„Ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst.“
„Wie ging es weiter mit dir und Marc?“
„Wie es weiterging? Du sprichst in Rätseln.“
Wutentbrannt drückte Lea das Gespräch weg. So dumm, wie Nele sich stellte, konnte sie nicht sein! Und dass sie tat, als hätte sie nicht die geringste Ahnung, bewies genug. Da war was faul. Oberfaul! Dass Nele so schäbig war, hätte sie nie, nie, nie von ihr gedacht!
Das Telefon klingelte wieder.
Lea ließ es schellen, holte ihre Jacke und ging hinaus in den Garten.
Steffen saß auf dem Mäuerchen. Der Wind spielte mit seinen feinen, hellbraunen Haaren. Man merkte deutlich, dass er nicht wusste, wie er sich verhalten sollte. „Wie geht es dir?“, fragte er vorsichtig.
„Bescheiden.“
„Was ist los?“
„Ach ...“ Lea ließ sich neben ihm nieder. „Ich bin einfach nicht gut drauf.“
Seine braunen Augen blickten sie besorgt an. „Ist es wegen Marc?“
Dabei klang seine Stimme so mitfühlend, dass es aus ihr hervorbrach: „Und wegen Nele. Sie hat sich an Marc rangemacht, obwohl sie weiß ..., obwohl ich ...“ Tränen erstickten ihre Stimme.
Steffen legte den Arm um sie. „Hau ein Ei drüber“, murmelte er an ihrem Ohr. „Du bist auf die beiden nicht angewiesen. Du hast doch mich!“
Lea richtete sich auf und lächelte schwach.
Ihre Mutter erschien in der Terrassentür. „Nele ist da!“, rief sie.
„Auch das noch!“ Lea stand auf.
„Soll ich mitkommen?“
„Nee, lass mal. Tschüss, Steffen. Und vielen Dank.
„Wenigstens ihm kann ich vertrauen“, dachte sie, als sie auf das Haus zuging.
Nele wartete in ihrem Zimmer. „Was ist eigentlich in dich gefahren?“, fiel sie mit der Tür ins Haus.
„Das könnte ich eher dich fragen“, fauchte Lea sie an. „Eine schöne Freundin bist du! Gräbst Marc an, ausgerechnet Marc! Den Jungen, der mir ... in den ich ...“
„In den du verliebt bist“, ergänzte Nele. „Das weiß ich doch. Genau aus diesem Grund würde ich mich nie an ihn ranschmeißen.“
„Ach nee!“, rief Lea aufgebracht. „Deshalb bist du ihm wohl auch den ganzen Abend nicht von der Seite gewichen? Oder sehe ich das falsch?“
„Das siehst du ganz falsch“, erwiderte Nele wütend. „Kapierst du nicht, dass ich das alles nur wegen dir gemacht habe?“
„So, so“, erwiderte Lea voll beißendem Spott. „Wegen mir hast du ihn bei der Hand genommen, eng mit ihm getanzt und ihm dauernd was ins Ohr geflüstert.“
„Mensch, Lea! Ich habe bloß versucht, ihn bei der Stange zu halten. Für dich! Damit er nicht woanders hingeht. Du hast ja nur rumgestanden und blöd geguckt. Warst den ganzen Abend stumm wie ein Fisch.“
Lea schwieg. Hatte sie Nele Unrecht getan?
„Ich habe sogar versucht, euch zu verkuppeln“, fuhr Nele fort. „Weißt du nicht mehr? Als ich euch beide mitgezogen hab zum Tanzen. Aber da ist mir der blöde Steffen in die Quere gekommen.“
Lea erinnerte sich an die Situation. Ihr Verdacht, dass sie Neles Verhalten falsch gedeutet hatte, wurde zur Gewissheit.
„Wie kannst mir so was Gemeines zutrauen! Ich bin doch deine beste Freundin!“ fügte Nele empört hinzu.
Tja, da hatte sie sich wohl gewaltig vergaloppiert. „Tut mir leid“, murmelte sie beschämt.
