Nicole Heuer-Warmbold

nur Tod und Verderben


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dich, was mich sehr wundert und freut. Kann ich dich etwas fragen?“

      „Ja, frag.“

      „Dieser große … sehr große Mann, Gardehauptmann, ich habe da so etwas … Ist er dein …“

      „Nein.“ Lucinda schüttelte bedauernd den Kopf. „Ich war mit Hauptmann Sandar viele Jahre lang verlobt, es gab sogar einen Vertrag, geschlossen von unseren Familien. Aber ich habe … löste die Verlobung. Das erschien mir alles schon so fest. Vorgezeichnet, das ganze Leben, und ich hatte arge Bedenken, Probleme … mit mir selbst. Du kannst dir vorstellen, wie Sandar das aufgenommen hat, jeder.“ Sie lachte rau. „Danach … war gar nichts mehr fest und stabil, so als hätte ich jeden Halt, jede Sicherheit verloren. Und in der Situation …“, sie zögerte.

      „Ein anderer Mann?“

      „Doch der völlig falsche, ich war naiv, entsetzlich dumm. Er … na ja.“ Sie wandte den Kopf ab, legte die Hand ans Gesicht. „Ich habe im Traum nicht damit gerechnet, dass Sandar zu mir kommt, um sich zu verabschieden, ich habe mich so unglaublich gefreut, ihn zu sehen. Jetzt hoffe ich wirklich sehr, dass es ihm gut geht.“

      „Bestimmt, genau wie deinem Bruder“, wieder tätschelte Nina ihren Unterarm, umfasste ihre Hand. „Kann ich?“

      Lucinda nickte, redete einfach weiter, derweil Nina sie rasch und kundig untersuchte. „Um Getti mache ich mir eigentlich nie Sorgen. Seltsam nicht?“

      Nina brummte zustimmend. „Dein Bruder kommt zurecht. Mach dir keine Gedanken und schlaf erstmal ein wenig.“ Sorgsam deckte sie Lucinda zu, strich ihr sogar flüchtig über den Kopf.

      * * *

      Mit mehr als hundertdreißig Flüchtlingen waren Mara, Bahadir, Liz, Ondra und deren Kindern in Samala Elis angelangt. Und mit ihnen ein zaghafter Frühling und endlich wahrhaftige Neuigkeiten, nicht bloß Gerüchte.

      Jo’quin war nach wenigen Tagen mit Bedauern von ihrem – Davians – Haus wieder ins Gasthaus am Osttor übergesiedelt, wo Bahadir mit zwei weiteren Priestern wohnte: dem schon älteren Geoff sowie dem sehr, sehr jungen Farid. Alle anderen Priester des Jägers waren, wie es schien, irgendwo im Land unterwegs … verteilt – Bahadir hatte sich nur äußerst vage zu ihnen und ihren Unternehmungen geäußert.

      Mara selbst hatte kaum etwas anderes getan, als die Fragen seiner Majestät und seiner Berater, der wenigen Hauptleute in der Stadt, zu beantworten – vor allem Hauptmann Ferrin hatte alles ganz genau wissen wollen, immer wieder nachgefragt. Natürlich hatte sie einen ausführlichen Bericht des Rittes über die Ebenen angefertigt. Über Hauptmann Hiron allerdings mochte sie weder viel sagen noch detaillierte Berichte schreiben, lediglich, dass dieser wohl gefangen genommen wurde; es war zu nah, zu schmerzlich.

      Sie freute sich, Meister Dibistin wieder zu begegnen, dem Ersten des Rates der Zauberer von Mircabor, ein schroffer, recht kleiner und leider schwer erkrankter Mann. Mara ermunterte ihn, sie zu einem Spaziergang im Garten des Palastes zu begleiten. „Die Luft ist so angenehm mild und duftet bereits nach dem Frühling. Die Bewegung wird Euch guttun, Meister.“

      Grummelnd, doch unterdrückt schmunzelnd willigte Dibistin ein. „Solange Ihr nicht von mir erwartet, es dem jungen Roderick gleich zu tun und ein Dutzend Mal die Treppen hoch und runter zu hasten, Kind.“

      Irritiert sah sie zu Rod, der mit hochrotem Kopf erklärte: „Euer Mann hat mir dazu geraten, vor … Ist schon was her, im Herbst. Und ich glaube, ich war zu dem Zeitpunkt nicht mehr nüchtern. Ich habe ihn gefragt, wie ich besser …“, er schluckte, leckte sich nervös die Lippen und wich ihrem Blick aus. „… in Form komme.“

