Samina Haye

Der Weg nach Roseworthy


Скачать книгу

war erstaunt, weil sie von ihrer kleinen Schwester nicht ernst genommen wurde. Das geschah normalerweise nicht zwischen den zweien. Als Lina sich wieder gefangen hatte und sah, dass Zoe ernst blieb, fing sie an zu überlegen und zu grübeln.

      „Kleine, sag mir bitte, dass das ein Scherz von dir ist.“ Zoe bemerkte, dass Lina die Angst ins Gesicht geschrieben stand.

      „Doch, das ist die Wahrheit, ich will versuchen, wegzugehen und woanders neu zu beginnen. Derzeit kann ich hier nicht glücklich werden, die Erinnerungen sind zu stark. Kannst du mich denn nicht verstehen?“

      Lina stand so rasch auf, dass der Sessel mit lautem Knall umfiel. Beide erschraken und Zoe war traurig über diese Reaktion.

      Sie ging zum Fenster, man merkte, dass sie innerlich aufgewühlt war und nicht wusste, wie sie reagieren sollte.

      Zoe wollte den Tisch abräumen, doch Lina kam auf sie zu und packte sie bei den Armen.

      „Tut mir leid, dass ich eben so überreagiert habe. Ich finde es gut, wenn du an deinem Leben etwas ändern möchtest. Wenn ich dich unterstützen kann, sage es mir. Ich stehe immer hinter dir. Okay?“

      Nun hatte Zoe Tränen in den Augen und fiel Lina um den Hals.

      „Oh, vielen Dank. Es freut mich, dass du hinter mir stehst und mich dabei unterstützt, dass bedeutet mir sehr viel. Ich weiß noch nicht mal, wann es losgeht und wohin es geht, aber ich will es wagen.“ Lina umarmte sie und weinte sich an ihrer Schulter aus.

      „Okay, dann werden wir abwarten und sehen, wo es dich hin verschlägt. Ich will, dass du wieder glücklich wirst und wenn du es hier nicht schaffen kannst, wird es wohl gut sein, weg zu gehen. Aber eines sag ich dir, wenn ich es hier ohne dich nicht aushalte, dann komme ich nach und häng dir an der Backe“, kniff sie Zoe in die Wange.

      „Oh, hoffentlich hältst du es ohne mich nicht aus und kommst mich in der neuen Heimat besuchen.“ Beide waren erleichtert und glücklich, ihre Motive geklärt zu haben.

      Nun konnten sie das Frühstück in Ruhe genießen. Sie mutmaßten, wo es wohl hingehen könnte und was alles auf sie zukommen würde. Lina sprach sogar davon, Zoe eventuell zu folgen und auch auszuwandern. Vielleicht würde sie ja sogar dort die Liebe fürs Leben finden.

      Als sie diesen Satz ausgesprochen hatte, wurde sie knallrot im Gesicht und fragte Zoe, ob sie laut gesprochen hatte. Doch Zoe brauchte ihr nicht zu antworten, ihr Lächeln sprach Bände.

      „Och, mein Schwesterchen ist auf Männersuche, vielleicht schlagen wir mit meinem Entschluss zwei Fliegen mit einer Klappe. Ich werde wieder ein glückliches Leben führen können und dir begegnet die große Liebe.“ Die zwei kicherten wie Teenager. Das restliche Frühstück verlief mit allerlei Träumereien und Zoe beschloss, ihre Eltern zum Abendessen einzuladen.

      Als der Abend anbrach bekam Zoe ein mulmiges Gefühl, doch zum Glück hatte sie Lina hinter sich stehen, die sie bei allem unterstützen wird. Nun war es auch schon soweit und ihre Eltern fuhren in die Einfahrt. Es dauerte nicht lange, schon saßen alle an dem großen Tisch im Esszimmer und aßen das italienische Lieblingsgericht ihrer Töchter, Spaghetti. Nach einem gemütlichen Essen gingen sie gemeinsam ins Wohnzimmer, Zoe setzte sich auf den Teppichboden. Sie hielt den Augenblick für gekommen und machte mithilfe Ihres klirrenden Sektglases auf sich aufmerksam.

      „Ja, heute ist ein besonderer Abend. Ich habe meine Liebsten um mich und möchte mich bei euch allen bedanken, dass ihr in der letzten schwierigen Zeit an meiner Seite wart und mich unterstützt habt.

      Doch mein Leben muss weitergehen, ich habe mich bemüht, in die Schule zurückzukehren und zu unterrichten, doch das ging leider daneben.

      Seit längerer Zeit mache ich mir nun Gedanken darüber, wie ich am besten weiter machen soll, und da bin ich zu einem Entschluss gekommen.“ Alle sahen erwartungsvoll zu Zoe, die nun weiter sprach.

