Eva Markert

Der Stalker


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mir leid für dich“, fügte Steffen hinzu. „Aber ich fürchte, du hast keine Chance bei ihm.“

      Lea starrte vor sich hin.

      „Sei nicht traurig.“ Er legte den Arm um sie.

      Für einen Augenblick, weil sie völlig erledigt war, lehnte sie ihren Kopf an seine Schulter.

      Er drückte sie an sich. „Du findest jemand anders.“ Er grinste. „Zur allergrößten Not nimmst du eben mich.“

      Lea löste sich von ihm. Sie grinste schief zurück. „Da gibt es nur ein winziges Problem: Du bist mein bester Freund ... Ich geh jetzt rein.“

      Steffen stand ebenfalls auf. „Schlaf trotzdem gut.“

      Doch Lea konnte lange nicht einschlafen. Sie grübelte und weinte sogar. Weshalb bedeutete ihr Marc bloß so viel? Eigentlich kannte sie ihn kaum. Was war besonders an ihm? Warum konnte sie sich nicht einfach in jemand anders verlieben? In Steffen zum Beispiel. Ach, dann wäre alles viel, viel einfacher …

      Kapitel 2

      „Hi, Lea, alles klar?“

      Steffen wartete am Gartentor. Wie jeden Morgen fuhren sie gemeinsam mit dem Rad zur Schule.

      „Alles klar“, behauptete Lea, obwohl sie todmüde war. Auf dem Weg war sie sehr schweigsam. Zum Glück ließ Steffen sie in Ruhe.

      „Bis später“, rief Lea ihm zu, als sie ihre Fahrräder am Fahrradständer abschlossen. Sie wollte Nele unbedingt vor der ersten Stunde berichten, dass Marc tatsächlich eine Freundin hatte.

      „Das ist wirklich blöd“, meinte die, „aber nicht hoffnungslos. Immerhin sitzt sie in Frankreich, und er kann sie nur selten sehen. Du musst dich eben anstrengen.“

      „Ach, nee …“ Lea winkte ab. „Das möchte ich nicht. Außerdem habe ich gegen Amélie eh keine Chance.“

      „Woher willst du das wissen? Du kennst sie doch gar nicht.“

      „Trotzdem kann ich sie mir gut vorstellen. Du weißt ja, wie Französinnen sind: schlank …“

      „Nun hör aber auf!“, fiel Nele ihr ins Wort. „Wenn du deine Figur wirklich dermaßen schrecklich findest, dann mach eine Diät.“

      „Das habe ich ja schon oft versucht. Wenn es bloß nicht so furchtbar schwer wäre durchzuhalten. Aber ich kann‘s ja noch mal probieren. Selbst wenn es mir bei Marc nichts nützen wird.“

      „Warum guckst du dich nicht nach was anderem um? Du tust grad so, als wäre Marc der einzige Junge auf der Schule!“

      „Der einzige nicht. Aber der netteste.“

      „Mensch, Lea!“, stöhnte Nele. „Manchmal bist du ganz schön halsstarrig, weißt du das?“

      Es gongte.

      „Wie wär’s zum Beispiel mit Philipp?“, schlug Nele beim Hineingehen vor. „Der ist doch ganz nett.“

      „Ja, aber – du weißt schon.“

      „Ich glaube nicht, was man über ihn sagt“, stellte Nele in entschiedenem Ton fest. „Das war damals bestimmt ein Irrtum. Außerdem wäre da noch Steffen. Der ist doch ganz heiß auf dich.“

      „Quatsch“, widersprach Lea „Wir wohnen bloß zufällig seit Ewigkeiten nebeneinander.“

      „Kommt er auch zur Fete?“

      „Ja.“

      Nele nickte zufrieden. „Bestens!“

      „Wenn man dich so reden hört, könnte man fast meinen, du wärst scharf auf ihn.“

      „Ich mag Steffen. Mehr nicht. Ich denke da mehr an dich. Außerdem habe ich, wie du weißt, ein Auge auf Kevin geworfen.“

      „Armer Steffen“, spottete Lea. „Da entgeht ihm aber was!“

      Lea hatte grundsätzlich nichts dagegen, dass Steffen auch zu Carolins Fete kam, nur eins störte sie gewaltig: dass er offenbar annahm, sie würden zusammen hingehen.