      Mara fragte nicht, ob es half, sie wollte dem Jungen, der mittlerweile ein zuverlässiger Helfer bei der Versorgung verletzter Soldaten war, unermüdlich in den Gardeunterkünften sowie den Häusern unterwegs, nicht zu nahe treten. „Du hast dich mit Davian betrunken?“

      „Na ja, ich … wir, also Euer Mann, Hauptmann Sandar Sadurnim und ich haben in dessen Haus gemeinsam gegessen und getrunken, geredet. War der Vorabend Eurer Hochzeit, glaub‘ ich, und …“ Rod half Meister Dibistin, auf einer der steinernen Bänke Platz zu nehmen, lächelte versonnen, offenbar war es damals ein netter Abend gewesen. „Kennt Ihr Hauptmann Sandar Sadurnims Haus?“

      „Aye. Ich war ein paarmal bei Sandar zu Gast. Und du …“ Kopfschüttelnd musterte sie den Jungen. „… mit Sandar und Davian?“

      „Traut Ihr mir das nicht zu … Herrin?“

      „Es überrascht mich.“ Mara musste ein Lächeln unterdrücken. „Das ist nicht unbedingt die Gesellschaft, in der ich dich … War gut? Der Abend?“

      „Großartig, obwohl ich … Sie haben mir ja nur drei Gläser Wein erlaubt, weil ich … Aber ich durfte dort übernachten, in diesem wundervollen Haus, und dann am nächsten Morgen habe ich ein üppiges Frühstück bekommen. Hauptmann Sandar Sadurnim ist ein sehr großzügiger Mann.“

      „Das ist er, und ein guter Freund.“

      Überrascht ob dieser Bestätigung sah der Junge sie an, lächelte verlegen.

      Und nach einigen Tagen, sie fühlte sich unruhig, als wäre sie noch nicht vollständig angekommen, fand Mara sich vor den großen Toren der Schmiede wieder. Neugierig schaute sie sich in dem gewaltigen, düsteren Raum um, es schien keiner da zu sein. Doch dann hörte sie Schritte hinter sich.

      „Was machst … Ihr?“

      Achselzuckend wandte sie sich zu Soltan um, lächelte leicht. „Ich.“

      „Aber was … Was wollt Ihr denn hier?“

      „Störe ich?“ Mara musterte ihn, seinen nackten, muskulösen Oberkörper unter der offenen Weste. „Ich habe noch bei Manik vorbeigeschaut, mich erkundigt, wie es ihm geht, doch Vica war da, und da … na ja, ich wollte nur kurz …“

      Soltan schob ihr die Haare aus der Stirn. „Du schwitzt ja.“

      „Ja … Ist erstaunlich warm hier.“

      „Die Feuer … Ist eine Schmiede.“

      „Aha. Ich …“ Sie schluckte, leckte sich über die Lippen. „Fjodar ist noch nicht zurück?“

      Soltan lachte leise, Mara krabbelte ein Schauer über den Rücken. „Noch nicht.“ Legte ihr die Hand in den Nacken und zog sie näher, küsste sanft ihre Schläfen. „Vielleicht in ein paar Tagen, eine größere Gruppe Soldaten soll …“ Küsste sie unbeherrscht, die Finger in ihrem Haar vergraben. „… soll zurückkehren. Hier sieht uns jeder, der auf dem Hof vorbeikommt.“

      „Und?“

      „Wird meiner Frau nicht gefallen.“

      „Ich wusste nicht …“ Überrascht machte Mara einen Schritt rückwärts, doch Soltan zog sie gleich wieder an sich, noch enger. „Du bist verheiratet?“

      „Hm, du doch auch. Wundert dich?“

      „Ich habe nicht darüber nachgedacht. Aber dann …“

      „Hinten.“ Er führte Mara, locker ihre Hand haltend, in den hinteren Teil der Schmiede, noch dunkler, und weiter in eine kleine Kammer: ein Tisch, ein paar Stühle, eine Bank an der Rückwand. Nur wenig Licht fiel durch die mit einem löchrigen Tuch verhängte Fensteröffnung. „Setz dich.“

      Aber Mara blieb stehen, lehnte sich gegen die Tischkante und betrachtete ihn. Soltan grinste, ein wenig verlegen, und nahm Platz, ein Bein lang ausgestreckt. „Was? Weil ich verheiratet bin?“

      „Das nicht, aber … Ich weiß so gut wie nichts von dir.“

      „Is’ mir vielleicht lieber so.“ Sinnend strich er über ihren Handrücken, den Blick auf ihre Hand gerichtet. „Was willst du denn wissen?“

      „Wieso sollte Fjodar dich erschlagen, ich meine, wieso er?“

      „Mein Vater ist ziemlich … Er mag dich wohl ziemlich gern, so, wie er redet.“