Nicole Heuer-Warmbold

nur Tod und Verderben


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fürchte ich, er wird zu spät kommen.“

      Sandar war irritiert, mehr noch über ihren kühlen Gesichtsausdruck denn über ihre Worte. „Ich fürchte, ich verstehe nicht.“

      „Nicht?“ Sie grinste frech und streckte ihren kleinen runden Bauch vor. „Der wird noch gewaltig wachsen.“

      „Und du meinst, irgendwann würde selbst Reik die Lust verlieren?“

      Ihr Grinsen wurde breiter. „Ha. Das hast jetzt du gesagt.“

      „Hab ich. Geht es dir gut, Liebes?“

      „Ja. Du fängst aber hoffentlich nicht an, mich zu umsorgen und zu beschützen?“

      „Nur ein bisschen … verwöhnen. Ich habe zurzeit keine andere Aufgabe, ich bin nicht einsatzfähig, und …“

      „Schlechtes Gewissen?“

      Fassungslos starrte er sie an, wusste nichts zu sagen, sich nicht zu verteidigen. „Du …“

      Sie musterte ihn nur wortlos. Ruhig, abwartend. In dem Moment wusste er, warum Domallen sie zu seiner persönlichen Beraterin gemacht hatte, warum Davian derart von ihr fasziniert war: sie war schnell, kalt, skrupellos. Gefährlich, ganz und gar kein nettes Mädchen.

      Sandar schluckte, ballte die Fäuste. „Verdammt, Davian ist mein bester Freund und ich bin bei der ersten sich bietenden Gelegenheit mit dir ins Bett gestiegen! Ich … Ja! Ja, ich habe ein schlechtes Gewissen, ich habe Schuldgefühle, weil ich … weil ich es immer wieder tun würde, weil ich dich zu meiner Frau will und weil es Momente gibt, in denen …“ Starr blickte er sie an und wusste nicht, wohin mit seiner Wut. „Scheiße, was machst du mit mir?!“

      „Ich tue dir weh?“

      „Allerdings, das tust du.“ Eindringlich betrachtete er sie, versuchte sich zu beruhigen und deutete auf ihren Bauch. „Das Kind ist von ihm?“

      Sie wurde nicht wütend und erwiderte offen seinen Blick. „Das Kind ist von Davian, ja.“

      „Und …“ Er würde jetzt alles fragen können und sie würde ihm antworten. Bloß fiel ihm keine sinnvolle Frage ein. „Keinerlei Zweifel? Ich meine …“

      „Nein.“ Sacht legte sie die Hand auf ihren Bauch, ihr Gesichtsausdruck mit einem Mal sehr weich, sehr zärtlich. „Ich weiß den Moment, Sandar, den Augenblick, als mein Sohn gezeugt wurde.“

      „Weiß er …“ Er liebte sie, liebte sie so sehr, dass es schmerzte, er in Tränen ausbrechen könnte. „Weiß Davian, dass er … dass du einen Sohn bekommst? Seinen Sohn?“

      „Ja, das weiß er.“

      „Liebes … Warum erzählst du mir das?“

      „Du bist sein bester Freund, und ich möchte es jemandem erzählen.“

      „Mir?“

      Mara nickte. „Du sagtest, du würdest dich freuen, dich als mein Freund betrachten zu dürfen.“

      „Ja, und das ist die Wahrheit. Ich liebe dich, Mara.“

      „Ich weiß. Erzählst du mir, wie du ihn kennen gelernt hast?“

      „Davian?“ Ihre Art irritierte ihn manchmal doch sehr, er gestand ihr –nicht zum ersten Mal – seine Liebe, und sie nahm das wie selbstverständlich hin. „Sicher, warum nicht. Es ist keine besonders aufregende oder ungewöhnliche Geschichte, halt … Komm mit.“

      Er bot ihr seinen Arm und führte sie zu den einladenden, sehr bequemen Sesseln im Wohnraum. „Du weißt, dass er bei der Reiterei am Nordtor war, als er nach Samala Elis kam?“

