Renate Stadlmaier

Heinrich die Suche


Скачать книгу

      Maria gewann den gutmütigen Lupold und die Kinder bald sehr lieb. Sie besorgte sich Bücher von Pater Paul, um ihren ständigen Drang nach Wissen zu befriedigen und begann die Kinder zu unterrichten. Sie zeigte große Freude daran das Erlernte an sie weiterzugeben und Heinrich entwickelte sich zu einem eifrigen Schüler. Mathematik, schreiben, Geschichte und die Kräuterkunde liebte er sehr. Er war sogar bereit, Frieden mit Gott zu schließen. Auch Lupold profitierte von Marias umfangreichem Wissen. Sie zeigte ihm wie man die Obstbäume richtig schnitt und das Ziegenmist genauso gut zum Düngen und noch dazu viel billiger war wie Pferde und Kuhdung. Sie gruben gemeinsam einen Brunnen, von dem aus Lupold seine Felder schneller und besser bewässern konnte und nach wenigen Jahren war Lupolds Land fruchtbarer denn je. Für Maria war das natürlich alles nicht so leicht. Da sie ja jetzt die Frau eines Bauern war, musste sie auch Schwerstarbeit leisten um ihr aller Überleben zu sichern. Neben dem Putzen, Kochen, Wasserschöpfen, Spinnen, Feuerschüren, Käsen, Versorgen von Gemüsegarten und Vieh, Getreideeinbringen, Gerben, Mähen und vielem mehr, hatte sie ja jetzt auch noch eine Familie zu versorgen.

      Maria aber schaffte das alles. Sie war eine wunderbare Frau.

      Maria starb plötzlich und unerwartet, als Heinrich vierzehn war.

      Blut rann aus ihrer Nase, sie schwitzte und fiel um. Minutenlang wurde ihr Körper von einem Krampf geschüttelt und weißer Schaum floss aus ihrem Mundwinkel. Maria stand nie wieder auf.

      Es war am St. Veits -Tag, dem 15. Juni 1246. Das war auch der Tag, an dem Herzog Friedrich an der Leitha, in der Nähe von (Wiener) Neustadt, bei einer Schlacht gegen die Ungarn den Tod fand. Mit ihm starb der Mannesstamm der Babenberger aus und der deutsche König Friedrich II. zog Herzog Friedrichs Länder als erledigte Reichslehen ein.

      Für Heinrich und seine Schwester stürzte eine Welt ein. Der Junge konnte nicht verstehen, warum ihm Gott zum zweiten Mal die Mutter nahm. Er verbrachte die nächsten Tage in einem Gefühl aus Trauer und Wut. Tagsüber versteckte er sich irgendwo auf dem Feld oder im Stall und nachts kroch er auf sein Lager, zog die Decke über den Kopf und weinte leise. Er fühlte sich einsam und wieder einmal von Gott verlassen. Nie wieder wollte er zu diesem grausamen Gott beten.

      Nach fünf Tagen beschloss Heinrich, sein Elternhaus zu verlassen. Er war unendlich traurig und als er loszog, schien er ein alter Mann zu sein mit einem jungen Gesicht.

      Heinrich schlug sich irgendwie durch und nach einiger Zeit kam er nach Wien und hörte, dass der Graf von Falkenstein, auf der anderen Seite der Donau, einen Schreiber suchte. Er überquerte den Fluss, bewies dem Grafen seine Geschicklichkeit und trat alsbald in dessen Dienst.

      Heinrich merkte bald, dass der Graf eine große Vorliebe für Wein hatte und täglich eine Menge davon genoss. Aber der Graf war dem fleißigen und äußerst loyalen jungen Schreiber sehr zugetan und als der alte Burgvogt das Zeitliche segnete, übernahm Heinrich seine Aufgaben. Fortan kümmerte er sich um die Geschäfte und alle Ländereien des Grafen.

      Vier Jahre versah Heinrich seinen Dienst gewissenhaft und verlässlich. Dann heiratete der damals schon über vierzigjährige Graf die erst siebzehnjährige Gertrud, die Tochter eines benachbarten Grafen. Er liebte seine junge Frau sehr, doch sie schenkte ihr Herz dem geschickten und gebildeten Verwalter der Burg. Der junge Heinrich war gerade achtzehn und sprühte förmlich vor Leidenschaft und Lebenskraft, doch er wusste auch, dass diese Liebe unrecht war und wollte Gertrud vergessen. Er verließ die Burg und folgte den Truppen des neuen Papstes Innozenz IV., eines gelernten Juristen und glänzenden Strategen, gegen den mittlerweile alten, deutschen König und römischen Kaiser Friedrich II. nach Italien.

