt. Sie zitterte leicht.

      „Süße, das ist der Wahnsinn, das Land ist eigentlich schon fast am anderen Ende der Welt“, erzählte sie Lina voller Freude, die nun lachte.

      „Tja, Australien wird`s ja wohl nicht sein.“ Zoe erschrak bei diesen Worten, sodass sie nun zum zweiten Mal ihren Kaffee verschüttete und ganz blass im Gesicht wurde. Lina sah ihr in die Augen und fühlte, dass sie damit genau den Punkt getroffen hatte.

      Es war still im Raum. Zoe holte einen Lappen. Lina fand ihre Stimme wieder.

      „Nein, bitte sag nicht, dass