      Mara nickte bestätigend. „Aber nicht sehr lange, oder?“

      „Rund anderthalb Jahre. Zum großen Bedauern meines Vaters, der hätte ihn gern länger behalten. Aber wenn die Garde ruft …“ Vage hob er die Hände. „Mein Vater pflegte, jetzt natürlich nicht, jeden zweiten Monat seine Hauptleute zu einem geselligen, recht formlosen Treffen zu sich zu laden. Mitunter war auch ich anwesend, ich kenne viele der Männer, außerdem waren das recht launige Abende. Also, an eben einem solchen Abend, ich war gerade erst angekommen, nimmt mein Vater mich zur Seite und raunt mir zu, ich müsse unbedingt jemanden kennen lernen. Der Kerl sei tatsächlich außergewöhnlich, in jeder Hinsicht, so seine Worte. Ungewöhnliche Worte für meinen Vater, der ein eher nüchterner, sachlicher Mann ist. Du kannst dir vorstellen, dass ich, nun, neugierig war. Auf diesen außergewöhnlichen Kerl.“

      Sandar schüttelte den Kopf ob der Erinnerung an jenen Abend und wurde rot, als er bemerkte, wie aufmerksam Mara ihn beobachtete. „Mein erster Eindruck von diesem jungen Soldaten, und er war jung, damals noch keine zwanzig, noch nicht Hauptmann: Er war überheblich, hielt immer ein bisschen Abstand, als stünde er … über den Dingen. Er beteiligte sich nicht an den scherzhaften Bemerkungen und Witzeleien, obwohl ich nicht den Eindruck hatte, er wäre verstockt oder gar schüchtern. Er beobachtete, wägte ab. Ich weiß nicht, ob er sich sonderlich wohl fühlte, die meisten der Anwesenden waren älter, erfahrene Hauptleute, aber er zeigte sich nicht beeindruckt, überhaupt nicht. Ich fand ihn … nicht uninteressant, das, was er sagte. Das wenige, was er sagte.

      Später dann, nicht an jenem ersten Abend, ein weiteres Treffen im Haus meines Vaters, haben wir länger geredet, ausführlicher. Ich wohl vor allem, denn Davian meinte abschließend, mit diesem arroganten, spöttischen Lächeln, ob ich jetzt klüger sei.“

      „Und, warst du klüger?“

      „Kaum. Interessierter, ja, aber ich erfuhr nicht besonders viel über ihn. Das, was ich sowieso schon wusste, woher er kam, sein Werdegang, solche Dinge. Keine Einzelheiten, nichts Persönliches. Dass er zur Garde wolle, das sagte er.“

      „Du warst damals bereits bei der Garde?“, hakte Mara nach.

      „Ja, schon einige Jahre. In dem Sommer … Spätsommer bin ich zum Hauptmann befördert worden. Möchtest du noch Tee?“

      „Ich habe noch, danke.“

      „Du langweilst dich doch hoffentlich nicht?“

      „Nein, durchaus nicht.“ Sie schüttelte entschieden den Kopf. „Ich lausche gern deiner Stimme.“

      „Das … das sagtest du schon mal.“

      „Es ist die Wahrheit, ich höre deine Stimme gern, Sandar. Und ich höre dir gern zu.“

      „Na, dann sollte ich … Ich bin Davian nicht wirklich häufig begegnet, noch einige Male im Haus meines Vaters, ein paarmal in Wirtshäusern. Nicht unbedingt der Ort, sich besser kennen zu lernen, zumal er meist betrunken war. Im darauffolgenden Frühjahr war er dann ’ne Weile, einige Monate, außer Landes, mein Vater wollte mir jedoch nicht verraten, wo genau.“

      „Er macht sowas häufiger, nicht wahr? Davian?“

      „Hm, ja …“ Sandar nickte nachdenklich. „Er redet nicht darüber, auch jetzt noch nicht, ich gehe davon aus, diese Unternehmungen sind … streng vertraulich. Das heißt, lediglich Domallen und vielleicht noch seine Majestät sind informiert. Ähnlich der jetzigen.“

      „Aber wir … Ihr führt Krieg!“

      Er hatte sehr wohl ihren Versprecher bemerkt, ging jedoch nicht darauf ein. „Ich fürchte, das ist kein Widerspruch, Liebes.“

      „Warum gerade Davian? Du willst mir doch nicht erzählen, niemand sonst in der Garde könne vernünftig Ostländisch sprechen“, fuhr sie auf.

      „Er ist der beste, Mara. Ich will gar nicht behaupten, er sei der einzige, aber Davian macht das seit Jahren. Soll ich noch weiter erzählen?“

      „Ja, bitte“, murmelte sie leise. „Wenn du noch magst.“

      „Für dich immer, meine Teure. Nun, irgendwann war er wieder da, kurz vor der Mittsommernacht. Im Herbst dann wurden Truppen von der Kaserne am Nordtor ins Grenzgebiet nordöstlich von Kirjat … Habe ich eigentlich erwähnt, dass Davian in der Einheit