Laura Feder

Die Kinder Paxias


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      Blicke wurden ausgetauscht, Schultern wurden gezuckt, doch keiner meldete sich.

      „Wie ich es mir dachte“, murmelte er, den fragenden Gesichtern der Wächter mit einem entschlossenen Blick begegnend. Er deutete auf Satys.

      „Du wirst ihrer Aura auf der Spur bleiben und zu gegebener Zeit mit einer Armee folgen, aber sorge dafür, dass sie euch dann nicht bemerkt.

      Sie ist sehr klug und trotz ihrer impulsiven Art die gelehrteste unter uns. Wenn einer diese Dämonin finden kann, dann ist es Saya.

      Macht euch ihre Fähigkeiten zunutze, und wenn sie sie gefunden hat, dann vernichtet sie. Die Herrscherin der Dämonen muss der Vergangenheit angehören.

      Saya wird einsehen, dass sie Unrecht hatte.“

      Kapitel 1

      Endlich würde es einmal keinen Zeitverlust geben.

      Es galt lediglich eine realistisch ausführbare Möglichkeit zu finden, die sie auf die Spur des Betreffenden brachte.

      Dem Ratsmitglied, dem der Aufenthaltsort der Herrscherin der Dämonen bekannt war.

      Und diesen musste sie dann auch noch davon überzeugen, ihr diese Information zu überlassen – ungeachtet der zu diesem Zweck erforderlichen Mittel.

      Entschlossen verstärkte sie den Druck ihrer Finger um den Stab und machte sich der Existenz ihres im Rhythmus der Hüftbewegungen wiegenden Messers am Gürtel bewusst.

      „Das Haus des Ratsvorstehers sollte auffällig genug sein.

      Wie ich in Erfahrung bringen konnte, ist es beim Erbauen mit den Steinen der Mauer an einer Seite verbunden worden und als solches einzigartig“, unterbrach Kaeli den gewaltbereiten Gedankengang Sayas. Ihr überschäumender Mitteilungsdrang ergab sich aus der nahenden Reichweite der schmerzlich ersehnten Zuflucht, die mit dem Versprechen nach Ruhe, Erholung und Heilung ihrer Verletzungen lockte.

      Ohne es selbst zu bemerken, beschleunigte sie das Tempo ihrer Schritte.

      In ihrer Vorstellung hatte sie sich die Hauptstadt stets mit beachtlicheren Ausmaßen vorgestellt, auch wenn sie wusste, dass Resus lediglich die drittgrößte Stadt der Paxianer und wesentlich kleiner als ihre eigene Heimat war.

      Es war ihre Zentralität, die ihr den Titel verlieh. Die Tatsache, dass sie von allen Teilen der Welt leicht zu erreichen war. Nicht ihre Einwohnerzahl, die die tausend wahrscheinlich nicht einmal füllte.

      Viel zu besichtigen würde es also nicht geben, dafür aber war es auch unmöglich, sich auf dem einfachen Weg rund um die Außenmauer zu verirren.

      Sayas abruptes Verharren war der Beweis.

      „Ich denke, wir haben es gefunden.“

      Kaeli folgte dem erhobenen Gesicht der Gelehrten.

      Unmittelbar über dem massiven Steinwall erstreckte sich ein weitläufiges schwarz geschindeltes Spitzdach mit großen, lichflutenden Bleiglasfenstern.

      In beiden erwachte bei diesem Anblick die Neugierde, wie das Gebäude von vorne aussah.

      Ihre Erwartungen und Vorstellungen sollten mehr als bestätigt – übertroffen – werden.

      Direkt neben dem Nordtor befand sich eine schmiedeeiserne Pforte, die in einen weitläufigen, umzäunten, wild wachsenden Garten führte.

      Beeindruckt betraten die Reisegefährtinnen einen gewundenen, mit verschiedenen Farnen gesäumten Kiesweg, der sie mehr und mehr von der groben Mauer zu ihrer Rechten, zu der erhöhten Veranda des massiven Steinhauses führte, welches an der Seite mit der Stadtmauer eine Einheit bildete.

      Kaeli hielt einen Augenblick inne, um den alten Baumbestand, der einem kleinen Wald glich, zu bewundern. Eine Art Lichtung war in diesen eingelassen, den ein wunderschöner Pavillon aus unbehandeltem Waldholz zierte.

      Auch Sayas erstaunte Aufmerksamkeit galt für wenige Momente dem künstlich angelegten Bachlauf, der in einem mit Seeblüten bewachsenen Naturteich mündete. Eine sorgfältig gestaltete Steinbank inmitten einer Wildblumenwiese stand nah genug, um von ihr aus die Aussicht auf diesen genießen zu können.

