Laura Feder

Die Kinder Paxias


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ging sie auf Satys Aufforderung ein.

      „Eine ganze Menge habe ich zu sagen, denn du – ihr alle – habt das Wichtigste aus den Augen verloren.“

      Sie ignorierte das verärgerte Getuschel, das ihrem Vorwurf folgte und erhob sich stattdessen, ihr Gesicht den Älteren zugewandt.

      „Die Herrscherin der Dämonen kämpfte für die Paxianer, sie war auf der „guten Seite“ – wenn ihr es so nennen wollt. Sie hat nichts zerstört, sondern den ganzen Planeten gerettet und niemandem, bis auf dem Volk ihres Vaters und ihrem Vater selbst, ein Haar gekrümmt. Sie hat dafür gesorgt, dass alle Paxianer wieder ein freies Leben führen konnten.

      Und das Elfenvolk war nicht ihr Feind. Im Gegenteil, es unterstützte sie. Sie waren Verbündete.

      Nach ihrem Sieg verschwand sie zwar, aber es war nie die Rede davon, das fast gleichzeitige Verschwinden des Elfen Gareth mit ihr in Verbindung zu bringen. Das ist reine Interpretation von euch, weil es gerade in den Plan passt, aus ihr den Sündenbock zu machen. Sie ist nicht Feind, wenn sie etwas ist, dann sicher Freund.“

      Bevor Satys sie unterbrechen konnte, ergriff der Älteste das Wort.

      „Es ist gut, Saya, dass du die Geschichte versuchst so objektiv zu sehen, aber auch du übersiehst etwas.“

      Sie sah ihn fragend, aber wenig überzeugt an. Allein das Wort „objektiv“ mit ihr in Verbindung zu bringen – gerade sie, die bekannt dafür war, sich nur von ihren Gefühlen leiten zu lassen – ließ in ihr den Eindruck entstehen, sie würde nicht ernst genommen.

      Die Hände zu Fäusten geballt wartete sie darauf, dass er fortfuhr.

      „Du hast übersehen, dass es die Mächte und Dämonen des Bösen sind, die sie beherrscht.

      Mochte sie vor der Ermordung ihres Vaters ein reines Herz gehabt haben – danach hatte sie es sicher nicht mehr, denn es wurde mit schwarzem Blut bedeckt. Und wie sollte sie, unter diesen Voraussetzungen, ihrer eigenen Macht, die aus ihrem Inneren kam, widerstehen?

      Was hatte sie sich selbst entgegenzustellen?“

      Wenn Saya sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann ließ sie nicht davon ab, bis das Gegenteil bewiesen war. Und diesmal war sie vom Guten in der Herrscherin der Dämonen überzeugt. Was zur Folge hatte, dass sie den unleugbar logischen Einwänden des Ältesten keine besondere Beachtung schenkte.

      Doch sie wusste, mit ihren Argumenten kam sie im Augenblick nicht weiter. Die Krieger sammelten sich auch weiterhin um Satys. Also änderte sie ihre Taktik.

      Verdammt, wie sie Diplomatie hasste!

      „Mal angenommen, ihr alle habt Recht, dann braucht ihr erst recht nicht in den Kampf zu ziehen, denn es gibt auch eine Sache, die ihr übersehen habt …“

      „Was sollen wir deiner Meinung nach übersehen haben, Saya?!“, rief Log aufgebracht über ihre arrogante Sprechweise, die sie alle dastehen ließ wie unwissende Eleven, denen der Verstand eingeschlafen war.

      Sie bestätigte diesen Eindruck noch, indem sie sich nicht mal die Mühe machte, sich ihm zuzuwenden. Sie stand auch weiterhin mit dem Rücken zu ihm, nur zu den Älteren sprechend.

      Zähneknirschend musste er sich diese Behandlung gefallen lassen, die ihn seines niederen Ranges gemahnte.

      „Die Herrscherin der Dämonen ist unbesiegbar, denn sie ist, wie auch ich, unsterblich. Man kann nichts gegen sie ausrichten, als sie höchstens schwächen.“ Mit einem leisen, triumphierenden Lächeln musterte Saya die plötzlich stille Runde, während sie sich langsam wieder auf ihren Platz setzte.

      Eine gewisse Hilflosigkeit lag auf den Mienen von Kriegern und Gelehrten.

      Unsterblichkeit – diesen Faktor hatten sie in der Tat bisher noch nicht berücksichtigt.

