Nicole Heuer-Warmbold

nur Tod und Verderben


Скачать книгу

gemacht hat. Fjodar … ich verdanke ihm viel, alles, er hat mich in die Lehre genommen, als er sah … Na ja, ich hab’ mich wohl nicht allzu blöd angestellt, heute bin ich ein recht guter Schmied. Waffenschmied.“

      Abrupt stand er auf und trat vor sie, viel zu dicht. „Warum immer noch dieser schwere Mantel?“

      „Schützt vor …“ Mara ächzte unterdrückt und atmete viel zu hastig, als er ihr den Reitmantel von den Schultern schob. „… dem Regen.“

      „Es regnet nicht.“

      „Wird es bald.“ Sie legte die Hand auf seinen warmen Leib, prompt spannte Soltan die Muskeln an. „Du trägst keine Waffen.“

      „Renn’ nicht den ganzen Tag mit ’nem Zweihänder rum.“ Er wurde immer wortkarger, sein Atem schwerer, und glitt mit den Händen forschend über ihren Körper, grinste dann, den Kopf dicht zu ihr gebeugt. „Keine Schutzkleidung?“

      „Bräuchte ich die?“

      Soltan küsste sie fordernd, wild. „Nee …“ Fuhr ungeduldig unter ihre Jacke, ihr Hemd, und lachte, als sie erschauerte. „Würd’ dir hier auch nichts nützen.“

      Soltan sah Mara nicht an, als er ihr ihre Hose reichte. „Woher hast du das gewusst?“

      „Wie bitte?“

      Er nickte zum Fenster hin. „Klingt, als würd ’s ordentlich gießen. Regnen.“

      „Oh, das. Ich weiß solche Dinge.“

      Undeutlich murmelte er etwas Unverständliches und hielt ihre Hand fest, als Mara sich die Jacke überziehen wollte; er schien verlegen. „Du gehst? Einfach so, mein‘ ich?“

      „Ja. Ich hatte nicht den Eindruck, du würdest mich unbedingt nach Hause zum Essen einladen wollen.“

      „Nee, besser nicht, sie merkt … Dreck, red’ doch nicht so!“

      Irritiert zog Mara die Augenbrauen hoch, entzog ihm ihre Hand und schlüpfte in die Jacke, setzte sich. „Was meinst du?“

      „Entschuldige, ich bin …“ Er verzog das Gesicht und setzte sich gleichfalls; ihre Knie berührten sich fast. „Du bist die erste Frau, die tatsächlich nur darauf scha… nur das will, und … Is’ ungewohnt.“

      „Sonst bist du derjenige?“

      „Jup.“ Soltan grinste. „Dabei find’ ich ’s ganz nett, mit dir zu reden, is’ spannend, du bist …“ Er zuckte die Achseln. „Weiß nicht, ungewöhnlich. Wie du dich verhältst.“

      „Ah.“

      „Ja. Als wär ’s dir egal, was andere sagen, und ob sie mit deinen Entscheidungen einverstanden sind oder nich. Während der letzten Tage bis zur Stadt, die Leute aus Dalgena zum Beispiel.“

      „Ich tue, was ich für richtig halte.“

      „Auch gegen den Willen anderer?“

      „Wenn es notwendig ist. Ich habe alle heil nach Samala Elis gebracht, Soltan.“

      „He, ich mach‘ dir doch keine Vorwürfe, ich bestimmt nicht.“ Begütigend tätschelte er ihr Knie und lächelte entschuldigend. „Manche haben halt ziemlich gemurrt.“

      Mara presste nur die Lippen aufeinander, was sollte sie sich jetzt darüber ärgern, und zog die Jacke enger um sich.

      „Tut mir leid, ich bin nicht so gut mit Worten, sag’ oft das Falsche. Du meintest vorhin, du weißt nichts über … Falls dich das interessiert, ich habe zwei Kinder, einen Jungen, sieben Jahre, und ein Mädchen von vier. Etwa so alt wie der kleine Junge, den du mitgebracht hast, oder?“

      „Mavi? Ja, ich … möglich, Hiron hat es mir nicht erzählt.“

      Soltan betrachtete sie eindringlich und beugte sich dann vor, griff nach ihren Händen. „Der Hauptmann, Gardehauptmann, den du anfangs dabei hattest? Da war doch ein Hauptmann, du bist nicht einfach mit ’ner halben Gardeeinheit losgezogen?“

