Anne-Christine Schmidt

Alptraum Wissenschaft


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      Meinen Nachbarn in den Gärten am Feld, Heidrun und Manfred Schmidt, Erhard Pradel und Familie Göhler, danke ich dafür, dass sie mich aus den dunkelsten Stunden befreiten und mir eine verloren geglaubte Welt aus Hilfsbereitschaft, Rücksicht, Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit zurückbrachten. Meinen Eltern danke ich dafür, dass sie immer für mich da waren und manche eigenen Pläne wegen mir umstellten. Andreas Meißner danke ich für das mühevolle Korrekturlesen, die hilfreichen Kritiken und Hinweise.

      Das vorliegende Buch handelt von meinen Erlebnissen in und mit der berufsmäßig und institutionalisiert betriebenen Wissenschaft und von dem Eindruck, den die moderne Naturwissenschaft und ihre Verfechter bei mir hinterließen. All die Missstände und Sinnlosigkeiten, die ich an verschiedenen Universitäten und Forschungseinrichtungen beobachtete und miterleben musste, möchte ich an die Öffentlichkeit bringen und beitragen, den Schleier zu lüften, der über den wissenschaftlichen Einrichtungen hängt. Das Buch blickt hinter die Fassaden einer aus öffentlichen Geldern und aus Industriemitteln finanzierten Wissenschaft. Alle geschilderten Ereignisse werden anhand ihres tatsächlichen Ablaufes dargestellt, wenn auch aus meiner persönlichen Sicht und Betroffenheit. Personen werden nicht mit ihrem Namen genannt, sondern humoristisch umschrieben. Da ich seit dem Ende meines Studiums im Jahre 1999 an sieben verschiedenen Instituten in drei verschiedenen deutschen Städten arbeitete, geben meine Schilderungen durchaus charakteristische Elemente der deutschen „Forschungs- und Bildungslandschaft“ wieder. Die Verwicklung meiner eigenen Lebensgeschichte mit der institutionalisierten Naturwissenschaft presste mich in ein krankmachendes Korsett aus häufigem Arbeitsplatzwechsel, ständigen Anfeindungen und enormem Leistungsdruck. Nachdem ich mittels einer dichten Folge kurzzeitig befristeter Arbeitsverträge den Doktorgrad erworben hatte, flog ich aus dem ersten Forschungsinstitut, in welchem ich als Postdoktorand eingestellt worden war, wegen eines Drogendeliktes des Forschungsprojektleiters während der Probezeit wieder heraus. Im nächsten Institut tyrannisierte mich der leitende Professor, weil sein Forschungskonzept nicht funktionierte, bis zum vorzeitigen Abbruch des Arbeitsverhältnisses. Nach einer neunmonatigen Zwischenstation in einer wegen der Emeritierung des Professors in Auflösung begriffenen Arbeitsgruppe wechselte ich an ein von der jungen Freundin des Institutsleiters „beherrschtes“ Institut. Danach erlangte ich eine gewisse Selbstständigkeit aufgrund der Einwerbung eigener Forschungsmittel, wodurch mich aber fortan am beherbergenden Institut ein jahrelanger Psychoterror durch Kollegen, Doktoranden und Professoren erwartete. Dieser, das wissenschaftliche Arbeiten behindernde und die eigene Gesundheit ruinierende Terror begann mit einer über Monate hinausgezögerten Einarbeitung in dringend benötigte Messtechniken, reichte weiter über die komplette Missachtung der Inhalte und Arbeitspflichten meiner projektgebundenen Forschungstätigkeit bis zum Versuch der Boykottierung meiner Habilitation. Eine gewisse Notwendigkeit besteht, die Geschehnisse ausführlich darzulegen, damit offenbar wird, mit welcher Willkür und vorsätzlichen Verantwortungslosigkeit Professoren gegen eine durch ihre Arbeitsvertragsbefristungen zur Rechtlosigkeit verdammte Nachwuchswissenschaftlerin vorgingen.

      Obwohl ich seit dem Beginn meiner Promotion unablässig wie eine Besessene an meinen Forschungen arbeitete, Publikation auf Publikation veröffentlichte, um Forschungsgelder kämpfte und von Stelle zu Stelle sprang, fiel ich am Ende ins Nichts und verließ die Universität im Alter von 39 Jahren ohne Perspektive auf Anerkennung oder gar Weiterbeschäftigung.

      Ich habe das Buch in zwei Teile untergliedert: Teil I beschreibt meine persönlichen Erfahrungen im System der modernen Naturwissenschaft und mit ihren Verfechtern. Er beleuchtet die Verhaltensweisen der neuen Professorengeneration und verdeutlicht die Rechtlosigkeit junger Wissenschaftler, die von einer kurzzeitig befristeten Stelle zur nächsten springen und damit von einem Spezialgebiet zum anderen, ohne auf zuvor gesammelte Erfahrungen zurückgreifen zu können. Das harte Konkurrenzdenken innerhalb der wissenschaftlichen Institute sowie zwischen Wissenschaftlern unterschiedlicher Einrichtungen wird ebenso beschrieben wie der unablässige Kampf um Forschungsfinanzen und die damit verbundene Weiterbeschäftigung im Wissenschaftssystem. Weiterhin wird im ersten Teil des Buches die Atmosphäre an den Instituten, zum Einen in Hinblick auf das zwischenmenschliche Miteinander und zum Anderen in Hinblick auf das fachliche Wirken, beschrieben. Schließlich wird die zweifelnde Frage gestellt, was an Gutem und Förderlichem aus dieser Kombination resultieren kann und ob dies überhaupt möglich ist. Ich hatte ein naturwissenschaftliches Studium gewählt, weil ich die Natur liebe und ihre Wesen achte. Was mir aber in der naturwissenschaftlichen Berufslaufbahn begegnete, war entweder voller Verachtung gegenüber der Natur, oder aber es war überhaupt kein Bezug mehr zur Natur zu finden.

