S. N. Stone

Menschenseelen


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Sofort waren die Schmerzen da. Er konnte sich nicht daran erinnern jemals solche Schmerzen gehabt zu haben, aber woran konnte er sich schon erinnern?

      „Lass nur“, sagte sie und bückte sich, „ich hebe ihn auf.“ Sie war ein wenig verlegen. „Ich habe dir ein paar Sachen zusammengesucht, sie sind von dem Exfreund meiner Schwester. Ich dachte mir dieses Krankenhaushemd ist vielleicht nicht so ganz das Richtige. Eventuell solltest du ein T-Shirt überziehen.“

      Sie reichte ihm eins. Umständlich bemühte Danjal sich dieses furchtbare Hemd auszuziehen, es klappte nicht und sie half im.

      Er trug einen Slip, zum Glück, denn in dem Moment, in dem sie ihm half das Hemd abzustreifen, fiel ihr die nicht vorhandene Unterwäsche ein. Jen wurde rot. Als er da so saß, schaute er an sich herab und ein verzweifeltes Oh entfuhr ihm. Er sah so schlimm aus und das wurde ihm wohl nun bewusst. Seine Lippen zitterten leicht, als er sie anschaute.

      „Es ist O.K., dass ich hier bin“, flüsterte er.

      Ja, natürlich war es O.K., dass er hier war, dachte Jenna, wo sollte er denn sonst sein?

      Als sie ihm half das T-Shirt überzuziehen, kam sie ihm recht nahe und sie konnte zwei kleine Tätowierungen innen an seinen Handgelenken erkennen. Auf jedem ein Symbol deren Bedeutung sie nicht kannte. Sie sah auch Spuren von Fesseln.

      Er wusste, dass er hier erst einmal sicher war, vor wem oder was das wusste er nicht. Er bekam das Zittern seines Körpers nicht mehr unter Kontrolle und merkte, wie sich eine beruhigende, erlösende Schwärze in ihm ausbreitete. Die Frau musste bei ihm bleiben, sie musste hier, bei ihm bleiben, dachte er und versank im Nichts.

      Er hatte das Bewusstsein wieder verloren, war er hier wirklich gut aufgehoben? Trotz dieser Gedanken zog sie ihn weiter auf das Bett.

      Ich muss bei ihm bleiben, dachte sie und legte sich neben ihn.

      4. Kapitel

      Laura hätte beinahe ihre Kaffeetasse fallen lassen. Als sie sich umdrehte, stand plötzlich ein Mann in der Küche. Er schien nicht weniger erschrocken als sie und wusste offensichtlich nicht, was er sagen oder tun sollte.

      „Ich ..., tut mir leid ...“, stotterte er und fuhr sich mit der Hand durch die Haare.

      „Wer bist du? Bist du ein Freund von Jenna?“

      Er nickte. Laura kniff abschätzend die Augen zusammen und musterte ihn: Groß, gut aussehend, schlank, toller Körper aber blass und mitgenommen. Er hatte Kleberverbände an den Armen.

      „Ich sollte vielleicht mal ins Bad, lieber, glaube ich ...“, sagte er und ging ein, zwei Schritte rückwärts.

      „Am Ende des Flures ist Jennas Bad“, wies sie ihn hin und er verschwand.

      „Das ist ja wohl nicht dein Ernst!“, fuhr Laura sie im Flüsterton an. „Du kannst den doch nicht mit hier herbringen!“

      „Er musste da weg“, versuchte sich Jen zu rechtfertigen.

      „Und wenn er nun gefährlich ist? Du weißt rein gar nichts über ihn!“

      Oh bitte nicht, dachte Jenna, ihr Schädel schien zu platzen, sie hatte furchtbare Kopfschmerzen und fühlte sich körperlich schwach und gar nicht gut.

      „Er wird mir nichts tun, dazu wäre er in seinem Zustand wohl auch gar nicht in der Lage.“

      „Na so schwach wirkte er nicht, als er vor mir stand. Und niemand weiß, dass er bei dir ist?“

      Jen schüttelte den Kopf.

      „Und was machst du, wenn du nachher zur Arbeit fährst? Nimmst du ihn mit? Ich möchte nämlich nicht, dass er alleine hier bleibt.“

      „Ich gehe nicht arbeiten, morgen erst wieder“, erklärte sie kleinlaut.