      „Direktor de Mol arbeitet mit Schulen in anderen Ländern zusammen und vermittelt qualifizierte Lehrer, ich werde mich dafür anmelden, denn ich möchte versuchen, in einem anderen Land ganz von vorne zu beginnen. Ich hoffe auf eure Unterstützung und darauf, dass ihr mich und meine Entscheidung respektiert.“

      Nun war jeder sprachlos, doch Lina stand auf und setzte sich zu Zoe auf den Boden und legte den Arm um sie.

      „Ja, Zoe und ich hatten das Gespräch heute Vormittag schon, ihr könnt mir glauben, ich war auch sprachlos. Aber es ist eine gute Idee und ich glaube es wird ihr dabei helfen, ihre Trauer zu verarbeiten.“

      Zoe brannten die Augen, sie befürchtete, gleich weinen zu müssen, doch sie blieb stark.

      Ihr Vater Paul atmete tief durch und stand auf.

      „Hm, so hab ich mir den Abend heute nicht vorgestellt mein Sonnenschein, dass dir momentan alles schwerfällt hier in deinem Zuhause oder in der Schule, das kann ich gut verstehen, aber die Zeit heilt Wunden, du musst doch nicht gleich auf und davon laufen. Wir haben unseren Enkel und Schwiegersohn verloren, ich habe Angst, nun auch meine Tochter zu verlieren.“ Zoe zögerte. War nun alles zerstört? Was sich vor Sekunden gut angefühlt hatte, war weg.

      „Ach Paul, du verlierst doch unsere Tochter dadurch nicht, sie will probieren, woanders neu zu beginnen. Wir können sie doch jederzeit besuchen und sie kommt doch auch sicher öfter nach Hause. Zoe bleibt immer deine Tochter, egal wohin sie geht“, sagte Zoes Mutter.

      „Dad, was Mum sagt, stimmt. Ihr verliert mich doch nicht, ich will nur mal weg von hier, das heißt ja nicht für immer, aber mal für ein Jahr oder so.

      In einer anderen Schule unterrichten, neue Leute kennen lernen und ein neues Land erkunden. Ich weiß noch nicht mal, wo es mich hin verschlagen wird, weil ich mich mit dem Direktor erst auf die Suche begeben muss. Ich liebe euch, und nur weil ich woanders hingehen möchte, verliert ihr mich doch nicht.“ Zoe stand auf und ging zu ihrem Vater, der sie in die Arme nahm und ihr einen Kuss auf die Wange gab.

      Alle drückten sie fest, gaben ihr starken Halt und erklärten ihr, dass sie auf ihr Herz hören müsse.

      Wenn sie fühle, dass es die richtige Entscheidung sei, solle sie nicht zögern, zu tun, was sie vorhabe.

      5

      Montag, 17. Jänner 2011

      Sie schlief unruhig, schlimme Träume plagten sie. Kaum erwacht sprang sie dennoch wie der Blitz aus dem Bett, ging sofort ins Bad und stellte sich unter die kalte Dusche.

      Dann schrie sie sich selber an.

      „Aus, aus, aus mit den blöden Gedanken“, schimpfte sie mit sich selbst.

      Danach ging es ihr besser. Es folgte der angenehme Teil des Morgens, sie gönnte sich ihren Morgenkaffee und überflog kurz die Tageszeitung.

      Sie nahm sich vor, wenn sie in der Schule alles erledigt haben würde, einen Shoppingnachmittag einzulegen.

      Zoe fuhr mit dem Auto zur Schule, im Radio lief ihr Lieblingssong von Bryan Adams, Everything I do, sie drehte die Lautstärke ganz herauf und sang lautstark mit.

      Als sie ankam ging sie schnurstracks zum Direktorenbüro, klopfte und wurde hereingebeten.

      „Guten Morgen, Zoe. Wie geht es Ihnen, haben Sie das Wochenende gut verbracht?“

      Sie gab ihrem Chef die Hand.

      „Guten Morgen, Herr Direktor. Danke, es geht mir sehr gut, das Wochenende war schön danke, ich hoffe bei Ihnen auch?“, sagte sie und nahm den Platz, den er ihr anbot.

      „Was kann ich für Sie tun, Zoe?“

      „Ja, Herr de Mol, ich habe mir in den letzten Tagen viele Gedanken gemacht und möchte Ihnen mitteilen, wie ich mich entschieden habe.“

      Er sah sie freundlich an und wartete geduldig darauf, dass sie weitersprach. Zoe räusperte sich, stand auf und ging im Büro auf und ab.

      „Da