      „Wir treffen uns um halb acht bei mir“, bestimmte er, als sie am Samstagmorgen auf dem Mäuerchen saßen. „Meine Mutter holt uns um Mitternacht mit dem Auto ab.“

      „Ich bin schon mit Nele verabredet“, entgegnete Lea abweisend.

      Steffen stockte. „Macht nichts“, meinte er dann, „wir können ja zu dritt hingehen.“

      „Ich frag sie. Wenn sie einverstanden ist, kannst du mit uns kommen.“ Lea betonte „mit uns“, doch Steffen schien es nicht zu bemerken. „Ich freu mich auf heute Abend“, fuhr er aufgeräumt fort. „Ich bin schon lange nicht mehr mit dir auf einer Fete gewesen.“

      „Marc kommt übrigens auch.“ Lea musste es kurz erwähnen, um Steffen auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen.

      „Aha“, erwiderte der gleichmütig. „Vergiss bloß nicht: Er ist vergeben.“

      Lea presste die Lippen aufeinander.

      Am Nachmittag verwendete sie sehr viel Zeit darauf, sich zu stylen. Sie tönte ihre blonden Haare und fand, dass ihr der Farbton „Sommerblond“ super stand. Statt des dicken Zopfes, der ihr bis auf den Rücken fiel, trug sie die Haare offen. Wimperntusche und Lidschatten ließen ihre blauen Augen intensiver erscheinen. Der perlmuttrosa Lippenstift sah klasse zu ihrer hellen Haut aus.

      Nele war beeindruckt. „Cool!“, sagte sie. „Wenn Marc dich sieht, wird er mit fliegenden Fahnen zu dir überlaufen.“

      Wie immer, wenn Lea an Marc dachte, klopfte ihr Herz stärker.

      Als Steffen kurz vor halb acht erschien, schaute er Lea bewundernd an. „Toll siehst du aus!“

      „Ich etwa nicht?“ Nele baute sich vor ihm auf.

      Sein Blick streifte sie. „Doch, du auch“, erwiderte er und sah sofort wieder zu Lea hin.

      Die wurde fast ein bisschen verlegen. Sie warf ihre Jacke über, rief ihren Eltern „Tschüss“ zu, streichelte Chipsy zum Abschied und riss die Haustür auf.

      Nele und Steffen unterhielten sich auf dem Weg. Lea hörte nur halb zu. Sie überlegte, was sie sagen sollte, wenn sie Marc begegnete. Irgendwas Knackiges, was Originelles. Was Witziges. Bloß nicht so was Langweiliges wie „Hallo“ oder „Hi“.

      Leider fiel ihr überhaupt nichts ein. Und was sie tatsächlich sagte, als ihr Marc über den Weg lief, war idiotischer, als sie es sich in ihren schlimmsten Alpträumen hätte ausmalen können. Sie sagte nämlich: „Ach! Bist du auch hier?“ Eine überflüssigere Frage gab es ja wohl kaum. Am peinlichsten aber war, dass Marc sicher haargenau wusste, dass sie wusste, dass er kommen würde. Warum bloß hatte sie etwas dermaßen Dämliches gesagt? Wahrscheinlich, weil sie für einen Moment nicht klar denken konnte und er so toll aussah: groß, schlank und dabei kräftig. Seine schwarzen Haare glänzten, sein tiefdunkler Blick machte sie atemlos.

      Steffen spürte wohl ihre Verlegenheit. Er legte den Arm um sie. „Komm, wir holen uns was zu trinken.“

      Lea war richtig froh, dass er sie wegführte. Sie brauchte einen Augenblick, um sich zu beruhigen. Mit dem Glas Cola light in der Hand stand sie neben Steffen und sah den Ersten zu, die sich trauten zu tanzen. Langsam wurden es mehr.

      „Sollen wir?“

      Lea konnte die Frage nur von Steffens Lippen ablesen, die Musik war zu laut. Sie schüttelte den Kopf. „Später“, schrie sie und hob ihr Glas wieder an die Lippen. Mit den Augen suchte sie Marc. Als sie ihn entdeckte, tanzte er gerade mit Nele. Lea stellte sich auf die Zehenspitzen und winkte ihnen zu. Sie winkten zurück.

      Auf einmal packte sie Unruhe. Wie kam es, dass Nele mit Marc tanzte? Hatte sie ihn dazu aufgefordert? Oder er sie?

      Sie stellte ihr Glas ab, packte Steffen