Laura Feder

Die Kinder Paxias


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die Ehre, dem Herrscher die Hand zum Bund fürs Leben reichen zu dürfen.“

      „Ich begreife das nicht wirklich. In Megs Wesen existierte Unterwürfigkeit doch gar nicht. Es passte nicht zu ihr, demutsvoll ihr Schicksal anzunehmen, das ihre Eltern ihr bestimmt hatten“, sinnierte Cedric gedankenvoll. Beunruhigte Sorge und echtes Interesse an dem Schicksal ihrer Mutter zeichneten sich in seiner Miene ab und öffneten ihm letzte verschlossene Pforten in Kaelis Wesen, deren innige Zuneigung zu ihrer Familie sich in ihren ausdrucksvollen Augen spiegelte. Bei seiner Ablehnung mangelndes Rückgrat als Keim Anamegs Verhalten anzuerkennen, huschte ein wissendes Lächeln über Kaelis Züge.

      „Eine Begründung mag ich aus den Erzählungen über die Vergangenheit meiner Mutter deuten, die ich ihres Wissens nach noch gar nicht kennen – geschweige denn wiedergeben sollte.

      Glücklicherweise tratschen meine Schwestern oft genug, ohne meine Anwesenheit wahrzunehmen. Die Geschichte meiner Eltern ist dabei ihr Lieblingsthema.

      Tatsächlich war, oder besser gesagt, ist mein Vater ein außerordentlich attraktiver Mann, und sie hatte sich, trotz aller Gegenwehr, immer mehr von ihm angezogen gefühlt.

      Das Unbekannte an ihm war ihr wohl lediglich mahnende Warnung, aber kein endgültiges Hindernis.

      Außerdem wich meine Mutter vor einer möglichen Gefahr niemals zurück, eliminierte sie lediglich.“

      „Hat sie dieses Ziel erreicht? Die Gefahr entschärft?“

      „Mein Vater bedeutete nie eine Gefahr für sie.“ Cedrics nachhakende Frage wurde fröhlich auflachend von dem Mädchen abgewunken. „Die Zeremonie ihrer Vermählung fand statt, sobald sie die Heimat im Meer erreicht hatte, und meine Mutter hielt ihren glanzvollen Einzug in den Meerespalast.

      Mein Vater aber wahrte geduldig Distanz zu ihr und suchte nur selten ihre Nähe, wenn sie ihren Pflichten als Regenten entbunden waren. Sie erhielt auf diese Art die Gelegenheit, ihn ruhig kennenzulernen und seinem aufbrausenden Wesen mit zunehmender Sicherheit zu begegnen.

      Er mag ein gebietender, Macht gewohnter, manchmal auch arroganter Mann mit Tendenz zur Selbstherrlichkeit sein, aber er ist ebenso ein sanfter Gemahl und zärtlicher Vater, der keine Scheu hat, seine Liebe zu zeigen.

      Nachdem eine Verbindung mit dir, Cedric, sich meiner Mutter als endgültig unmöglich erwies, wandte sie ihr Herz endlich nach und nach meinem Vater zu, bis es sich ihm in Liebe ergab.“

      „Meg und ich? Ich lernte sie in einer Zeit kennen, wo mir sogar der Gedanke an jedwede Verbindung verboten schien“, murmelte Cedric mehr zu sich selbst, fuhr dann aber, sich schnell besinnend, deutlicher und eindeutig wieder an Kaeli gerichtet fort.

      „Ich bin sehr froh, dass sie glücklich in ihrer Vereinigung mit Sher-Qa geworden ist, so wie auch ich meine Liebe gefunden habe.“ Seine Finger umschlossen die feingliedrige Hand Mayas, und die Blicke der beiden tauchten einen Moment selbstvergessen ineinander.

      Kaeli betrachtete das schöne Paar mit aufrichtigem Wohlgefallen. Diese beiden ästhetischen Gestalten strahlten Harmonie in jeder Ebene ihrer Persönlichkeit aus.

      Ihre erste Vermutung zum Altersunterschied der beiden nach der Begegnung mit Maya kam ihr in den Sinn, und sie lachte vergnügt. Ihr eigener Irrtum, basierend auf fehlgeleiteter Schlussfolgerungen, belustigte sie nach wie vor. Als sie die forschenden Blicke der anderen bemerkte, verlieh sie diesen erklärende Worte.

      „Ich habe dich immer als Jugendschwarm meiner Mutter betrachtet und daraus resultierend für viel älter als sie gehalten. Tatsächlich aber vermute ich, bist du im gleichen Alter mit ihr, vielleicht sogar einige Jahre jünger. Jetzt, in diesem Moment, sitze ich einem Mann in der Blüte seines Lebens gegenüber, und noch heute morgen war meine größte Angst, du wärst bereits in einem neuen Kreislauf Paxias.“

      „Das hat noch lange Zeit – wie ich hoffe“, erklärte Cedric trocken, das leise Lachen Mayas an seiner Seite mit einem gutmütigen Knuff scherzhaft strafend. Sie blitzte ihn humorvoll an, bevor sie sich selbst an Kaeli wandte.