      Im zweiten und kürzeren Teil versuche ich, die Entwicklung und jetzige Ausformung der Naturwissenschaft zu betrachten, besonders im Hinblick auf ihr Verhältnis zu ihrem Namensgeber, der Natur. Ich stelle die naturwissenschaftliche Denkart in ihren Grundzügen dar und hebe die daraus resultierenden Auswirkungen auf das Leben der Menschen sowie auf die gesamte Natur hervor. Dabei greife ich auf Zitate anderer Autoren zurück, um diese ins Verhältnis zu meinen eigenen Erfahrungen und Beobachtungen zu setzen. In der sich zuspitzenden ökologischen Katastrophe sehe ich eine ursächliche Beziehung zur Entwicklung der Naturwissenschaft und der ihr zu Grunde liegenden Philosophie.

      Meine Ausführungen enthalten zum Teil Extremstandpunkte, die aus meiner persönlichen, von extremen Erlebnissen durchzogenen Erfahrung mit der modernen Handhabung der Naturwissenschaft heraus entstanden und manchen erschrecken mögen, doch Extremstandpunkte treten immer als Gegenpol zu ungünstigen einseitigen Entwicklungen auf. Ich verteufle nicht die Naturwissenschaft als solche, sondern die ihr innewohnende Anwendungsmanie und Technokratie, die sich gegen ihren Namensgeber, die Natur wenden, sie ausbeuten und zerstören. Die Naturwissenschaft könnte durchaus eine andere Blickrichtung einnehmen und damit andere Wege einschlagen, wenn sie sich zum Einen von ihren festgefressenen materialistischen Glaubensdogmen und zum Anderen von ihrer industriell-vertechnisierten Kurzsichtigkeit und Wirtschaftshörigkeit lösen würde. Ganz scharf aber verurteile ich die Arbeitsbedingungen, die sich Absolventen naturwissenschaftlicher Studiengänge bieten, sowie die uneingeschränkte Allmacht der Professoren. Die Naturwissenschaft ist entehrt und entwürdigt worden, gerade indem sie ihren wertvollen Untersuchungsgegenständen feindselig gegenübertritt, jedoch auch dadurch, dass sich die Arbeits- und Lebensumstände der Menschen, die sich der Naturwissenschaft widmen, immer mehr verschlechterten.

      Trotz meiner kritischen Sicht auf die Entwicklung von Wissenschaft und Technik im Kontext der allgemeinen gesellschaftlichen Stagnation glaube ich an den Menschen und an all das Gute und Schöne, was in ihm ruht und erweckt werden kann, wenn die Bedingungen es zulassen und fördern. Ich glaube aber auch, dass sich die derzeitige Macht und Herrschaft von einer industriell geprägten Naturwissenschaft und Technik in ihrer aktuellen Form in solch ungünstiger Weise auf die Menschen auswirken, dass eben gerade das Gute und Schöne verjagt wird. Genau dies erlebte ich immer wieder in den Hochburgen naturwissenschaftlicher Forschung, den Universitäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen, wo die für die Natur unerträgliche Herangehensweise und Ausrichtung naturwissenschaftlicher Forschung die zwischenmenschlich unerträglichen Zustände spiegeln.

      Zur Veröffentlichung meiner Ausführungen in elektronischer Form möchte ich Folgendes anmerken: Ich bin ein Kind unserer Zeit und nutze die Technik dieser Zeit, trotz meiner Kritik an derselben, um interessierte Menschen zu erreichen, wenn es keine anderen Wege dafür gibt. Ich achte die Menschen, die sich mit dieser Technik befassen und mir meine Veröffentlichungen ermöglichen und danke ihnen dafür.

      I.I Das Naturkind

      Lange bevor ich den holprigen Weg durch die institutionalisierte Naturwissenschaft antrat, wuchs ich am Rande einer Kleinstadt, beinahe schon auf dem Dorfe, als unverfälschtes Naturkind zu einer zarten Gestalt heran. Eine innige Verbundenheit zu Pflanzen und Tieren prägte mich schon in der Kindheit und Jugendzeit. Für uns Kinder gab es nichts Schöneres als draußen in der Natur herumzustreunen und Streiche zu spielen. Einen Bruder hatte ich auch: er hieß Bello und war ein unserem Nachbarn zugelaufener Mischlingshund, den meine Eltern bei sich aufnahmen. Ich liebte ihn über alle Maßen. Als mein geliebter alter Weidenbaum am Flussufer gegenüber von unserem Haus gefällt wurde, trauerte ich lange. Auch als