Renate Stadlmaier

Heinrich die Suche


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in einer schwarzen, rostigen Rüstung.

      „ Ich werde euch alle vernichten!“, donnerte die tiefe, furchterregende Stimme des Ritters.

      Seine schrecklichen Augen blickten Heinrich zornig an und er versuchte, mit einem Dolch auf ihn einzustechen.

       Heinrich schrie und schlug wild um sich.

      Als er erwachte, war sein Leinenhemd feucht vom Angstschweiß. Er lag mit einem beklemmenden Gefühl in seinem Bett und starrte in die Dunkelheit. Franziskas warmer, weicher Körper lag neben ihm. Sie war aufgewacht, setzte sich auf und strich ihm sanft übers Haar.

      „ Was ist? Du hast geschrieen“, flüsterte sie.

      „ Es ist alles in Ordnung, meine Liebe. Schlaf nur ruhig weiter. Es war nur ein böser Traum. Morgen werde ich dir alles erzählen“, flüsterte Heinrich zurück, obwohl er sich gar nicht mehr sicher war, ob er das auch wirklich tun sollte.

      Sein Herz hämmerte vor Aufregung und er war hell wach. Ein seltsames Gefühl beschlich ihn, das er nicht in Worte fassen konnte. Er hatte Gertrud gesehen, die schon lange tot war und plötzlich überkam ihn eine Art Gewissheit: Er wusste in diesem Moment genau, dass dieser Traum eine Warnung war. Bertram, dem einzigen Sohn des Grafen, drohte von irgendwoher Gefahr.

      Ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken und seine Nackenhaare sträubten sich. Heinrich konnte nicht wieder einschlafen. Er lag den Rest der Nacht wach und starrte auf die Dachbalken seines Hauses.

       CONRAD

      „Sybilla! Wo bist du?“, rief Conrad und suchte den Burghof nach seiner kleinen Schwester ab.

       „ Sybilla! Komm doch endlich her! Wo hast du dich denn diesmal versteckt?“

      Die strahlende Helligkeit der Vormittagssonne versprach einen heißen Sommertag. Conrad war jetzt acht und fand es ziemlich ungerecht von seiner Mutter, dass sie ihm ständig auftrug, auf seine kleine Schwester aufzupassen.

      „ Pass gut auf Sybilla auf. Sie ist unsere Julfestmaid,“

      hörte er sie in Gedanken sagen. Sie nannte Sybilla so, weil sie am Weihnachtsabend geboren wurde.

      „Ich habe jetzt wirklich keine Lust mehr, jeden Winkel nach dir abzusuchen!“, rief er wieder laut. Wütendes Hundegebell, das von irgendwo her kam, war seine Antwort.

      Etwas weiter weg spielten ein paar Kinder „Himmel und Hölle“ und eine junge Magd hing vor der Küche Wäsche an eine straff gespannte Wäscheleine. Er sah die Knechte, die Werkzeug über den Hof trugen und angeregt miteinander sprachen, aber von seiner Schwester war weit und breit nichts zu sehen.

       Conrad sah seinem Vater Heinrich sehr ähnlich. Er hatte kinnlanges, strubbeliges blondes Haar, eine spitze Nase und blaue Augen. Seine Kleidung bestand nur aus einem Kittel ohne Ärmel, der ihm bis zu den Knien reichte und in der Mitte mit einer Art Kordel zusammen gebunden war. Er trug Strümpfe, die von Strumpfhaltern an seinen kurzen Hosen befestigt waren und Holzschuhe.

      „ Fang mich! Fang mich!“, rief Sybilla laut auflachend, sprang hinter einer Hausecke hervor und verschwand blitzschnell wieder in den Ställen.

      „ Oh Gott! Nicht schon wieder durch den stinkenden Pferdemist“, stöhnte Conrad, nahm aber sogleich die Verfolgung auf. Er entdeckte den Haarschopf seiner Schwester, der ebenso blond wie seiner war, hinter einer kleinen Mauer, schlich sich an und griff nach ihren Zöpfen. Sybilla quietschte auf, warf ihm einen Schemel vor die Füße und war schon wieder entwischt. Lachend zeigte sie ihm die lange Nase. Der Stall war leer bis auf ein kleines Pony, das im hinteren Teil des Stalles angebunden stand. Aufgeschreckt von den Kinder schnaubte und stampfte es ungehalten.

      „ Dumme Gans!“, fluchte Conrad.

      Dieses kleine freche Mädchen war erst fünf, aber unheimlich flink.

      „ Du kriegst mich nicht! Du kriegst mich nicht!“

      Sie trug einen Kittel, so wie Conrad, der ihr bis zu den Knöcheln reichte.

