Nicole Heuer-Warmbold

nur Tod und Verderben


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ist längst …“ Kopfschüttelnd sah Emmie zu, wie er sich an den Tisch setzte. „Hier?“

      „Störe ich Euch?“

      „Nein, natürlich nicht. Ist nur …“ Sie schaute ihn aufmerksam an. „Nein, ich freue mich, wenn Ihr hier seid, Hauptmann Sandar, Ihr … Euer Tee.“

      Dankend nahm er den schlichten Becher entgegen, rieb sich abwesend den linken Oberarm, es juckte unter dem Verband. Er hätte Glück gehabt, hatte Mara gemeint, das Schultergelenk sei nicht verletzt. „Was wolltet Ihr gerade sagen?“

      „Ich …“ Emmie wurde rot und wandte den Kopf. „Ihr mögt sie … sehr?“

      „Vermutlich nicht besonders klug von mir, sie ist verheiratet. Mit Davian.“

      „Dazu kann ich nichts sagen, Hauptmann Sandar, Ihr müsst schon selber wissen, was Ihr tut.“

      „Alt genug bin ich, hm? Es ist nur … Ich bin mir eben nicht sicher, was ich tue, ob ich nicht einen großen Fehler begehe. Aber sie … ich hab‘ den Eindruck, Mara braucht momentan jemanden, dem sie … an den sie sich anlehnen kann. Sie fühlt sich wohl ziemlich einsam, so als brauche sie … jemanden. Einen guten Freund.“

      „Und Ihr gleichfalls?“

      „Ja. Ja, sicher. Ich gleichfalls. Emmie, ich bilde mir nicht ein, dass sie … Das wäre verrückt, völlig …“

      „Aber Ihr denkt daran?“ Die alte Haushälterin strich zaghaft über sein Handgelenk. „Verzeiht, wenn ich …“

      Wenn Davian nicht zurückkehrte. Er hatte daran gedacht, und mehr als einmal, kniff die Augen zusammen. „Nein, Ihr habt ja Recht, ich … Doch da wären vorher noch andere.“

      Zwei, drei mindestens, er wusste es nicht. Ron? Ron, der sie auf die Ebenen begleitet und in der Schlacht wie ein Besessener gekämpft hatte. Und Domallen, natürlich Domallen, immer noch, wahrscheinlich musste er froh sein, dass der noch nicht zurück in der Stadt war. Wie viel Zeit blieb ihm denn noch, bis … Er fluchte, er verstieg sich da in wirre Phantasien, er wusste nicht einmal, was Mara darüber dachte. Hastig trank er einen Schluck Tee. „Entschuldigt.“

      Verständnisvoll nickte seine Haushälterin und zog zögernd die Hand zurück. „Euch immer, Hauptmann Sandar.“ Stand auf und machte sich am Herd zu schaffen. „In der Stadt nennen sie sie eine Heldin, weil sie diese armen Leute vor den Ostländern gerettet hat, aus Dalgena. Ich war ja nicht dabei, aber meine Nichte hat davon erzählt, wie sie übergesetzt haben. Wäre sehr eindrucksvoll gewesen.“

      Sie hatten nicht darüber gesprochen, ihre, seine Erlebnisse, weder über die Ebenen noch über die Schlacht. „Inwiefern denn eindrucksvoll?“

      „Nun ja, der Fluss führte noch Hochwasser, und sie ganz vorne am Bug … Ehrlich gesagt kann ich es mir nicht recht vorstellen, die junge Dame in Rüstung und Schwert, kommandierend. Aber ich habe sie auch nur hier im Haus erlebt, im Winter, und da erschien sie mir sehr jung und ein bisschen schüchtern und zurückhaltend.“

      „Oh doch, Mara kann kommandieren.“ Sandar lachte leise. „Ich würde mich ihr nicht in den Weg stellen wollen.“

      „Aber kann sie denn tatsächlich zaubern, wie gesagt wird?“

      „Ja, davon gehe ich aus.“ Er hatte sie nie zaubern gesehen, nicht bewusst, aber … Als sie mit Davian und Jula trainiert hatte, auf diesem schlammigen Platz im Heerlager, dieser endlose Moment, war das keine Magie? Die Art, wie sie mit Problemen umging, ihre absolute, verrückte Sicherheit, Dinge einfach zu wissen. Er erinnerte sich, wie Mara die Karte verschoben hatte, damit deren Lage besser mit der Welt übereinstimmte. Eine Karte, ein bemaltes Stück Haut, und sie folgerte daraus und dem Wissen um die genaue Richtung den Aufenthaltsort der Flüchtlinge!

