Renate Stadlmaier

Heinrich die Suche


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schicken. Die Mauer und das Haus sollten so schnell wie möglich wieder aufgebaut werden. Wir brauchen bis zum Winter ein Dach über den Kopf.“

      „ Ihr solltet zuerst mit meinem Vater darüber sprechen“, antwortete Bertram.

      „ Euer Vater“, seufzte Heinrich und zog verächtlich die Mundwinkel herab.

      „ Nach diesem Frühstück wird er wohl kaum in der Lage sein....“

      „Vorsicht, Heinrich, ihr sprecht von meinem Vater, dem Grafen Willhelm von Falkenstein“, warnte Bertram.

      Er wusste, wie Heinrich über seinen Vater dachte und darum bemühte er sich um einen heiteren Tonfall, als er weiter sprach.

      „Er ist immer noch der Herr dieser Burg und ihrer Ländereien. Wir müssen seine Entscheidung abwarten.“

      „ Aber das kann Tage dauern“, protestierte Heinrich verhalten.

      Heinrich hatte Recht, das konnte Bertram nicht leugnen und er nickte. Längst schon hätte er, der junge Graf von Falkenstein, stellvertretend für seinen Vater, die Rolle des Führers übernehmen sollen, doch er hütete sich davor den Zorn des Greises zu erregen. Der Mann konnte nach wie vor hart und unerbittlich sein. Es war nur der Wortgewandtheit und Diplomatie seines väterlichen Freundes Heinrich zu verdanken, dass das Leben in - und außerhalb der Burg nicht aus den Fugen geriet.

      Bertram legte die gekreuzten Arme auf die Zinnen und sah nachdenklich in die Ferne.

      „ Wisst Ihr noch?“, nahm Heinrich das Gespräch wieder auf.

      „Mit sieben wollte Euer Vater Euch als Page an einen fremden Hof schicken. Ihr wart noch so klein und mager.“

      „ Ja, ich weiß,“ murmelte Bertram.

      „Ihr habt es verhindert und Vater dazu überredet, dass er Euch meine Erziehung überlässt.“

      „ Richtig, und mit vierzehn wurdet ihr in den Stand eines Knappen erhoben.“

      Bertram wandte den Kopf und in seinen Augenwinkeln stand ein Lächeln.

      „ Ich erinnere mich. Damals konnte meine Stimme kaum ihre Lage halten. Es war schrecklich.“

      Er konnte ein Schmunzeln nicht unterdrücken.

      Heinrich nickte und erwiderte das Schmunzeln.

      „Und endlich nach vierzehn Jahren Ausbildung habt Ihr in der „Schwertleite“ den Ritterschlag bekommen, mit ihm das Recht ein Lehen zu erhalten und im Turnier mitzukämpfen. Ihr seid ein außergewöhnlich hübscher, kräftiger junger Mann geworden und ich bin stolz auf Euch und all Eure Fähigkeiten. Aber wo war Euer Vater?“

      Bertram wandte den Kopf ab, aber nicht schnell genug, um den Schmerz in seinem Gesicht zu verbergen.

       „ Er ließ Euch damals durch einen Boten mitteilen, er könne der Zeremonie nicht beiwohnen, da eine schlimme Krankheit ihn ans Bett fesselte. Wer ihn wirklich ans Bett fesselte, wissen wir, nicht wahr, mein junger Freund?

      Eine junge Mätresse war dem Vater wichtiger als sein eigen Fleisch und Blut.“

      Längst vergessener Schmerz einer tiefen Enttäuschung stieg in Bertram auf und füllte seine dunklen Augen.

      Einen kurzen Moment war Heinrich versucht, Bertram zu umarmen. Er bezwang seine Rührung und sprach weiter.

      „ Warum ich Euch jetzt mit der Vergangenheit quäle, Bertram, hat einen Grund.“

      Der Junge wandte sich um, verschränkte die Arme und lehnte sich gegen die Mauer.

      „ Ich habe Euer Vertrauen in all den Jahren nie missbraucht, junger Freund.“

      Bertram nickte zustimmend.

      „ Doch jetzt werde ich Euch von einem höchst sonderbaren Vorfall berichten.“

      Heinrich hielt kurz inne und sah in den Burghof, auf den Trümmerhaufen hinunter.