      Sybilla bückte sich, nahm ihre Holzschuhe in die Hand und stürmte los.

      Conrad hetzte hinterher.

      Im inneren Burghof, den Bertram, der Sohn des Grafen, oft für seine Übungskämpfe mit dem Schwert nutzte, bekam er einen Zipfel ihres Kittels zu fassen.

      „Hab ich dich endlich, du kleines Miststück!“

      Triumphierend zog er sie zu sich heran, doch Sybilla trat, kratzte und biss ihn. Sie riss sich wieder los und wollte weiter laufen. Conrad stürzte sich mit einem Hechtsprung auf sie und stieß sie um. Jetzt lag sie bäuchlings vor ihm auf dem Boden. Er hockte sich auf ihre Beine und drückte ihre Arme nach hinten.

      „ Lass mich los! Lass mich sofort los, oder ich sag es Mami!“, schrie sie.

      Conrad ließ eine Hand los, um ihre Stimme zu ersticken, doch sogleich kratzte die Kleine wieder und riss ihn an den Haaren.

      „ Du weißt, dass wir hier nicht spielen dürfen. Warum läufst du immer wieder hierher?“, fauchte Conrad sie an und gab ihr eine Ohrfeige.

      Sie lagen im Dreck und Sybilla begann zu weinen.

      Plötzlich packte Conrad eine kräftige Hand und zog ihn hoch. Das kleine Mädchen sprang sofort auf die Beine, streckte ihm die Zunge heraus und lief davon.

      Erschrocken schaute Conrad in das Gesicht Bertrams.

      „ Hat man dich nicht gelehrt, dass man junge Damen nicht schlägt?“

      „ Das ist keine Dame, das ist meine Schwester“, erwiderte Conrad trotzig.

      Der junge Mann hob belustigt die buschigen Brauen.

      „ Lasst ihn los, Bertram! Ich werde das mit meinem Sohn regeln!“, hörte Conrad die Stimme seines Vaters rufen.

      Heinrich trat aus dem Schatten des Torbogens mit dem hochgezogenen Fallgitter, das den äußeren vom inneren Burghof trennte. Hierher, in den inneren Burghof, brachten die Bauern ihre Abgaben und im Kriegsfall würden die Bewohner hier Schutz finden. In der Mitte des Hofes stand ein Brunnen. Seine Mutter hatte ihn und seine Schwester oft davor gewarnt dort zu spielen, denn der Schacht war an die hundert Meter tief.

      Bertram ließ Conrad los, der sofort zu seinem Vater lief.

      „ Läuft wie ein Hase und verprügelt kleine Mädchen. Was soll da bloß aus dir werden!“, rief ihm Bertram hinterher.

      Er stemmte die Arme in die Hüften und bog sich vor Lachen. Dabei zeigte er ein paar makellose Zähne.

      Überhaupt war Bertram ein hübscher Kerl. Er war groß, zwar nicht so groß wie sein Vater, aber schlank und gut gebaut. Seine dunkelbraunen, leuchtenden Augen blickten stets freundlich und waren von außergewöhnlicher Intensität. Die dunklen Augenbrauen standen in einem Winkel wie die Schwingen eines Adlers. Sein Mund mit den vollen Lippen, schien immer zu lächeln und die Linie von seiner Stirn zum Kinn war lang und elegant, fast kunstvoll geschwungen. Er hatte wie die meisten freien Männer seiner Zeit das dichte, schulterlange, braun gelockte Haar aus der Stirn zurückgekämmt. Bertram besaß wirklich eine seltene Art von Schönheit. Er trug einen „ roc“ aus tiefblauem Samt mit eng zugeschnittenem Oberteil und Schnürbändern an den Seiten, während der Unterteil in weiten Falten bis zu den Waden herabfiel. Die Ärmel waren an den Unterarmen eng anliegend und aufwändig bestickt. Um die Hüften hatte er einen Gürtel geschlungen und er trug schwarze enge Hosen mit kurzen Halbstiefeln aus Leder, die vorne spitz zuliefen.

       „ Lasst es gut sein, Bertram“, sagte Heinrich ruhig, als er sah, wie sich die Wangen seines Sohnes vor Zorn rot färbten.

       Er nahm Conrad bei der Hand und verschwand mit ihm durchs Tor.

      „Warum hört ihr nicht auf das, was eure Mutter euch sagt? Du weißt doch, dass der Graf es nicht gerne sieht, wenn ihr Kinder im inneren Burghof spielt.“

      Conrad sah Heinrich ins Gesicht.

      „ Ich