Nicole Heuer-Warmbold

nur Tod und Verderben


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er mir so gut wie nichts erzählt. Bist du jetzt …“

      „Aber er hat mir versprochen, er wäre da!“

      „Ich weiß, das sagte er. Und er bat mich …“

      „Er hat mit dir über mich geredet?“ Ihr verzweifelter Blick brach ihm das Herz.

      „Genau genommen über die Tatsache, dass du ein Kind erwartest. Sein Kind.“

      „Und …“ Sie blickte ihn starr an, argwöhnisch, ihre Stimme ein bloßes Flüstern. „Worum hat er dich gebeten?“

      „Gut auf dich aufzupassen, wenn …“ Irgendetwas schief ging und Davian nicht zurückkehrte, der Gedanke war in seinem Kopf, so sehr er auch dagegen ankämpfte. Und sie wusste es, sie las seine Gedanken. „Wenn es soweit ist und er es nicht rechtzeitig schaffen sollte.“

      „Sandar!“

      „Nicht, Schätzchen, nicht, das ist …“ Er ächzte. „Und wenn du schon zuschlagen musst, nicht gegen die linke Schulter, Liebes, du weißt …“

      „Tut mir leid, ich …“ Mara lehnte sich an ihn, die Stirn an seiner Brust. Sandar fuhr durch ihr Haar, tröstend über ihren Rücken, nicht sicher, wen er mehr beruhigen wollte, sich oder sie. „Ist schon gut. Wir sind wohl beide ein wenig … nervös.“

      „Ja. Ich sollte … ich werde rausgehen, schauen, was Mavi macht. Vielleicht braucht Emmie ja auch Hilfe im Gemüsegarten?“

      „Überanstrenge dich aber nicht, du …“

      „Bestimmt nicht, glaubst du, sie ließe das zu? Ich …“ Mara sah zu ihm auf, lächelte zerknirscht. „Ich brauche ein bisschen Bewegung. Draußen.“

      Er nickte verhalten, verstand. „Und allein.“

      Ihr Lächeln war wie eine Belohnung; Sandar ließ sie los.

      Natürlich blieb es nicht bei dem einen Mal, der einen gemeinsamen Nacht, die Versuchung: Mara in seinem Haus, unter seinem Dach, in seiner unmittelbaren Nähe … viel zu groß. Sandar war kein standhafter Mann – er schaffte es ja nicht einmal, die Finger von ihrem Hintern, ihrem süßen, kleinen Arsch zu lassen – und sie eine überaus neugierige Frau.

      * * *

      Im Laufe des nächsten Monats kehrten die meisten Gardeeinheiten und Truppen vorübergehend nach Samala Elis zurück, und manchmal erwartete Mara sie in der Festung. Sie würde wissen, falls Davian zurückkäme, trotzdem hoffte sie jedes Mal, wider besseres Wissen, er wäre aus irgendeinem Grund unter den heimkehrenden Soldaten. Was nie der Fall war.

      In der Stadt war wenig Konkretes über die Kämpfe zu hören, überhaupt über den Krieg. Höchstens ein paar wüste Geschichten in den Gasthäusern oder aber Gerüchte, von denen Janek, Mara sah ihn ziemlich häufig, ihr berichtete. Daher traf sich Mara alle vier, fünf Tage mit seiner Majestät und Jon – der sich strikt weigerte, sie zu unterrichten, seit ihre Schwangerschaft für alle zu sehen war – zum Gespräch und sie diskutierten den Fortgang des Krieges.

      Sie suchte jeden Tag Meister Dibistin in der Festung auf. Häufig spielten sie Schach und Mara behielt das Bild, welches inzwischen weit über die Grenzen der Stadt reichte, sich westlich an die Gestade des Ozeans, südlich bis weit über die Tameran-Kette hinaus und östlich bis zu den Ausläufern des Kitaina-Gebirges erstreckte, im Auge. Sie sah … Gefechte, Kämpfe, wirre, wie verwaschen wirkende Bilder, schwierig einzuordnen, und der Alte mahnte sie, nicht zu lange bei deren Betrachtung zu verweilen.

      Liz-Rasul hingegen traf Mara nur alle paar Tage in seinen Räumlichkeiten im Palast. Sie sprachen nicht viel, absolvierten einige Übungen oder schufen kurzlebige Trugbilder, Sinnestäuschungen und Illusionen. Ihre Treffen verliefen recht angenehm, der Mann schätzte sie offenbar, war höflich und rücksichtsvoll, sie verstanden sich gut. Vielleicht zu gut, sie waren fast zu vertraut miteinander.