      Zu ihrem Bedauern war der Rest des Gartens an der Rückseite des Gebäudes nicht weiter einsehbar, und sie konzentrierten sich wieder auf das stattliche Wohnhaus.

      Auch dieses überraschte in seinem Erscheinungsbild.

      Hatte die an der Außenmauer sichtbare Wand vermuten lassen, einen düsteren, klobigen Steinklotz zu finden, beseitigte die an den ersten beiden Etagen angebrachte, ausgedehnte Fensterfront diesen Eindruck ohne jeden Zweifel.

      Dieser Bau war einst mit unglaublich viel Mühe, Liebe zum Detail und Sorgfalt errichtet worden und strahlte den soliden Wohlstand der Bewohner wider.

      Mit gemessenen Schritten überwand Kaeli die Stufen der Veranda zur doppelflügeligen Haustür. Sie tauschte einen kurzen bestätigenden Blick mit Saya, die ein wenig versteckt wachsam Position bezogen hatte, und betätigte den schweren Türklopfer in Form eines Blattes.

      Das Bleiglas an dieser Tür war gefärbt und stellte ein kunstvolles Mosaik einer Festung inmitten eines Waldes dar, so dass sie das Innere nur schemenhaft erkennen konnte.

      „Wahrscheinlich ist der Vorsteher bereits auf der Versammlung“, bemerkte Kaeli ein wenig enttäuscht, als keine Reaktion erfolgte, und wandte sich Saya hilflos schulterzuckend zu.

      „Wahrscheinlich“, gab ihr Saya ungerührt Recht, bewegte sich jedoch nicht von der Stelle. „Wahrscheinlich lebt er aber auch nicht allein.

      Ich habe mittlerweile einige Beobachtungen gemacht, die sich auf die starke Paarbildungstendenz und Familiengründungsbedürfnisse der Bewohner dieser Welt beziehen.“

      Die Wortwahl der Gelehrten belustigte Kaeli. Fröhlich lachte sie auf und wiederholte, Mut fassend, ihr erstes zaghaftes Klopfen mit deutlichem Nachdruck.

      Beide vernahmen gleichzeitig die nähernden Schritte. Eine schmale Silhouette schob sich ins Zentrum des Mosaiks.

      „Ja?“ Augen strahlenden Blaus musterten Kaeli aufmerksam fragend. „Kann ich Euch helfen?“

      Sprachlos starrte Kaeli die Erscheinung mit der weichen Stimme an der Tür an.

      In der Blüte der Schönheit. Diese Frau mit dem feingeschnittenen Gesicht, dem reinen Profil, ihrer geraden Nase, dem filigran gezeichneten Mund und diesen unglaublich langen, dunklen Wimpern machte diesen Begriff zur Perfektion.

      Ihre dunkelbraunen Haare, die sie so hochgesteckt trug, dass sie ihr lockig über den Rücken fielen, mussten ihr mindestens bis zur schmalen Taille reichen. Auch in der zart gebräunten Haut fand Kaeli keinen Makel.

      Ihre Statur war vergleichbar mit Sayas, und ihre Kleidung unterschied sich von den anderen Stadtbewohnern in Form, Farbe und Material derart grundsätzlich, dass Kaeli einen kurzen Moment glaubte, einem weiteren Sagenwesen gegenüberzustehen.

      Über einem grauen Faltenrock trug sie ein an der Seite spitz zulaufendes, tiefblaues Überkleid, welches den Schulteransatz freiließ und an den Ärmeln, unterhalb der Ellbogen, in kleinen Volants endete. Der graue Ledergürtel war, genau wie die ungewöhnlichen Armschoner und das Band, das sich am breiten Ausschnitt von einer Schulter zur anderen zog, mit silbernen Nieten besetzt und fasste einen kleinen Beutel und einen stattlichen Dolch.

      Kaeli fasste sich mühsam.

      Sie spürte förmlich Sayas bedrohlichen Blick und ihre angriffsbereite Haltung im Rücken. Ihre Situation duldete keinen Fehler. Nervös verdunkelten sich ihre Augen in ein verschwommenes Blaugrün.

      „Ich suche Cedric. Meine Mutter schickt mich. Wenn ich in Not geraten sollte, riet sie mir ihn aufzusuchen.“

      Das Mädchen strafte sich im Geiste für ihre stammelnde Ausdrucksweise, aber sie wollte der Unbekannten nicht sofort alles preisgeben, da sie ihrem Instinkt nicht recht glauben wollte, der sie zu Vertrauen