Laura Feder

Die Kinder Paxias


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      „Ich nehme das als Kompliment.“

      „Du wirst doch sicher auch erschöpft sein, Maya. Willst du nicht ebenfalls dein Gemach aufsuchen?“, wandte Kaeli taktvoll ein. Gerade bei dem paxianischen Volk bedeutete Schlafmangel ein erhöhtes Gesundheitsrisiko, wie sie wusste. Das verdiente Maya in ihrer Hilfsbereitschaft und Warmherzigkeit wirklich nicht.

      Zu ihrem Erstaunen beteiligte sich Saya – wenn auch merklich ungeschickter – ebenfalls an ihrer rücksichtsvollen Sorge. Ihre Aufforderung war klar formuliert, bar überflüssiger Manieren.

      „Begebt Eure Knochen auf Eure Schlafstätte, Paxianerin.

      Ihr habt eine wichtige Entscheidung zu fällen, und je ausgeruhter der Körper, desto vernunftbegabter der Verstand. Da ein Resultat zu meinen Gunsten die stärkste Logik beinhaltet, ist es in meinem Sinn, Euch so erfrischt wie möglich zu wissen.

      Ich werde mich für eine Trainingseinheit auf die Felder außerhalb der Stadt begeben, zumindest bis Sonnenaufgang.

      Um Kaeli braucht Ihr Euch keine Gedanken zu machen, ich nehme sie mit mir. Ihren mickrigen Muskeln wird ein wenig schweißtreibende Arbeit nicht schaden.“

      „Ich glaube nicht, dass ich wissen will, was du damit meinst.“ In komisch entsetzter Hilflosigkeit, verzog das junge Mädchen das Gesicht.

      „Ihr müsst mich für reichlich gebrechlich halten, dass mich eine durchwachte Nacht aus dem Rhythmus werfen könnte.

      Das ist absolut nicht der Fall.

      Wenn ihr also nichts dagegen habt, bevorzuge ich mich euch anzuschließen.

      Wahrscheinlich findet Ihr in mir eine würdigere Übungsgegnerin, mindestens aber eine erfahrenere als Kaeli.“ Herausfordernd hob Maya ihr Kinn und stellte sich dem durchdringenden Blick der Gelehrten.

      Die Andeutung eines Lächelns über Mayas Empörung erschien in Sayas Zügen, und sie neigte leicht den Kopf.

      „Wie es Euch gefällt.“

      Es würde sich herausstellen, ob die Entrüstung der Paxianerin über eine Ausgrenzung gerechtfertigt war.

      Auch Kaeli zeigte sich beleidigt.

      „Na, so ungeübt, wie du annimmst, bin ich nicht, Saya. Routine habe ich nicht, das gebe ich zu, aber ich bin geschickt im Umgang mit der Harpune.“

      „Zielen und werfen, hoffentlich auch treffen. Das ist immerhin ein Lichtblick.

      Doch wie steht es mit Wendigkeit, Ausdauer und Kraft?

      Bei diesen Attributen setze ich auf mangelhaft.“

      „Und wenn schon, das ist alles temporär bedingt und ausbaufähig“, konterte Kaeli unbeirrt. Ihre Hartnäckigkeit amüsierte Maya wie Saya, und sie tauschten einen abschätzenden Blick – beide mit hochgezogenen Brauen. Schließlich legte Maya ihren Arm besänftigend um Kaelis Schultern und brachte die abwertende Diskussion zu einem offenen Ende.

      „Ich bin sehr interessiert das herauszufinden.

      Folgt mir, ich bringe euch in unseren Waffenraum. Da könnt ihr euch etwas Geeigneteres anziehen und eure Werkzeuge wählen.“

      „Waffenraum?“, erstaunten sich Saya und Kaeli wie aus einem Mund, was die Paxianerin mit einem Achselzucken abtat.

      „Natürlich. Denkt ihr, wir haben unsere Vergangenheit einfach entsorgt?

      Der Krieg war zu prägsam und hat zu viele Jahre unseres Lebens gedauert, zu viele Opfer gefordert, um diese Option in den Bereich des Möglichen gebracht zu haben.

      Ceddy und ich sind in ihm zu Kämpfern geworden. Ein Teil von uns wird dies bis zum Ende bleiben.“

      Mit einer Hand schob Maya den längsten Wandvorhang beiseite, während sie mit der anderen eine Kette von ihrem Hals löste.

      Eine im Stein versteckte Tür kam zum Vorschein, die sie mit dem Schlüssel an der silbernen Kette öffnete.

      Gemeinsam schritten sie die nun zugängliche schmale Treppe in die Kellergewölbe des Hauses hinunter.

