Laura Feder

Die Kinder Paxias


Скачать книгу

zu eigen war, waren es Krieger oder Gelehrte.

      Es war nahezu das personifizierte Bild eines solchen Kriegers, das nun von seinem Platz aufsprang und mit wildem Eifer brüllte.

      „Wir werden kämpfen! Bis in den Tod!“

      Ein zustimmendes Gemurmel war die Reaktion auf diesen unbeherrschten Ausruf. Dann brach ein Tumult los.

      Andere junge Krieger warfen lautstark ihre Stühle um, zogen ihre gläsernen Schwerter – Symbole ihres Standes – und hielten sie in die Höhe. Jeder von ihnen dröhnte, so dass er die anderen übertönte, dass er losziehen wollte, um sich dem Feind im Kampf zu stellen, was es auch kosten mochte.

      Der Lärm war ohrenbetäubend und die, die nicht mitzogen, sahen mit hilflosen Mienen dem Spektakel zu.

      Die jungen Krieger hatten sich gegenseitig dermaßen angestachelt, dass sie kampfbereit mit grimmigen Mienen dem Ausgang des Saales zustrebten.

      „Gegen wen willst du kämpfen, Golar?“

      Er hatte seine Stimme nicht erheben müssen. Tief und vibrierend füllte sie den Saal und übertönte, verschluckte geradezu jedes andere Geräusch.

      Plötzlich herrschte atemlose Stille unter ihnen, während die eifrigen jungen Krieger langsam zurück an den Tisch traten. Ihre nicht sehr leistungsfähigen Gehirne konnten sich der einfachen Logik, die in der Frage des wesentlich älteren Wächters Satys gelegen hatte, nicht entziehen.

      Schweigend nahmen sie ihre Plätze wieder ein und starrten mit blöden Mienen – anders konnte man sie nicht beschreiben – auf den riesigen Muskelberg von Mann, als ob von diesem Respekt einflößenden Individuum die Antwort kommen müsste.

      Die Antwort auf eine Frage, die zu lösen sie sich versammelt hatten. Nun, da es auch die Letzten verstanden hatten, konnten sie endlich beginnen vernünftig über die ganze Angelegenheit zu reden. Was immer das heißen mochte.

      Satys, der entgegen aller körperlichen Merkmale zu den Gelehrten zählte, ergriff abermals das Wort, diesmal allerdings mit deutlich gesenkter Stimme.

      „Wir wollen wissen, wer hinter all unserem Unglück steckt. Also sollten wir in der Geschichte nach Dämonen suchen, deren Macht groß genug ist, um so etwas zu vermögen. Ich habe bereits einige Nachforschungen betrieben und bin auf eine Kreatur des Namens Feluzio gestoßen …“

      „Ich erinnere mich daran“, der Wächter Log unterbrach ihn. „Das war vor etwa 250 Jahren. Dieser Dämon war so mächtig, dass er ganz Paxia eingenommen und eine Ära der Schreckensherrschaft errichtet hatte. Zu seinem Gefolge zählten mehrere tausend Kreaturen der Unterwelt. Es hieß, er wäre das Fleisch gewordene Böse.“

      „Aber er ist tot“, wandte ein junger Gelehrter, Filor, ein. „Er wurde in einem Kampf regelrecht hingerichtet. Es wird noch heute über die Gnadenlosigkeit seiner Gegner geredet.“

      Auf diese Worte folgte ein tadelnder Blick Satys, der bewirkte, dass Filor verlegen auf den Boden sah und nicht wagte noch ein Wort hinzuzufügen.

      „Er wurde getötet von seiner eigenen Frucht. Seine Tochter war es, die ihn besiegte.

      Die Herrscherin der Dämonen!“

      Es war als Belehrung Filors gedacht, doch der Name blieb wie ein Fluch im Raum stehen.

      Zu viel hatte man schon von den erschreckenden, schier unendlichen Mächten dieser Kreatur gehört.

      Von ihrer Unbarmherzigkeit, Unbesiegbarkeit. Alles Dunkle und Böse sollte in ihren Händen liegen, nach ihren Launen tanzen.

      Ja, sie hätte genug Macht, ihnen diesen Fluch zu schicken – und auch genug Bösartigkeit.

      Doch wie sollte man gegen ein Wesen solcher Macht vorgehen? Was hatte man gegen es in die Waagschale zu werfen?

      Das war diesmal nicht nur den Gelehrten präsent, auch die Krieger sahen betreten in die Runde.

      Ein aussichtsloser Kampf mit vielen Opfern tat sich vor ihnen auf.

