Laura Feder

Die Kinder Paxias


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frühestens in zwei Tagen erwarten dürfen, das versichere ich Euch. Aber für eine Auffrischung meiner Kräfte war es ausreichend.

      Ich danke Euch nochmals für die freundliche Aufnahme.“ Kaelis scherzende Worte brachten Maya zum Lachen. Sie trat von ihrem Webstuhl fort zu einer gepolsterten, schmiedeeisernen Sitzgruppe um einen runden Tisch.

      „Ihr scheint Schnabel und Herz am rechten Fleck zu haben, Kaeli.

      Cedric ist leider noch nicht zurück, aber ich erwarte ihn jeden Moment. Setzt euch doch so lange zu mir und leistet mir Gesellschaft. Vielleicht wollt ihr mir ein wenig über euch erzählen.“

      Der ersten Aufforderung leisteten die beiden widerspruchslos Folge, bei der anderen zögerte Kaeli merklich und sah unsicher zu Saya, die im Gegensatz zu ihr überhaupt keine Reaktion zeigte und schwieg. Die Augen waren natürlich wieder bedeckt, so dass das Mädchen auch aus der Miene der Gelehrten keine Weisheit ziehen konnte.

      Also oblag es ihr, eine Entscheidung zu treffen, wie weit sie sich des unaufdringlichen Interesses Mayas offenbaren wollte.

      Im Kopf überschlug Kaeli die Auswirkungen, die ihre Geschichte in den Händen einer Falschen – also einer uneingeweihten Paxianerin – zur Folge haben konnten.

      Maya, offenbar sensibel genug, das Dilemma des kindlichen Wesens zu erkennen, beendete ihre Erwägungen.

      „Das war kein Befehl, Kaeli. Wenn Ihr Schwierigkeiten befürchtet, weil es ein Geheimnis zu bewahren gilt und Ihr nur meinem Gatten in dieser Angelegenheit Vertrauen entgegenbringt, ignoriert meine letzte Bemerkung einfach.

      Es liegt mir fern, Euch in Unruhe zu versetzen.“

      Erleichtert strahlte das Mädchen sie an und nickte ihrer Sorgen enthoben.

      Sich wesentlich bewusster als bei ihrem Eintreffen umsehend, fand sie schnell ein neutrales Gesprächsthema.

      „Euer Garten ist sehr vielfältig, das habe ich schon auf der anderen Seite des Hauses bemerkt. Er beinhaltet die grundlegenden Aspekte der Natur, nicht wahr?“

      „Er ist ein Sinnbild meiner Heimat.“

      So neutral war dieser Gegenstand wohl auch nicht.

      Kaeli fühlte leise Betretenheit, als sie die Hausherrin plötzlich so wortkarg erlebte. Eine tief begründete Verschlossenheit versteinerte ihre Miene zu einer ausdruckslosen Maske.

      Eine verlegene Stille entstand.

      „Maya!“ Eine klangvolle Männerstimme durchbrach die verirrte Stimmung, bevor sie Manifestation fand.

      Mit zärtlich aufblitzenden Augen erhob sich Maya.

      „Auf der Veranda!“, rief sie sichtlich erfreut, und beide Reisegefährtinnen wandten sich unverhohlen gespannt um, den Blick gleich der Paxianerin zur Tür richtend.

      Der Mann, der nun erschien, wirkte nur unwesentlich älter als Maya und war von durchschnittlicher Größe.

      Aber damit endete auch schon seine Gewöhnlichkeit.

      War Maya ein Sinnbild weiblicher Schönheit, so glich er dem Ideal eines attraktiven Mannes.

      Das weite, naturfarbene Hemd mit dem darüber geschnürten, nur wenig dunkleren Lederwams und die gleichfarbigen engen Stiefelhosen verbargen den athletischen Körperbau nicht.

      Ein gut geschnittenes Gesicht, welches seit mindestens drei Tagen keine Rasur mehr erlebt hatte, mit festen Zügen, energischem Kinn und dem, diesen Merkmalen völlig gegensätzlichen, weichen, fast sinnlich geformten Mund perfektionierten seine beeindruckende Erscheinung.

      Seine hellbraunen Haare waren mit blonden Strähnen durchzogen, sahen aus, als könnte kein Kamm sie bändigen, und endeten kurz oberhalb der auffallenden Augen. Ihr leuchtendes Türkisgrau stach von der gebräunten Haut deutlich ab und verbarg nur schlecht – wenn überhaupt – ein reiches Gefühlspotential.

      Wie um dies zu beweisen, trat ein inniges Leuchten in diese, als er auf Maya traf, die ihm beide Hände entgegenstreckte.