      „Ich denke du hast nächste Woche so ne Überprüfung und viel zu tun.“

      Und du bist nicht meine Mutter, dachte Jen.

      „Laura, pass auf, er ist hier und ich möchte, dass er hier ist. Er tut mir leid, ich fühle mich für ihn verantwortlich und ...“, sie machte eine kurze Pause, dann sagte sie leise: „er gefällt mir.“

      Laura starrte sie an. „Ein Mann, der dir gefällt? Lass mich überlegen, seit Sascha wohl der Erste würde ich sagen.“

      Sascha war Jennas große Liebe gewesen. Sie waren drei Jahre zusammen bis er wegen einer anderen mit ihr Schluss gemacht hatte. Seit dem hatte Laura zwar immer wieder versucht ihre Schwester zu verkuppeln, ein paar Mal hatte Jen sich auch mit jemandem getroffen, aber keiner hatte sie wirklich interessiert.

      Laura schaute sie an und griff ihre Hände.

      „Glaubst du wirklich es ist das Richtige, was du hier machst?“, fragte sie liebevoll.

      Jenna zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht, aber da ist etwas an ihm, das mich so handeln lässt und mich anzieht.“

      Laura nickte. „O.K, dann werde ich es erst einmal so hinnehmen und meinen Mund halten.“

      Na wenn du da mal Wort hältst, dachte Jen, sie kannte ihre Schwester nur all zu gut.

      Danjal war noch immer im Badezimmer. Jenna fand ihn über das Handwaschbecken gebeugt, mit nassen Haaren. Langsam und vorsichtig richtete er sich auf und griff ein Handtuch, das an der Seite lag. Er stöhnte und stützte sich, nach Luft ringend, ab. Als er hochschaute, trafen sich ihre Blicke im Spiegel. Jen lächelte.

      „Du hättest auch unter die Dusche gehen können“, sagte sie.

      Er verzog das Gesicht gequält. „Wäre ich ja gerne, aber wie hätte ich das machen sollen?“

      Er deutete auf seinen Oberkörper. Ja, die Verbände.

      „Vielleicht sollte ich nachher mal in die Apotheke und Ersatz besorgen, die müssen sicher gewechselt werden.“ Jenna fragte sich, wie sie seine Schulter verarzten sollte.

      Er setzte sich auf den Rand der Badewanne und trocknete seine Haare mit dem Handtuch.

      „Du siehst besser aus“, stellte sie fest.

      Er hatte ein wenig Farbe im Gesicht und drohte nicht mehr sofort das Bewusstsein zu verlieren. Ihr hingegen ging es nach wie vor nicht gut. Wahrscheinlich brauchte sie nur ein Frühstück.

      Danjal stand auf und legte das Handtuch weg. Jenna entdeckte etwas Seltsames in seinem Nacken. „Was hast du da?“ Sie ging zu ihm und berührte ihn dort vorsichtig.

      „Wo? Ich weiß nicht“, antwortete er und versuchte es sich im Spiegel anzuschauen.

      „Es sieht aus wie eine Brandwunde“, antwortete sie.

      „Eine weitere Verletzung.“

      „Nein“, sie stellte sich auf die Zehenspitzen, er war um einiges größer als sie und versuchte nun genauer es zu erkennen.

      „Es scheint nicht willkürlich zu sein und es ist verheilt und vernarbt. Es sieht aus wie zwei Kreise, die sich überschneiden und durch einen Pfeil oder so was getrennt werden und da sind Zeichen.“ Plötzlich erzitterte sein ganzer Körper.

      Danjal wurde übel. Er schluckte und schloss die Augen. Er sah es vor sich:

       Drei Männer hielten ihn fest während sie irgendetwas murmelten, ein Vierter holte ein Brandeisen aus einer Feuerschale. Er kam zu ihm, stellte sich hinter ihn und drückte seinen Kopf nach vorne um ihn das Eisen in den Nacken stoßen zu können. Danjal spürte seine eigene Wut, sie schien unendlich.

      Er öffnete seine Augen wieder und das Zittern hörte auf, alles war vorbei. Jenna konnte wieder dieses Dunkle in seinen Augen sehen.

      „Ich hatte es schon vorher“, sagte er ganz leise, mehr nicht, keine weitere Erklärung, woher er das wusste. Stattdessen