      Ein beeindruckter Laut entfloh Kaelis Lippen, noch bevor Maya die Kerzen entzündet hatte.

      Sie standen im Zentrum einer achteckigen Halle, deren grobe Steinwände unzählige Waffen aller Art fassten. Eine gläserne Vitrine war mit einer stattlichen Auswahl passender Munition bestückt. Vor einem geräumigen Holzschrank stand eine Art Umkleidebank, mit Haken oberhalb der Lehne zum Aufhängen von Kleidungsstücken.

      Der perfekte Ort für Saya. Ganz in ihrem Element, begutachtete sie mit steigender Begeisterung die wertvolle Sammlung – ohne sie vorerst anzurühren.

      „Ihr wollt mir wirklich erzählen, die Führung aller ausgestellten Materie zu beherrschen?“ Der deutliche Zweifel in Sayas Stimme war unüberhörbar.

      Maya, die mit dem Schrankinhalt beschäftigt war, zeigte sich nicht brüskiert. Im Gegenteil.

      „Ihr schmeichelt mir, Saya, dass Ihr das Unmögliche in Erwägung gezogen habt. Natürlich habe ich meine Fähigkeiten in der Waffenkunst niemals zur Vollendung bringen können.

      Was ich aber ehrlichen Gewissens von mir behaupten kann, ist, dass ich für alles Verwendung finde, was die Luft durchschneidet – Treffsicherheit als voraussetzende Basis.

      Meine persönlichen Favoriten sind Dolche und Wurfsterne. Im Krieg haben diese mir die besten Dienste geleistet.“

      „Bei dieser Kampfkunst habt Ihr mir etwas voraus“, gab Saya ungewöhnlich offen zu. „Ich bin nur im Nahkampf ausgebildet. Bei den Dolchen halte ich sicher mit, aber im Schleudern liegt keine meiner Stärken. Sie findet keine Anwendung in meiner Heimat.“

      „Ich gestehe, Ihr weckt mit jedem Wort meine Neugier. Ich kann kaum erwarten herauszufinden, wie viel Können wirklich in Euch steckt.“

      „Mir ergeht es ähnlich, Maya, doch bedenkt, dass Ihr in der Dunkelheit mit Eurem schwachen Sehvermögen im klaren Nachteil seid.“

      Amüsiert blitzten die Augen der Paxianerin, während sie ein Stoffbündel in Sayas Arme warf. Ein weiteres landete leise raschelnd an Kaelis Brust.

      „Ihr solltet Euch keine Gedanken über dieses Thema machen. Nacht und Finsternis waren mir in Kriegszeiten wertvollster Schutz und Verbündeter.

      Ich weiß meine beschränkten Sinne ausreichend zu kompensieren, um dieses Defizit zu eliminieren.“

      „Ich wollte auch nur vermeiden, dass Ihr hinterher behauptet, ich hätte Euch nicht gewarnt.“

      „Das würde ich nicht“, erklärte Maya ruhig.

      Saya glaubte ihr ohne weiteren Beweis und widmete sich nun mit einiger Neugier den Kleidungsstücken, die die Paxianerin ihr überlassen hatte.

      Sie bestanden ganz schlicht nur aus einer nachtblauen, weit geschnittenen Hose, einem gleichfarbigen, losen Pullover und einigen silbergrauen Tüchern – alles aus leichtem, weichen Stoff gefertigt.

      Saya erfasste sofort anerkennend die Eigenschaften Tarnung und Bewegungsfreiheit und vertauschte ihre Sachen mit den überlassenen. Dabei imitierte sie Mayas Technik, die Tücher straff um Fußgelenke, Beine, Taille und quer über die Brust um eine Schulter zu wickeln. Es waren perfekte Aufbewahrungsorte und Verstecke für Munition und kleinere Waffen wie Dolche.

      Kaeli verweilte unschlüssig beobachtend neben den beiden Frauen.

      Ihr Verstand konfrontierte sie zunehmend bewusster mit dem Gedanken, dass es an reinen Wahnsinn grenzte, sich auf einen Kampf mit diesen beiden erfahrenen – und offensichtlich auch begeisterten – Kriegerinnen einzulassen. Selbst wenn es nur zu Trainingszwecken wäre.

      Leider aber war ihr Mundwerk wieder einmal schneller gewesen als ihr Kopf und zwang sie zum Handeln, um nicht wie ein elender Feigling dazustehen. Was ihr wahrscheinlich noch mehr zum Nachteil gereichen würde, im Angesicht Sayas Verachtung für eben jenen Charakterzug.

      Mit