      Verwirrt und sprachlos beobachtete Kaeli, wie der Neuankömmling die vermeintliche Gattin des Ratsvorstehers an sich zog und sie in sanfter Ausführlichkeit küsste, ungeachtet Sayas und ihrer Anwesenheit.

      „Es ist sehr spät geworden heute, verzeih meine Unpünktlichkeit.

      Du kennst ja den Auftakt unserer Hauptversammlung. Alle meinen, ihre Anliegen bis ins kleinste Detail vortragen zu müssen, um dann den Rest dieser Woche damit zu verbringen, Diskussionen über deren Sinn und Unsinn zu führen.“ Der Inhalt seiner entschuldigenden Worte stürzte Kaeli noch tiefer in das Chaos wirrer Gedanken und Erinnerungsfetzen, die bei steigender Anstrengung lediglich verschwommener wurden und ihr den Rest Klarheit raubten.

      „Ich habe auch nicht früher mit dir gerechnet. Und doch wirst du mit Sehnsucht erwartet. Du hast Gäste.“ Erst Mayas lächelnde Worte lenkten die Aufmerksamkeit des liebevoll auf die schöne Frau fixierten Mannes von ihr ab – zu Kaeli und Saya.

      Ein eindringlich forschender Blick traf die beiden, und ein zurückhaltendes, wenn auch vorbehaltloses Lächeln trat in seine Miene, während er sich, Mayas Hand fest in seiner verschränkt, ihnen erklärend zuführen ließ.

      „Die junge Dame hier ist Kaeli, ihre Freundin Saya begleitet sie. Sie sind heute morgen hier eingetroffen – kurz nachdem du zur Versammlung aufgebrochen bist.“

      Saya, die die Situation mit mehr Distanz als Kaeli beobachtete, ahnte die Wahrheit, noch bevor Maya sie mit ihren nächsten Worten aussprach.

      „Kaeli, Saya, hier stelle ich Euch Cedric vor, meinen Gatten und Vorsteher des hohen Rates.“

      Cedric, der Ratsvorsitzende, schien ein noch recht junger Mann zu sein.

      Kaeli starrte die unerwartete Gestalt des Paxianers offenen Mundes fassungslos an. Ihre impulsive Art machte es ihr unmöglich, ihren perplexen Ausruf rechtzeitig zu unterbinden und ihn in ihrer Gedankenwelt zu belassen, wie ihr Taktgefühl es ihr im Regelfall geboten hätte.

      Doch dies war kein Regelfall.

      „Ihr seid Cedric?! Euch hätte ich für viel älter gehalten – sehr viel älter!“

      Saya verdrehte in der Verborgenheit ihrer Binde die Augen, wenn sie der mangelnden Beherrschung des Mädchens auch ein widerwilliges Verständnis gegenüber empfand.

      Cedric und Maya dagegen lachten fröhlich auf, bezaubert von dem Charme des jungen Meereswesens.

      Saya überlegte einen Moment, ob es an der Wirkung Kaelis Stimme lag, verwarf diesen Verdacht aber sofort wieder, da ihr keine Veränderungen im Timbre der Lautformung aufgefallen waren.

      Außerdem wirkten weder Maya noch Cedric mental schwach genug, um empfänglich auf die hypnotischen Künste einer wahrscheinlich sehr unerfahrenen Anwenderin zu reagieren.

      „Für diese Unterstellung fordere ich eine Erklärung“, meinte Cedric mit humorvoll hochgezogenen Brauen. Obwohl seine Entrüstung eindeutig gespielt war, brachte sie Kaeli ihr Fehlverhalten ins Bewusstsein. Komisch entsetzt schlug sie ihre Hand vor den Mund.

      „Das hätte ich so wohl besser nicht ausdrücken sollen. Meine Mutter wäre entsetzt über mein Benehmen. Ich bitte um Vergebung.“

      Saya murmelte in ihrem Rücken, nur für sie verständlich, einige prägnante Sätze. Etwas über die Dummheit, sich auf andere zu verlassen, dass sie diese erste Begegnung auch nicht ungeschickter hätte beginnen können. Kaeli wäre eine Steigerung ihrer eigenen mangelhaften diplomatischen Fähigkeiten. Und dann folgte eine Aufzählung deren begangener Fehler, mit reichlich Kraftausdrücken unterstrichen.

      Ein entsetztes Auflachen entfuhr Kaeli, welchem sie gerade noch den Anschein eines Hustens verleihen konnte.

      Ihre abweisende Handbewegung nach hinten, brachte die Gelehrte, die nach diesem Ausrutscher erneut zu einer weiteren zerfleischenden Kritik angesetzt hatte, endlich zum Schweigen und ihr selbst die Sicherheit zurück, dem paxianischen Paar in die amüsiert fragenden