Chipsy kratzte an der Tür. Lea öffnete und nahm den Hund auf den Arm. Mit gesenktem Kopf bat sie: „Sei mir nicht böse.“
„Das muss ich mir noch schwer überlegen.“
Lea schielte zu ihr hinüber. Nele sah schon weniger grimmig aus als eben. Erleichtert atmete sie auf.
„Das wäre ja wohl ein Ding“, setzte Nele hinzu, „wenn unsere Freundschaft kaputtginge, nur wegen irgendeinem Kerl.“
„Nicht wegen irgendeinem Kerl“, protestierte Lea. „Wegen Marc.“
„Ich kann mich nur wiederholen“, erwiderte Nele. „Verlieb dich in Steffen! Das wäre die einfachste und für alle die beste Lösung.“
„Du bist gut! Als ob man sich auf Kommando verlieben könnte.“
„Wieso nicht? Steffen sieht gut aus, und er steht auf dich.“
„Ich habe Steffen gern“, fiel Lea ihr ins Wort, „sehr sogar, aber ich könnte mich nie in ihn verlieben.“
„Wenn du dir Marc wirklich angeln willst, musst du was tun“, stellte Nele fest. „Wenn du dich benimmst wie auf der Fete, wird das nie was.“
„Was kann ich denn tun?“, fragte Lea verzweifelt.
„Lass mich mal nachdenken ...“ Sie runzelte die Stirn und starrte lange vor sich hin.
Gespannt wartete Lea ab.
„Sorry“, sagte Nele schließlich, „mir fällt immer nur das ein, was ich dir schon hundertmal geraten habe: Du bist eine Niete in Französisch, und das solltest du ausnutzen.“
„Na toll!“, erwiderte Lea. „Das findet Marc bestimmt ganz klasse, wo er Franzose ist.“
„Halbfranzose“, korrigierte Nele sie. „Aber egal. Wir schreiben bald die nächste Klassenarbeit. Frag ihn, ob er mit dir üben kann. Sag, du hast nix kapiert. Zum Beispiel das mit dem Subjonctif ...“
„Was sogar stimmt“, warf Lea ein. „Beim Subjonctif blicke ich tatsächlich nicht durch.“
„Na siehste. Bitte ihn, dir den Subjonctif zu erklären.“
„Hm ... Ich finde, das ist zu aufdringlich.“
„Von nichts kommt nichts“, entgegnete Nele resolut.
„Vor lauter Aufregung kriege ich bestimmt keinen vernünftigen Satz raus. Dann denkt er erst recht, ich bin blöd.“
„Bist du ja auch!“ Nele feixte. „Nein, im Ernst: Das wäre eine gute Gelegenheit, sich nach der Schule mit ihm zu verabreden.“
„Du vergisst Amélie.
„Wie ich schon sagte: Du musst dich ins Zeug legen, wenn du Erfolg haben willst.
„Wäre es nicht gemein von mir, ihr den Freund auszuspannen?“
„Ach was! Du kennst sie doch gar nicht. Außerdem – es wäre sowieso besser für sie, wenn sie jemanden hätten, der immer da ist. Für Marc übrigens auch.“
„Wenn man dich reden hört, klingt es überzeugend.“
„Es klingt nicht nur so, es ist überzeugend! Aber du musst dich beeilen“, fügte Nele hinzu. „In den Osterferien fährt er zu seinen Großeltern. Das hat er mir gestern Abend erzählt.“
„Das hat er dir erzählt?“ Erneut durchzuckte Lea Misstrauen.
„Ja, denkst du etwa, wir hätten uns den ganzen Abend angeschwiegen?“
„Was habt ihr denn genau gemacht, nachdem ich gegangen bin?“
„Leeee-aaa!“ Nele schaute Lea drohend an.
„Schon gut, schon gut! Erzähl‘s mir trotzdem.“
Nele seufzte. „Wir haben getanzt, uns unterhalten, dann ist er gegangen. Und ich habe mit Kevin getanzt, bis mein Vater mich abgeholt hat.“
Sie schwärmte noch eine Weile von Kevin, doch Lea war nicht ganz bei der Sache.
Nachdem