S. N. Stone

Menschenseelen


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Es war spät geworden.

      „Ich glaube ich sollte auf der Couch schlafen.“

      Sie schaute ihn an, von oben bis unten. „Bist du dir sicher? Die Couch ist nicht sehr groß, du bist ziemlich lang, könnte ungemütlich werden.“

      „Wird schon gehen.“

      Sie holte ihm ein paar Decken und ein Kissen und baute ihm ein Bett auf dem Sofa.

      „Gute Nacht“, hauchte sie, verschwand in Richtung Bad und schaute sich noch einmal nach ihm um. Danjal legte sich, so wie er war, hin. Er brauchte unbedingt Klamotten.

      6. Kapitel

      Danjal schreckte hoch. Er hatte sich an etwas erinnert. Bevor er es wieder vergessen konnte, schloss er die Augen und versuchte die Erinnerung festzuhalten. 2028, ein Schließfach im Parkhaus, Hauptbahnhof. Er hatte dort etwas verwahrt.

      Er stand auf und spürte den Schmerz in seiner Schulter, die anderen Wunden taten ihm kaum noch weh. Er hatte sie sich angeschaut und sie waren so gut wie verheilt, die Fäden lösten sich von selber. Narben waren noch vorhanden, aber ansonsten war es mit der Heilung schnell gegangen. Es war Danjal irgendwie bewusst, dass so etwas eigentlich nicht so schnell ging, er konnte sich nicht erklären, warum es bei ihm so war. Das war auch der Grund gewesen, weshalb er Jenna da nicht mehr ran lassen wollte.

      Er lief im Dunklen zu ihrem Zimmer und öffnete die Tür.

      Jen wurde von einem Flüstern und sanftem Rütteln geweckt.

      „Bitte wach auf“, vernahm sie eine Stimme. Sie mischte sich in die letzten Reste ihres Traumes. Nur mit großer Überwindung schaffte sie es die Augen zu öffnen, es war stockfinster.

      „Jen, bitte wach auf. Mir ist etwas eingefallen“, war da wieder die Stimme.

      Ihr Blick fiel auf die LED-Anzeige ihres Weckers, halb zwei, oh Gott, mitten in der Nacht. Danjal, was wollte er um diese Zeit? Er schaltete die Nachttischlampe ein. Jen schaute genau in seine hellgrauen Augen.

      „Ich habe mich an etwas erinnert, du musst mich zum Hauptbahnhof fahren.“

      „Jetzt?“, stöhnte sie.

      „Bitte, es ist wichtig, da ist etwas von mir.“

      Sie fuhren über die Lehrter Straße auf die Fennstraße, die Clara-Jaschke-Straße, dann die nächste Straße und noch eine und standen vor dem Europaplatz. Sie fuhren ins Parkhaus.

      Danjal stieg aus und versuchte sich zu erinnern. Da hinten waren Schließfächer. Er lief hin, Jenna folgte ihm. Er besah sich die Fächer und die Nummerierung. Sie waren auf der richtigen Ebene. Er lief die Reihen ab. Da! Nummer 2028, hier war es. Danjal besah sich die Tür.

      „Scheiße, wie soll ich das Teil öffnen?“

      Er war aufgeregt, würde da etwas drinnen sein, das ihm sagen konnte, wer er war? Er rüttelte an der Tür, nichts. Verdammt!

      „Ich habe ein bisschen Werkzeug im Auto.“

      Er ließ sie stehen, rannte zurück zum Wagen, den sie nicht abgeschlossen hatte. Dann kam er mit einem Hammer und einem Schraubenzieher zurück.

      „Du kannst das Schließfach doch nicht aufbrechen, wenn das so einfach wäre-“

      Er setzte an und schlug den Schraubenzieher unter das Schloss. Der Lärm hallte im Parkhaus wieder.

      „Danjal!“ Jen fuhr ihn an. „Das ist viel zu auffällig, du solltest dich an jemanden wenden, der dir helfen kann.“

      Er schüttelte den Kopf, nein, er wollte jetzt da ran, er musste und er konnte sich an niemanden wenden. Er schlug noch einmal und noch einmal auf das Schloss ein und es gab nach. Die Tür ließ sich mit Mühe öffnen.

      In dem Fach befand sich eine kleinere Sporttasche, sie war hineingequetscht, hatte gerade so Platz gefunden. Danjal zog sie heraus und ließ sie zu Boden gleiten. Er hockte sich davor und öffnete sie. Jenna hockte sich neben ihn.