      Es war Log, der das Schweigen brach und abermals das Wort ergriff. Seine Augen flackerten unruhig, die Stimme war gezwungen ruhig, aber er sprach fest und voller Überzeugung.

      „Also gut, wenn es uns bestimmt ist unterzugehen, dann werden wir es sicher nicht kampflos und feige tun.

      Was wissen wir über die Dämonenherrscherin, außer dass sie ihren Vater ermordete?“

      „Sie zog einen Elf in ihren Bann!“ Dieser Ausruf stammte von einem älteren Krieger, der, stolz ob seines Wissens, sich aufplusternd in Pose warf und Beifall heischend in die Runde nickte. Allerdings erntete er von den Gelehrten nur einen verächtlichen Blick, einige lachten sogar kurz auf. In seiner Eitelkeit gekränkt, lehnte sich der Krieger steif in seinen Stuhl zurück, etwas von „Buchfressern“ murmelnd.

      Die Buchfresser ignorierten ihn, denn Satys erhob sich von seinem Platz. Er wollte zu allen sprechen.

      „Wir reden hier nicht von irgendeinem Elf, den sie in ihren Bann gezogen hat, sondern von Gareth, dem ältesten Sohn Marianas, dem nachfolgenden Herrscher über das Elfenreich.

      Nachdem sie ihren Vater vernichtet hatte, entführte sie ihn und verschwand spurlos mit ihm.

      Man hat seitdem nichts mehr von ihnen gehört oder gesehen.

      Es heißt, sie lebe irgendwo versteckt in einer geheimen Stadt, die wohl in Geschichtsbüchern erwähnt wird, jedoch existieren keine Angaben über ihren Standort. Einzig eine Person aus dem Hohen Rat Paxias soll Genaueres wissen. Wer, ist unbekannt.

      Was aus Gareth geworden ist, bleibt unklar. Man vermutet, sie sei seiner überdrüssig geworden und hätte ihn in einen dunkelroten Edelstein gebannt, den sie um den Hals trägt.“

      „Schrecklich!“, entfuhr es einer noch sehr jugendlichen Gelehrten, die sich sofort duckte, als sie bemerkte, dass ihr Ausruf an aller Ohren gedrungen war.

      Diesmal waren es die Krieger, die über das offensichtliche Grauen des Mädchens ironisch grinsten. Die Gelehrten blieben ungerührt – bis auf den Ältesten.

      „Das Schreckliche liegt nicht in Satys Erzählung, Calyssa“, belehrte er sie und wartete, bis er aller Aufmerksamkeit gewiss war.

      „Das Schreckliche daran ist, dass das, was Satys uns berichtet hat, das Einzige ist, was wir über diese Geschichte wissen, obwohl sie in jüngerer Vergangenheit geschehen ist. Es liegt noch keine 250 Jahre zurück und dennoch schwebt ein Nebel über ihr, der keine Einzelheiten zuzulassen scheint.

      Oder ist jemand anders informiert?

      Kann jemand mehr Licht in unser Dunkel bringen?“

      „Wozu das Gerede um die Geschichte? Wir sollten endlich zu den Taten kommen!“ Der Krieger Ragor schlug mit der Faust auf den Tisch, dass alle konsterniert zu ihm sahen.

      „Wir sind bereit, der Feind ist bekannt. Wir sollten endlich losziehen und uns dem Kampf stellen. Wer kommt mit mir?“

      Die Krieger waren nun bedachter. Obwohl sie beifällig murmelten, sprang doch keiner auf.

      Niemand stimmte das Kampfgebrüll an. Sie waren verwirrt und unsicher. Doch diesmal nickte Satys bedächtig.

      „Ragor hat Recht. Es hilft nicht, weiter über Vergangenes zu philosophieren. Mehr noch, es ist sinnlose Zeitvergeudung. Wir wissen nicht, was uns diese Dämonin noch antut. Wir müssen sie finden und versuchen zu vernichten, bevor sie es mit uns tut. Eine Gruppe Freiwilliger soll als Vorhut losziehen, ich selbst werde mitgehen, als Ratgeber auf der Suche nach unserem Feind.“

      „Was, wenn Ihr Euch irrt?“ Die klare junge Stimme durchbrach das zustimmende Gemurmel, bevor es sich zu einem Tumult entwickeln konnte. Alle Gesichter wandten sich der Gelehrten zu, die viel zu jung wirkte, um so nahe am Kopf zu sitzen. Sie schien der Jugendzeit noch nicht lange entwachsen. Ihre Augen blitzten herausfordernd, während sie die Wächter einen nach dem anderen musterte.

      „Was hast du zu sagen, Saya?“ Satys war