      „Die Vergangenheit haben wir dann hoffentlich ausreichend aufgeholt, um Ceddys Ungeduld zu besänftigen und seine Wissbegier zu stillen.

      Ich denke, wir alle sind dankbar, wenn wir uns endlich der Gegenwart widmen dürfen.

      Willst du uns berichten, was dir passiert ist, Kaeli, dass deine Rückkehr in die Heimat dir keine Option ist?“

      Kaeli nickte, erlöst, dass ihr detailliertere Ausführungen erspart blieben.

      In der ungewohnten Entfernung zwischen ihr und ihren Angehörigen würde jedes weitere Eingehen auf einzelne Familienmitglieder bewegende Bilder vor ihr geistiges Auge projizieren, die quälend schmerzhaft in ihrer sehnsüchtigen Intensität sein würden.

      Mit einem tiefen Zug leerte sie ihr Glas, linderte das ausgetrocknete Kratzen in ihrer Kehle und nahm freudig nickend das auffüllende Angebot Mayas an.

      „Leider kann ich euch nur erzählen, wie meine Anwesenheit an Paxias Oberfläche entstanden ist, aber nichts zu der Ursache. Das Warum entzieht sich meiner Kenntnis“, schränkte sie den Inhalt ihrer kommenden Erlebnisschilderung ein und wartete auf ein Zeichen der Akzeptanz.

      „Fehlendes Wissen bedarf keiner Ausführung. Mutmaßungen zu erörtern, ließe uns vom Kern abschweifen. Vielleicht schaffen wir zu einem späteren Zeitpunkt eine Plattform dafür“, meinte Maya einsichtsvoll und forderte Kaeli mit einer weisenden Geste auf, ihre eigentliche Geschichte zu beginnen.

      „Ich befand mich auf dem Weg, eine junge Freundin zu treffen – eine Paxianerin, Cassia.

      Das Meer erwies sich als widerspenstig und anstrengend in der tauchenden Fortbewegung an diesem Tag.

      Ich schrieb dies meiner Aufregung über ein baldiges Ereignis zu und entfernte mich unbedacht und leichtsinnig meiner sicheren Heimat.

      Früher als sonst bewegte ich mich deshalb an die Oberfläche, in der Hoffnung, dass mir das Schwimmen leichter fallen würde.

      Dies erwies sich als entscheidender Fehler, denn das Meer nutzte meine schwache Position, um mich gewaltsam abzustoßen.

      Nur einer glücklichen Schicksalsfügung ist es zu verdanken, dass ich nicht an den Klippen zerschellte oder von einer Steinspitze aufgespießt wurde.

      Cassia und Saya fanden mich verletzt auf einem Felsen. Mit Cassias Unterstützung versorgte Saya meine Wunden, die sich als zahlreich aber wundersamerweise nicht verheerend erwiesen.

      Meiner Macht beraubt stand ich dieser Verbannung gegenüber und besaß nichts als die Erinnerung an die Anweisung meiner Mutter, mich in einer Notlage an Cedric zu wenden, den Ratsvorsteher der Hauptstadt.

      Auch Saya strebte nach Resus, und wir entschlossen uns, den Weg gemeinsam anzutreten.“

      „Und nun seid ihr nach anstrengender Wanderung angekommen und habt endlich die Zielperson gefunden“, schloss Maya ergänzend ab.

      „Was mich betrifft, so ist das richtig“, bestätigte Kaeli andeutungsweise und eindeutig zu offensiv für Sayas Erwartungen an einen taktvollen Übergang zu den Bedürfnissen der Gelehrten. Sie handelte sich ein schmerzhaft nachdrückliches Packen ihres Handgelenkes versteckt unter dem Tisch ein. Stumm zusammenzuckend, warf sie Saya einen vorwurfsvollen und gleichzeitig um Vergebung heischenden Blick zu, während sie sich die attackierte Stelle rieb.

      Weder diese Drohgebärde noch ihre ungeschickte Äußerung schien von den Gastgebern registriert worden zu sein.

      Eine fast greifbare Spannung war plötzlich zwischen ihnen entstanden.

      Obwohl sie sich äußerlich lediglich nachdenklich ansahen, schienen sie eine nur für sie verständliche Zwiesprache zu führen.

      Maya zuckte mit gezogenen Brauen wie abschließend die Schultern, worauf Cedric sich mit verschränkten Armen in seinem Stuhl zurücklehnte und die trübe Flüssigkeit des fruchtigen Getränks in seinem Glas sinnend fixierte.

      „Was ist mit dem Rat? Gibt es da Auffälligkeiten?“, fragte