Hubert Wiest

Dennis und Guntram - Zaubern für Profis (Band 3)


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Wenn Dennis ein eigenes ferngesteuertes Flugzeug hätte, würde er auch Guntram fliegen lassen.

      Am nächsten Tag in der Schule erzählte Dennis Guntram, dass seine Eltern ihm nur ein Fahrrad zum Geburtstag schenken wollten.

      „Wieso? Ein Fahrrad ist doch ein super Geschenk. Dann könnte ich vielleicht dein altes haben“, schlug Guntram vor.

      Dennis kochte. „Du denkst auch nur an dich!“

      „Dann könnten wir gemeinsam Fahrradtouren unternehmen“, erwiderte Guntram entschuldigend.

      „Hör bloß mit dem Fahrrad auf! Sag mir lieber, was wir heute Nachmittag unternehmen. Ich habe keine Lust zu Hause zu sitzen.“

      Guntram Mempelsino von Falkenschlag druckste ein wenig herum. Er zupfte ein Blatt von einem Busch im Pausenhof und drehte es zwischen den Fingern.

      „Na, was ist?“, bohrte Dennis nach.

      Guntram sah kaum von seinem Blatt auf, als er sagte: „Ich habe heute Nachmittag keine Zeit.“ Und dann schob er nach: „Tut mir leid.“

      Dennis wollte es nicht glauben. Guntram hatte immer Zeit. Guntram war sein bester Freund. Sie machten alles zusammen. „Wie, du hast keine Zeit?“, fragte Dennis fassungslos.

      „Na, keine Zeit eben. Ist im Moment leider so“, sagte Guntram. Es schien ihm peinlich zu sein. Aber das änderte nichts. Er hatte einfach keine Zeit. Und dann schwiegen sich die beiden an.

      Auch mittags auf dem Weg nach Hause sprachen sie kaum ein Wort miteinander. Stumm trotteten sie nebeneinander her. Guntram zupfte immer wieder Blätter ab und beschäftigte sich ausgiebig mit ihnen. Dennis ärgerte sich furchtbar. Alle hatten sich gegen ihn verschworen, gestern seine blöden Eltern und jetzt sein bester Freund. Vielleicht war Guntram überhaupt nicht mehr sein bester Freund und er musste sich nach einem neuen besten Freund umsehen. Und nach anderen Eltern am besten auch. Kalles Eltern, die waren großzügig. Sie schenkten ihrem Sohn einfach ein ferngesteuertes Flugzeug. Sie benahmen sich nicht so knauserig wie seine Eltern. Und auch die Sache mit Guntram ließ Dennis keine Ruhe.

      Das Mittagessen schmeckte Dennis überhaupt nicht, obwohl es Apfelstrudel mit Vanillesoße gab, eines seiner Lieblingsgerichte. Dennis musste unbedingt wissen, was Guntram am Nachmittag vorhatte. Er beschloss, Guntram zu folgen. Heimlich.

      Mit Apfelstrudel und einer großen Portion Ärger im Bauch versteckte sich Dennis vor Guntrams Haus. Und tatsächlich, es dauerte nicht lange, da kam Guntram heraus. Er sah nicht links und rechts. Guntram schlenderte die Straße hinunter, so als wäre es das Normalste auf der Welt, den Nachmittag ohne ihn zu verbringen. Dann bog Guntram in den Weg ein, der zum Schlittenberg führte. Dennis presste sich eng an die Zäune, nutzte den Schutz von Bäumen und Mülltonnenhäuschen und duckte sich hinter der Bushaltestelle. Das wäre wohl nicht notwendig gewesen, denn Guntram drehte sich nicht ein einziges Mal um.

      Nach den letzten Häusern rannte Guntram über die große Wiese auf einen Jungen zu, der oben auf dem Hügel stand. In der Hand hielt der Junge ein ferngesteuertes Flugzeug. Dennis wollte es nicht glauben. Der Junge war niemand anderes als Kalle! Die beide begrüßten sich, als wären sie die besten Freunde.

      Dennis' Knie fühlten sich weich an wie nasse Schwämme. Seine Lippen bebten vor Zorn. Er hielt sich an einem Zaunpfahl fest. Guntram und Kalle. Diese Verräter! Er konnte nicht hören, was die beiden redeten. Aber es sah aus, als hätten sie richtig Spaß. Nur das Hornissenbrummen des Flugzeugmotors wehte herüber. Kalle hatte sich die Fernsteuerung um den Hals gehängt. Guntram sprang aufgeregt hin und her. Das Flugzeug stand im Gras. Der Hornissenmotor heulte auf und das Flugzeug setzte sich in Bewegung. Es hoppelte über die Wiese. Zunächst ganz langsam, dann immer schneller. Schließlich riss sich das Flugzeug vom Boden los und sauste durch die Luft. Guntram jauchzte.

      Wie Boxschläge fühlte sich das in Dennis' Bauch an. Ausgerechnet sein bester Freund ließ ihn im Stich, traf sich lieber mit Kalle! Nur wegen des ferngesteuerten Flugzeugs. Und seine blöden Eltern würden ihm keines schenken. Warum hatte ihn Guntram nicht mitgenommen?