      Zwei Pullover, eine Jeans, Panties, Socken, ein Paar Schuhe und eine dünne Jacke. Er warf alles neben sich. Ein Chronograph, ein Bündel Geldscheine, offensichtlich viel Geld, Euros, ein Smartphone, ein Ladekabel, vier Pässe.

      Danjal schaute sie sich an, einen nach dem anderen. Jenna blickte ihm über die Schulter. Vier verschiedene Länder, Deutschland, USA, Frankreich, Großbritannien, vier unterschiedliche Namen, immer dasselbe Foto, immer Danjal. Er ließ die Hände sinken und setzte sich hin, starrte auf die Pässe.

      „Wofür brauche ich vier Pässe mit vier Identitäten?“, fragte er leise.

      Sie setzte sich neben ihn und berührte vorsichtig seinen Arm.

      „Vielleicht bist du ein Geheimagent“, antwortete sie.

      Er lachte auf. „Sicher. Vielleicht bin ich auch ein Verbrecher, ein Auftragskiller.“

      Er griff das Handy. Es war an und Danjal entsperrte es. Er ging die einzelnen Menüpunkte durch. Kontakte, es waren keine gespeichert, SMS, keine Ein- oder Ausgänge, Anrufprotokoll, hier war ein eingehender Anruf vermerkt, Nummer unterdrückt. Er ging weiter, Fotos, nichts.

      Aus der Ferne waren laute Stimmen und Rufe zu hören, Schritte, die schnell näher kamen.

      „Wir müssen hier weg“, flüsterte Jen ihm zu.

      Er schaute vom Handy auf und stopfte alle Sachen in die Sporttasche. Dann stand er auf und zog sie auf die Beine. Danjal packte die Tasche und ihre Hand und rannte mit ihr im Schlepptau zurück zum Auto.

      Jenna hatte Danjal an der Wohnung abgesetzt und war gleich weiter ins Institut gefahren. Es war noch ziemlich früh, aber Sven und Lukas waren schon dort.

      „Jen, ich glaube wir schaffen es nicht“, sagte Lukas, als er ihr einen Becher mit Kaffee hinstellte. „Die Ergebnisse geben einfach nicht das her was wir erhofft haben. Ich habe die Versuchsreihe zweimal wiederholt, aber komme immer zu demselben Punkt und das ist nicht das was wir haben wollen. Und dann glaube ich, ist unser Equipment nicht in Ordnung. Ich habe eine Blutprobe untersucht und sehr merkwürdige Ergebnisse erhalten.“

      „Was für eine Blutprobe?“, fragte sie ihn.

      „Eine Blutprobe eben. Ich wollte nur was testen.“

      „Dann müssen wir uns darum kümmern.“

      „Was ist los mit dir? Harte Nacht gehabt?“, witzelte er.

      Sie schaute ihn nur böse an.

      „O.K., O.K., ich lass dich ja in Ruhe.“ Er lächelte und ließ sie wieder alleine.

      Gar keine Nacht gehabt, dachte sie. Außerdem wusste sie nicht, wie es mit dem Projekt weitergehen sollte und sie dachte über Danjal nach und über den Fund, den sie auf dem Hauptbahnhof gemacht hatten. Sie beide waren nur knapp dem Sicherheitsdienst entkommen.

      Sie beherbergte einen fremden Mann, beteiligte sich an einem Einbruch, denn nichts anderes war das Aufbrechen des Schließfachs gewesen und verlor womöglich noch die Gelder für ihr Forschungsprojekt. Irgendwie lief es nicht so richtig.

      Elias hatte sich entschieden zur Polizei zu gehen. Er wies sich als Mitglied der Kirche aus und gab vor einen Mann zu suchen, einen Angehörigen seiner Gemeinde, der vor ein paar Tagen verschwunden war. Der Beamte, mit dem er sprach, musterte ihn skeptisch. Elias wusste, dass er einen erbärmlichen Anblick abgab, er war fertig und das spiegelte sich auch in seinem Erscheinungsbild wider. Der Polizist stellte Fragen, die er nur lückenhaft beantworten konnte. Irgendwann bat der Mann ihn kurz zu warten, er wollte mit einem Vorgesetzten reden. Als Elias das Präsidium verließ, war er um eine handvoll Informationen und einem Namen reicher, Jenna Drescher

      Danjal saß im Dunklen auf Jennas Bett und hielt das Handy krampfhaft in der Hand. Vor sich hatte er die Pässe ausgebreitet. In keinem stand sein wirklicher Name. Er wusste, dass er Danjal hieß, das war das einzige bei dem er