      Jene Eigenschaft, mit der nur ein einziges Wesen jedes Volkes geehrt wurde. Ein Wesen, welches ihr auch gerecht werden konnte, welches dafür sorgen musste, dass seine Art fortbestand, welches die innere Kraft besaß, mit ihr umgehen zu können, sie zu lieben und niemals zu verdammen.

      Denn diese Eigenschaft führte dazu, dass man zu einem unbekannten Zeitpunkt nach dem Auswachsen aufhörte zu altern.

      Warum dies so war, wusste keiner genau. Allerdings existierten viele Vermutungen, die sich auf die Fruchtbarkeit bezogen. Vermutungen, über die sich Saya keine Gedanken machen wollte – noch nicht. Es war nur ein weiteres Geheimnis, das um die Sagenwesen gesponnen worden war und noch nicht enträtselt worden war.

      Für den Augenblick wollte sie die Verwirrung der anderen nutzen.

      „Ich finde, wir sollten, bevor wir sie zu unserer Feindin erklären, besser darüber nachdenken, ob sie als Verbündete nicht nützlicher wäre. Denkt an ihre Macht.“

      Sie blickte in teils zweifelnde, teils nachdenkliche, aber auch in erboste Gesichter. Ihr Hauptaugenmerk, der Älteste, kratzte sich sinnend den Bart und blickte ihr durchdringend in die Augen. In seinen eigenen blitzte es undefinierbar. Ein ungutes Gefühl machte sich in ihr breit, das sie aber schnell beiseite drängte. Für so etwas war nun keine Zeit.

      Endlich, nach einer scheinbaren Ewigkeit, richtete er sich in seinem Stuhl auf.

      „Die Herrscherin der Dämonen muss gefunden und von unseren Absichten überzeugt werden. Wer würde diese Aufgabe übernehmen?“

      Sie hatte gewonnen, voll inneren Jubels sprang sie auf. „Ich kann sofort aufbrechen!“

      Er sah sie nur kurz an, dann nickte er.

      „Also gut, Saya, wir erwarten, dass du deine Mission so schnell als möglich erfüllst.

      Wir anderen werden unsere Runde fortsetzen und nach dem Feind suchen. Ich hoffe, wir treffen uns im Schein unserer Schützlinge wieder. Viel Glück auf deinem Weg, Gelehrte Saya.“

      „Aber …!“ Log und Satys waren gleichzeitig empört hochgefahren, als sie die Worte des Ältesten hörten. Sie konnten nicht glauben, dass Sayas Worte genug Gewicht hatten, dass der Älteste für sie alle diese Entscheidungen getroffen hatte, die doch von hoher Bedeutung für ein ganzes Volk waren.

      Dieser hob mit mahnendem Blick die Hand und verbot ihnen damit das Wort. Es war totenstill, als er sich wieder Saya zuwandte.

      „Geh jetzt, Mädchen, du weißt, wie du nach Paxia kommst. Ich werde den Transferturm aktivieren. Er wird dich an einen unbestimmbaren Ort auf Paxia bringen, an dem dich keiner beobachten kann, so dass deine Ankunft für alle unbekannt bleibt.

      Und denke immer daran, für die Paxianer bist du nur ein Sagenwesen, etwas, von dem sie nicht wissen, dass es existiert. Also gib dich möglichst nicht zu erkennen.“

      Sayas einzige Reaktion war ein Nicken, dann lief sie aus dem Saal. Sie wollte ihm keine Möglichkeit geben, seine Meinung zu ändern. Dies war nun ihre Mission.

      Endlich würde sie die Welt, deren Sagen sie studiert hatte, kennenlernen. Endlich mit eigenen Augen sehen, was wahr und was erfunden war. Sie wollte den Nebelschleier von den Sagen nehmen, sie entmythologisieren, die Geheimnisse ergründen, die Orte erforschen, die sie nur aus Büchern kannte. Und diese Mission bot ihr die einmalige Möglichkeit dazu.

      Sie würde mit der Herrscherin der Dämonen reden, würde Dinge erfahren, die nicht auf totem Papier verewigt worden waren.

      Sie spürte ihr Herz schneller schlagen, fühlte das Adrenalin durch ihre Adern jagen. Alles war herrlich lebendig in ihr.

      Und Paxia wartete auf sie.

      Die anderen Wächter beobachteten ihren Abgang, die meisten mit fassungslosen Gesichtern.

      Nur Satys konnte nicht ruhig bleiben.

      „Also, wenn ich mir erlauben darf zu bemerken …“ Man merkte ihm deutlich an, dass er den Ältesten nicht mehr für zurechnungsfähig hielt.

      Und er wurde abermals von diesem unterbrochen.

      „Hat noch jemand von euch gehört