      Das Flugzeug schraubte sich immer weiter in den Himmel. Kalle und Guntram starrten ihm begeistert nach.

      Guntram hörte auf zu hüpfen. Ganz still stand er plötzlich vor Kalle. Da nahm Kalle die Fernsteuerung ab und hängte sie Guntram um den Hals, wie eine Goldmedaille.

      Dennis schossen Tränen in die Augen. Er konnte sich nicht zurückhalten. Schluchzen schüttelte ihn. Erst vor ein paar Tagen wollte Kalle ihm die Fernsteuerung nicht geben, auf gar keinen Fall. Das sei viel zu kompliziert und zu gefährlich, hatte er gesagt. Und Guntram durfte auf einmal das kostbare Flugzeug lenken. In abenteuerlichen Loopings tobte es über den Himmel.

      Dennis wollte nicht länger hinsehen. Heulend rannte er nach Hause. Er verkroch sich unter seine Bettdecke und blieb dort bis zum Abendessen. Immer wieder musste er an Kalle und Guntram denken, diese beiden Idioten. Mit denen wollte er nichts mehr zu tun haben.

      In den nächsten Tagen sprach Dennis mit Guntram und Kalle kein Wort. Beide bemühten sich, doch Dennis gab ihnen nicht die geringste Chance. Und auch mit den anderen Kindern redete er nicht. Traurig hockte er auf der Schulbank. Er hörte kaum zu, was Frau Bretscher, seine Lehrerin, sagte. Er starrte einfach nur auf den Tisch, diesen Vormittag und auch den nächsten. Dennis war so traurig, dass Frau Bretscher sogar bei den Blaubergs anrief.

      Mama und Papa, Guntram und Kalle, alle redeten auf ihn ein. Dennis wollte einfach nur in Ruhe gelassen werden. Er hoffte, dass der Samstag bald vorüber sein würde. Denn er freute sich kein bisschen auf seinen Geburtstag, wenn er nur ein doofes Fahrrad geschenkt bekommen würde. Ein Fahrrad, das brauchte er doch sowieso. Das war kein richtiges Geburtstagsgeschenk. Warum bekam er kein ferngesteuertes Flugzeug, wenn das sein einziger Wunsch war?

      Am Samstagmorgen weckte ihn seine Mutter besonders fröhlich. Dennis mochte es nicht, wenn sie so fröhlich tat. Und heute schon gar nicht. Dennis ließ sich extra viel Zeit. Er hatte keine Lust, mit seinen Eltern zu frühstücken.

      „Alles Gute zum Geburtstag, mein Liebling“, flötete Frau Blauberg, als Dennis nach einer halben Ewigkeit im Schlafanzug in die Küche geschlurft kam. Und sein Vater begann auch noch, Happy Birthday zu singen. Wie immer sang er schrecklich falsch. Dennis wollte seinen Geburtstag nicht feiern. Das war der bescheuertste Tag im ganzen Jahr.

      An seinem Platz auf dem Frühstückstisch lag ein einziges Geschenk. Quadratisch, nicht viel größer als eine Pizzaschachtel, aber höher. Ein Fahrrad konnte nicht drin sein und für ein ferngesteuertes Flugzeug war es auch zu klein. Vielleicht ein Bausatz für einen ferngesteuerten Hubschrauber? Das könnte von der Größe her passen. Das wäre wirklich der Wahnsinn.

      „Möchtest du dein Geburtstagsgeschenk nicht auspacken?“, fragte Herr Blauberg und tat dabei furchtbar neugierig, so als wüsste er selbst nicht, was darin wäre. Dabei hatte er das Geschenk doch selbst gekauft.

      „Später“, sagte Dennis mürrisch. „Ich möchte zuerst frühstücken.“

      Frau Blauberg wollte Dennis ein Stück von seinem Geburtstagskuchen geben. Einem Schokoladenkuchen. Den liebte Dennis.

      „Ich esse zuerst ein Brot“, sagte Dennis gereizt. „Wenigstens das darf ich an meinem Geburtstag doch selbst entscheiden.“ Und als wäre es ihm völlig egal, schob er das Geschenk mit dem Arm zur Seite. Dennis bekam einen riesigen Schreck. Das Päckchen fühlte sich ganz weich an. Oje, da konnte nichts Vernünftiges drin sein. Bestimmt kein Hubschrauber.

      Ganz schnell schlang er sein Marmeladenbrot hinunter. Er wollte nun doch wissen, was in dem Geschenk war. Hektisch zerrte er die Schleife zur Seite und riss das Papier auf. Er konnte nicht glauben, was er dann sah. Es war so schrecklich, dass Dennis nicht einmal heulen konnte. Entsetzt hielt er ein rotes Kapuzensweatshirt in der Hand.

      „Die Überraschung ist wohl gelungen“, sagte Herr Blauberg begeistert, als wäre es das Normalste auf der Welt, sich über ein rotes Kapuzensweatshirt zu freuen.

      Dennis starrte das rote Teil fassungslos an. Er hatte nicht einmal die Kraft zu schimpfen.

      „Du