      „ Man wird mich und meine Familie dafür verantwortlich machen. Von uns trägt aber keiner Schuld an dem Brand.“

      Wieder machte er eine kurze Pause, wog seine Worte genau ab und sprach weiter.

      „Gestern Abend, nach dem Essen, habe ich im Burghof ein..., einen Schatten gesehen. Irgendetwas war da, ich weiß es genau. Es ist um unser Haus geschlichen. Wir haben es alle gehört. Es war so......kalt, so.....eisig. Als wäre es nicht von dieser Welt. Ich kann es Euch nicht besser beschreiben.“

      Bertram zog die Augenbrauen hoch und musterte Heinrich ernst. Ihre Blicke trafen sich und Bertram erschrak, denn er sah Furcht in diesen seltsam blauen Augen.

      „ Was redet ihr da?“

      Heinrich hob abwehrend die Hand.

      „ Nein, unterbrecht mich bitte nicht. Während des Gewitters heute Nacht erschien mir Eure Mutter und rief mir eine Warnung zu. Ja, ja, ich weiß, wie seltsam das klingt, aber sie war mir schon zwei Nächte davor im Traum erschienen und hatte mich vor etwas gewarnt, das Euch bedrohen würde.“

      Bertram schwieg. Er schüttelte die langen, braunen Locken. Das konnten doch unmöglich die Worte jenes Mannes sein, der alles, was andere als Magie bezeichneten, Betrügereien und miese Tricks nannte.

      „ Wollt gerade Ihr mir sagen, Ihr hättet einen Geist gesehen?“ Er betrachtete Heinrich mit einem abschätzenden Blick.

      „ Ja,“ war Heinrichs knappe Antwort, dabei hielt er dem Blick Bertrams stand.

      Der Dreiundzwanzigjährige stieß sich von der Mauer ab und machte zwei Schritte auf Heinrich zu. Den Ellenbogen auf den anderen Unterarm gestützt, drückte er den Zeigefinger auf die Lippen und dachte kurz nach.

      „ Ihr wollt Euch über mich lustig machen?“

      „ Dafür ist wohl jetzt nicht der richtige Zeitpunkt.“

      Bertram legte den Kopf schief und drohte mit dem Zeigefinger.

      „ Ziemlich gefährliches Gebiet für einen Ungläubigen.“

      Heinrich antwortete nur mit einem Stirnrunzeln.

      Bertram konnte ein Lachen nicht mehr unterdrücken.

      „ Also gut, Ihr habt den Geist meiner Mutter gesehen und mit ihr eine kleine Unterhaltung geführt. Ich hoffe, dass Pfarrer Ludwig Euch morgen in seine Gebete aufnimmt, obwohl Ihr nie seine Messe besucht.“

      „Er wird es nicht erfahren, denn ich bitte Euch, mit niemandem darüber zu sprechen.“

      „ Also gut, ich werde kein Wort zu jemandem sagen. Lasst uns aber jetzt über wichtigere Dinge sprechen.“

      Heinrich konnte den Spott in seiner Stimme nicht mehr länger überhören und warf ihm einen drohenden Blick zu.

      „ Das ist kein Spiel und auch kein Scherz!“

      Er packte Bertram nicht gerade sanft am Arm.

      „ Habt Ihr denn gar nichts bemerkt? Kurz, nachdem wir den Saal verlassen hatten, fegte ein gewaltiger Sturm durch den Burghof.“

      Er sah Bertram erwartungsvoll an, doch der schüttelte nur den Kopf.

      „ Ihr müsst mir versprechen, äußerst wachsam zu sein. Ich fürchte, dass gefährliche Zeiten auf uns zukommen.

      Eure Mutter hat Euch sehr geliebt. Es ist die einzige Erklärung, die ich habe um zu verstehen, warum sie aus dem Totenreich zurückgekehrt ist. Sie will EUCH schützen!“

      Bertram hob begütigend die Hand.

      „ Schon gut. Ich habe ja schon versprochen aufzupassen.“

      Heinrich nickte ernst und ließ Bertrams Arm los. Ohne ein Wort wandte er sich ab und ging.

      Bertram lief ihm nach, überholte ihn und lief rückwärts vor ihm her.

      „ Heinrich, erlaubt mir ein paar Fragen. Was haltet ihr von Schlangensteinen, Drachenaugen