      „Denkt Ihr immer noch daran, mich zu küssen?“

      „Ständig.“ Liz-Rasul verzog den Mund zu einem spöttischen Lächeln – einem sehr einnehmenden spöttischen Lächeln, denn Mara verspürte den unbändigen Wunsch, diese Lippen zu berühren. „Eigentlich denke ich an nichts anderes mehr.“

      Sie lachte, wollte sich achselzuckend abwenden und glaubte fast, seine Hände schwer auf ihren Schultern zu spüren, derweil er sehr dicht hinter ihr stand, sie sogar noch näher, enger an sich zog. Ihren Nacken küsste, liebkoste, sie bekam eine Gänsehaut, seufzte.

      „Fast nichts anderes ...“ Seine dunkle Stimme wäre heiser, würde ihr eine neuerliche Gänsehaut bescheren. „Und die Vorstellung, wie meine dunkle Hand auf deinem blassen, bleichen Leib ...“

      „Ihr ...“

      „Natürlich“, er würde ihr in den Nacken atmen, beißen, seine großen Hände tastend, ja besitzergreifend über ihre Seiten, den Bauch gleiten lassen, höher ... „Tu doch nicht so überrascht, du weißt das, wusstest es von Anfang an.“

      „Aber ...“, versuchte sie vielleicht noch einzuwenden.

      „Jula ist genau wie dein Mann sehr weit … entfernt“, raunte er ihr ins Ohr, würde fester, derber zugreifen. „Ich habe drei Ehefrauen, Abendstern, glaubst du, ich komme damit nicht zurecht?“

      Und sie würde den Kopf seufzend zurücklehnen, sich stöhnend auf die Lippen beißen und mit geschlossenen Augen ganz seinen Liebkosungen und Zärtlichkeiten hingeben. Das Gefühl des leichten Schwindels genießen, des Nicht-Sehens, Nicht-Wissens, wenn er...

      „Mara, Ihr ...“, mahnte Liz-Rasul, denn es geschah ja nicht. Nichts von alledem, er entblößte nicht ihre Schenkel, derweil sie sich in den Polstern und Kissen wand, hemmungslos ob der Berührungen seiner Fingerspitzen, seiner Lippen, Zunge, seines warmen Atems...

      „Das passiert nicht wirklich!“ Er lachte irritiert. „Das hätte ich jetzt nicht im Sinn, aber … So geht es wohl auch.“

      Abwehrend schüttelte Mara den Kopf und starrte den großen Mann, Magier entsetzt an.

      „Denkt nicht darüber nach, denkt einfach nicht darüber nach.“ Er schloss sie beruhigend fest in seine Arme, strich tröstend über ihren Kopf. „Es war nichts. Ihr seid schwanger, seid extrem empfindsam, nehmt jede Regung, jedes Gefühl Eurer Umgebung … Abendstern, es ist nichts passiert“, versicherte Liz ihr wieder und wieder. „Gar nichts. Das war nur ein Traum, ein Tagtraum. Wir haben nichts gemacht, es ist nicht geschehen.“

      „Aber …“, sie schrie fast, drückte den Kopf an seine Brust. „Meine Beine zittern, als ob … ich fühl‘ mich …“ Noch immer erregt, sie roch sich.

      „Wollt Ihr Euch setzen?“

      „Bloß nicht! Ihr …“

      „Ich habe Euch nicht angerührt, Mara. Es ist nicht geschehen.“

      „Habt Ihr daran gedacht?“, verlangte sie zu wissen.

      Er schüttelte, nicht sehr entschieden, den Kopf und wich ihrem Blick aus. „Nicht so … konkret.“

      „Wie dann?“

      „Muss ich das …“ Liz stieß hörbar die Luft aus. „Jedenfalls wäre das nicht die Art, wie ich es mit Euch … Braucht Ihr unbedingt ein Bild?“, beklagte er sich, sprach hastig weiter. „Im Stehen.“

      Mara nickte und verbot sich ihr überreiztes Kichern. „Danke.“

      Sie setzte sich jetzt doch, auf einen harten, ungepolsterten Stuhl.

      Nur ein einziges Mal während dieser Zeit des Wartens und Bangens ging Mara in den Tempel und traf dort Réa, zweimal auch in die Häuser zu Nadka, welche Mara sorgsam untersuchte, sich mit Vorhaltungen und Vorwürfen jedoch zurückhielt.

      Hin und wieder weilte Mara sogar in ihrem … Davians Haus, mal mit, mal ohne Mavi, um dort nach dem Rechten zu sehen, ein bisschen aufzuräumen, auch wenn es gar nichts aufzuräumen gab. Sie fühlte sich dort nicht sonderlich wohl. Vermisste Davian.