      „Wird das etwa erzählt?“ Sie grinste fast. „Nein, da war ein Hauptmann.“

      „Und weißt du …“

      „Nicht viel. Er lebt.“ Hatte überlebt. Was auch immer sie ihm angetan hatten, Hauptmann Hiron Ligoban lebte noch. Mara erreichte ihn gedanklich nicht mehr, wusste nicht, wo er sich aufhielt, genauso wenig wie sie wusste, wo Davian sich aufhielt, wie sie ihren Mann nicht mehr erreichen konnte; sie ballte die Fäuste. Besorgt sah Soltan sie an. „Was ist? Geht es dir nicht …“

      „Mei…“ Ihre Stimme zitterte. „Davian ist nicht mehr in Mandura. Und dafür erwarte ich eine verflucht gute Erklärung, ich … Verfluchter Mist, wie kann er das tun, wie kann er mir das verdammt noch mal antun!?“

      Der Boden bebte, ruckte. Mara sah Angst in Soltans Blick aufflackern, als die ersten Flammen aufzüngelten. Er beobachtete sie argwöhnisch, ließ sie nicht aus den Augen, seine Stimme angespannt. „Was tust du, kleine Zauberin?“

      „Nenn mich nicht so! Ich bin mächtiger, als ihr alle es euch auch nur vorstellen könnt!“

      „Ja, gut, aber … Bitte, hört auf damit, Herrin, ich flehe Euch an!“

      „Wag es nicht, vor mir niederzuknien, Soltan.“ Sie kniff die Augen ob des Rauches schmal zusammen und wischte nachlässig mit der Hand durch die Luft; das Feuer erlosch augenblicklich. Legte sacht ihre Finger an Soltans Wange. „Fjodar geht es gut, er ist unverletzt. Das kannst du seiner Frau ausrichten.“

      Mit zitternden Fingern fasste er nach ihrer Hand, lachte keuchend. „Und wie erklär’ ich die angekokelten Möbel?“

      Die ersten Soldaten, die in der Schlacht gekämpft hatten, waren zurück in der Hauptstadt. Knapp dreitausend Fußsoldaten unter Bros Führung, die gleich weiter quer durch die Stadt zur Kaserne am Westtor marschierten, sechshundertfünfzig Reiter vom Nordtor, an der Spitze Hauptmann Sadurnim, zudem zwei Gardeeinheiten, Ladrus und Sandars. Ein Teil des Versorgungstrosses: Fjodar lenkte den zweiten Wagen. Ein anderer Teil war in Birkenhain geblieben, ein weiterer in Kirjat und ein nicht geringer Teil war zerstört worden, die Vorräte geplündert.

      Mara war mit Mavi direkt zur Festung geritten, während Janek mit seinem Freund Josch die Ankunft der Soldaten am Osttor beobachtet hatte. Janek hatte ihr Josch bereits auf den Ebenen vorgestellt; dieser war unter denen gewesen, die ihnen zu Hilfe gekommen waren, hatte einen der Wagen gelenkt. Ein nicht besonders großer, dafür aber kräftig gebauter, starker junger Mann in Janeks Alter. Beide waren wenige Tage nach ihrer Ankunft in Samala Elis der Stadtwache beigetreten, sehr zur Freude von Hauptmann Ferrin, der dringend neue Leute brauchte. Ersatz für seine Männer, die nun Teil der Armee waren.

      Soltan lungerte am Eingang der Schmiede und folgte Mara bedächtig auf den Gardehof, grüßte knapp und hob Mavi vom Pferd, griff nach den Zügeln des Wallachs. „Braucht Ihr Hilfe?“

      „Ich nicht, aber es kommen einige Wagen mit Verwundeten.“

      „Verstehe.“ Ungefragt half er ihr aus dem Sattel. „Und um die kümmert Ihr Euch.“

      „Auch, aber sicher nicht allein.“ Vor allem erwartete sie Sandar.

      Zu ihrer Erleichterung sah Mara ihn zu Pferde sitzen, nicht auf einem Wagen mit den Schwerverletzten, allerdings trug er den dick verbundenen linken Arm in einer Schlinge. Sandar wirkte erschöpft, sein Gesicht bleich und abgespannt, als wäre er sehr müde und litte Schmerzen. Mara schritt ihm entgegen und kämpfte darum, nicht in Tränen auszubrechen. „Sandar.“

      „Mara, meine Liebe, mit dir hätte ich ja nun wirklich …“ Überrascht wandte Sandar den Kopf, lächelte auf sie herunter. „Gehofft, ja, aber nicht ernstlich erwartet. Ach Schätzchen, ich freue mich, dich zu sehen.“

      „Soll ich dir beim Absteigen helfen?“

      „Auf gar keinen Fall, Liebes. Wenn, dann der große, starke Mann neben dir. Soltan, wenn ich mich recht entsinne?“ Soltan nickte mürrisch.