      Der Papst warf Friedrich II. eine lange Liste von Vergehen vor: Ketzerei, Kirchenraub, Meineid, Friedensbruch und Heiligenschändung. Überall im Lande waren Scharen planmäßig eingesetzter Bettelmönche unterwegs und forderten die Bevölkerung zum Widerstand auf. Kaiser Friedrich II. starb 1250 und Heinrich kehrte nach der rechtmäßigen Übergabe des Herzogtums Österreich an die siebenundvierzigjährige Königin Margarete und ihren neuen, dreiundzwanzigjährigen Gemahl Ottokar Premysl am 6. Mai 1252 auf die Burg Falkenstein zurück.

       DER SCHWERTKAMPF

      Conrad hatte der Erzählung seines Vaters aufmerksam bis zum Ende zugehört.

      „ Du hast wirklich in einer großen Schlacht mitgekämpft?“

      Die Mittagsglocken läuteten und Heinrich stand auf.

      „So ist es. Aber jetzt genug davon“.

      Conrad lief neben seinem Vater her und versuchte ihm in die Augen zu sehen.

      „ Hast du Gertrud auch geliebt? Mehr als Mutter?“

      „Gertrud und ich waren krank vor lauter Liebe und ohne Hoffnung für die Zukunft. Deine Mutter ist etwas Besonderes. Zu ihr empfinde ich eine ganz

      andere Art von Liebe. Mit ihr will ich alt werden. Aber das verstehst du noch nicht, mein Sohn. Jetzt komm! Ich habe Hunger.“

      Nach dem Mittagessen hatte sich Heinrich mit Bertram verabredet.

      Der junge Graf wollte ihm in einem Übungskampf sein neues Schwert vorführen.

      „Es stammt von einem maurischen Schwertmacher. Die Mauren machen den besten Stahl und die besten Schwerter“, hatte Bertram ihm erzählt.

      Conrad war mitgekommen. Er wollte unbedingt zusehen und beobachtete jetzt aufgeregt, wie sich der innere Burghof in eine Arena verwandelte.

      Die Burgbewohner drängten sich am Rand des Platzes wie Zuseher bei einem Hahnenkampf. Dann betrat Bertram den Hof.

       Auf seinen Wunsch wurde ihm nur ein Teil seiner Rüstung angelegt.

       Ein Kettenpanzer zum Schutz seiner Arme und Beine, darüber Stahlschützer für Schultern, Ellbogen, Unterarme und Knie und ein Brustpanzer. Auf die Beinschienen verzichtete er.

      Heinrich trat zu Bertram und setzte ihm den Helm auf den Kopf.

      „ Sitzt er gut so? Kannst du was sehen?“, fragte Heinrich.

      „ Nein“, murrte Bertram.

      „ Niemand kann mit diesem Topf auf dem Kopf gut sehen und schon gar nicht ausreichend atmen.“

      Er zog sich seine Handschuhe mit den Stahlverstärkungen an den Fingern an und nahm den Schild, den ihm Heinrich reichte.

      Heinrich drückte Bertram das Schwert in die andere Hand, denn mit den steifen Handschuhen konnte er die Finger nur wenig bewegen.

      Auf der gegenüberliegenden Seite des Platzes wurde einem jungen Mann die Rüstung angelegt, der ungefähr im selben Alter war wie Bertram.

      „ Vincent wird Euer Gegner sein.“

      „ Ich weiß“, antwortete Bertram gelassen.

      Zur Sicherheit erhielt Vincent ein stumpf geschliffenes Schwert, dessen Spitze abgerundet war. Er würde es eher nur als Knüppel verwenden können, als aus Schwert.

      „Fertig?“, fragte Heinrich.

      Beide Kämpfer nickten.

      Heinrich gab das Zeichen, indem er ein weißes Tuch fallen ließ.

      Nun war es soweit. Der Kampf begann.

      Die beiden stürzten sich mit erhobenen Waffen aufeinander und Bertrams Schwert sauste auf den Helm seines Gegners nieder, der noch im letzten Moment seinen Schild hochreißen konnte.

      Darauf versuchte Vincent einen Gegenangriff, doch Bertram wich dem Schlag geschickt aus.

      Wieder schlug Bertram kraftvoll zu, sodass sein Gegner sich kaum schützen konnte Plötzlich stieß Vincent sein Schwert auf Brusthöhe vor, doch Bertram wich auch dieses Mal ganz knapp aus und der Stoß verfehlte ihn nur um Haaresbreite. Eine Zeit lang kämpften beide mit der Leidenschaft junger Männer, die niemals in einem echten Kampf gekämpft hatten, dann ließen ihre Kräfte langsam nach. Noch einmal ließ Bertram ein paar gewaltige Schläge auf den anderen