      „Und sie kann hervorragend mit dem Schwert kämpfen. Die Dame ist eine wirklich gefährliche Frau, Emmie, und sehr jung. Und manchmal ein bisschen zurückhaltend. Nicht immer.“ Er seufzte gedankenvoll, bemerkte Emmies verlegene Miene und grinste. „So meinte ich das wirklich nicht.“

      Schnell, etwas zu schnell stimmte Emmie ihm zu.

      „Wie viele Jahre arbeitet Ihr schon für meine Familie, in diesem Haus?“

      „Etwa … oh, mehr als fünfundzwanzig Jahre sind es bestimmt.“

      „Habe ich Euch jemals … Ihr habt mir nie gesagt, was Ihr dazu meint, dass mein Großvater mir das Haus vermacht hat.“

      „Ihr habt mich gefragt, ob ich für Euch arbeiten will, Hauptmann Sandar. Und ich habe gerne eingewilligt.“

      „Ja, ich erinnere mich.“

      „Wieso … Stimmt etwas nicht, seid Ihr nicht zufrieden mit mir?“

      „Nein, ganz und gar nicht, ich …“ Er wusste selbst nicht genau, warum er fragte. „Vertraut Ihr mir, Emmie?“

      „Ich verstehe nicht, ich …“ Erschrocken blickte sie ihn an. „Hauptmann?“

      „Vertraut Ihr mir, Emmie, vertrautet Ihr mir Euer Leben an?“

      „Natürlich, Hauptmann Sandar, Ihr … Ihr seid ein Sadurnim.“

      Eine gut gemeinte Antwort, doch nicht die, die er hören wollte, Sandar stand auf.

      Er hatte nicht lange warten müssen. Mara brauchte nicht viel Zeit, um sich anzukleiden – sie hatte noch gebadet, als er ihr mitteilte, sie würden im Gartenzimmer frühstücken – und sah es wohl als Zeitverschwendung an, sich zu Recht zu machen. Er deutete zu viel hinein, und nur weil Lucinda ihn immer hatte warten lassen … Verärgert schüttelte er den Kopf, jetzt verglich er die beiden sogar schon, und schaute lächelnd, zunehmend amüsiert zu, wie Mara sich über das Essen hermachte. „Brauchst du … möchtest du noch mehr sauer eingelegtes Gemüse? Oder von dem Obst?“

      Wie ertappt sah Mara auf, die kleine Schale Gemüse und das Schälchen mit dem Obst waren leer. „Oh, ich glaubte, du hättest bereits … Wolltest du noch was davon haben?“

      „Nein, nein, ess ruhig. Ich hoffe nur, du bekommst kein Bauchweh.“

      Sie grinste. „Nee, höchstens von dem frischen Brot.“

      „Weshalb du dich an das süße Gebäck gehalten hast. Zum Fleisch.“

      „Schmeckte interessant. Ist noch Tee …“

      „Nein, bleib.“ Mara war bereits halbwegs aufgestanden, um die Kanne zu holen, rasch legte Sandar ihr die Hand auf die Schulter. „Du bist mein Gast.“ Er holte selbst die Kanne vom kleinen Tisch und schenkte nach, konnte sie nicht ansehen.

      „Sandar? Was ist denn?“

      „Bleib hier, ich würde es … Ich möchte, dass du bleibst.“

      „Sandar …“

      „Nur für eine Weile“, begegnete er hastig ihrem Einwand. „Du hättest jede Bequemlichkeit, müsstest dich um nichts kümmern, und ich …“

      „Und Mavi?“

      Unbedacht zuckte er die Schultern, verzog das Gesicht ob des Schmerzes. „Der bleibt natürlich ebenfalls, ist ja genug Platz hier.“

      Skeptisch blickte Mara ihn an, die Augen schmal zusammengekniffen, die Arme ablehnend vor der Brust verschränkt, Davian nicht unähnlich. „Du wärst für die Leute nur ein weiterer meiner Liebhaber, Sandar, und …“

      „Ich würde es als Privileg betrachten. Scheiß auf die Leute, Liebes, das …“

      Ihre Mundwinkel zuckten, dann platzte sie laut heraus, lachte. „Warum ist dir das so wichtig?“

      „Weil ich nicht möchte, dass du … Weil ich momentan nicht allein sein will und ich mich besser fühlen würde, wenn du ebenfalls nicht allein wärst.“

      „Ich bin nicht ...“

      „In meiner Nähe, Mara.“

      Sie