Oliver BERNARDI

Keine Elche in Schweden


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Sie hatte uns eingeladen und wollte mit ihrer Kreditkarte, bislang hatte sich noch keine Gelegenheit ergeben, Bargeld in Landeswährung abzuheben, bezahlen. Aber die Karte wird aus unerfindlichen Gründen nicht akzeptiert. Kein Problem sag ich, ich zahl mit meiner EC-Karte. Leider gleiches Spiel.

      Offensichtlich scheint etwas mit dem Kartengerät nicht zustimmen. Bereits beim Bezahlvorgang mit der Kreditkarte zeigt das Display die Aufforderung an, eine Servicenummer in Norwegen (dort sitzt die Betreiberfirma des Kartenlesegerätes) anzurufen. Gesagt getan, also die Eisverkäuferin (eine ältere Dame mit einem lustig gebundenen Kopftuch, so wie die Klementine von der Waschmittel-Werbung aus den Siebzigern), denn ich kann weder schwedisch lesen noch norwegisch sprechen; Haken an der Sache, die Servicenummer ist nur bis 16 h erreichbar. Überflüssig zu erwähnen, dass der große Zeiger auf dem Zifferblatt bereits die 8 in der 16ten Stunde des Tages anzeigt. Ach übrigens, in dem kleinen Örtchen gibt es natürlich auch keinen Geldausgabeautomaten.

      Jetzt stehst Du da, kein Bargeld, die Karten funktionieren nicht, das Eis ist quasi aufgegessen und die arme Frau tut uns total leid. Sie nimmt die Schuld voll auf sich, sagt es sei unser Glückstag und das Eis ginge auf’s Haus. Unter ausführlichen Dankes- und gleichzeitigen Bedauerungsbekundungen ziehen wir von dannen, fühlen uns alle aber gar nicht wohl mit dieser Lösung. Dann kommt Nina der rettende Gedanken - wir könnten doch mit Euro zahlen - oh man, da hätten wir auch früher draufkommen können. Die Dame ist zu Tränen gerührt, als wir ihr die 170 Kronen (ca. 17 €, wir geben ihr 19) bezahlen. Mit einem guten Gefühl und dem festen Vorsatz, so schnell wie möglich schwedische Kronen zu organisieren, schlendern wir lächelnd zurück zum Campingplatz.

      21.05.19:

      Das Schöne am Camping… sobald das lokale Wetter es aus meteorologischer Sicht zulässt, also die Temperaturen wenigstens knapp über dem Nullpunkt liegen, kein Niederschlag stattfindet und auch der Eintritt eines solchen Ereignisses in den nächsten Minuten nicht mindestens mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist und sich dann auch noch die Windgeschwindigkeit unterhalb orkanartiger Böen hält, gibt es keinen plausiblen Grund, nicht im Freien die Mahlzeiten einzunehmen. Bei 14 Grad und Sonne ist es quasi ein Muss - und so genießen wir unser Frühstück heute outdoor.

      Da besagter Niederschlag heute erst ab frühestens 13 Uhr vorhergesagt ist, entscheiden Rainer und ich die Fahrräder, deren Halterungen uns schließlich schon genug Ärger eingebrockt hatten, von selbigen zu nehmen und das Naturreservat mit dem Drahtesel zu erkunden.

      Den Weg bis zum Hafen von Mölle kannten wir ja bereits vom Vortag. Die Eisbude lassen wir allerdings im wahrsten Sinne des Wortes links liegen und biegen an besagter Stelle rechts ab. Die vor der Tür stehende Hauptsaison wirft ihre Schatten voraus. Fleißige (vermutlich) Mitarbeitende der Gemeinde (m/w/d), um den Gleichstellungsanforderungen der Europäischen Union zu genügen, pflastern Gehwege neu, bepflanzen Beete und legen Rollrasen. So erhält dieses ansehnliche Küstenörtchen binnen kurzer Zeit ein noch schöneres Gesicht und macht sich bereit für die Besucher und Touristen von fern und nah.

      Der erste Versuch den Endpunkt dieser Landzunge auf Höhe des Wassers über einen Wanderweg zu erreichen scheitert aufgrund der Oberflächenbeschaffenheit des Terrains, die für die Nutzung mit Fahrrädern einfach nicht vorgesehen ist. Also Kehrtwende und über den asphaltierten Weg hinein in das Naturreservat. Was genau diesem Stück Wald letztlich den Status des Reservates zubilligt, erschließt sich mir bis zum Verlassen dieses Gebietes nicht.

      Fakt ist - die Schweden sind eine Golfer-Nation! Das Land ist gepflastert mit Golfplätzen. Wie bereits erwähnt, verfügt sogar jeder Campingplatz, der was auf sich hält, über einen solchen 18-Loch (Mini-)Golfplatz! Selbst in dieser vermeintlichen Schutzzone für Pflanzen und Tiere wurde eine Fläche zur Ausübung dieser Sportart eingerichtet und ich sage euch, DEREN Nutzer reisen NICHT mit dem Fahrrad an!

      Nach einer kurzen Rast an dem erhofften und letztlich auch erreichten Ziel unseres Ausfluges, dem Leuchtturm an der Spitze der Landzunge, pedalieren wir entspannt zurück zu den Wohnmobilen. Bei unserer Rückkehr hat es 20 Grad und Sonne - von wegen Regen?!

      Diese unerwartete Fügung des Wetters nutzt der Papa zum Abhängen mit Luki auf der Picknickdecke. Nee wat schön! Einfach mal 1 Stunde relaxen und nichts tun außer Türmchenbauen und Kuckuck-spielen.

      Da wir noch eine weitere Nacht auf diesem Platz verbringen, und damit die standardmäßig mit der An- und Abreise verbundenen Aktivitäten sowie der Ortsverlagerung von A nach B quasi ausfallen, verlängert sich die gefühlte Lebenszeit an diesem Tag enorm. Das sollten wir häufiger tun!

      P.S.: Noch ein kurzer philosophischer Exkurs - best things in life are the simple things. Keine Widerrede! Aber es sind genau diese „simple things“, die auch mal meine Stresshormone in Action bringen können. Zum Beispiel diese „einfache Sache“, nach dem Entnehmen der vollen Mülltüte nicht unmittelbar wieder einen neuen Beutel in das Behältnis einzusetzen! Allein der Gedanke löst schon erhöhte Herzfrequenz bei mir aus. Wenn dann noch der Umstand hinzukommt, dass man gerade beide fettverschmierten Hände voll mit Abfall hat, es noch schafft, auf einem Bein balancierend mit dem anderen Fuß den Deckel des an der Innenseite der Wohnmobileingangstür angebrachten Unratbehältnisses aufzustoßen, um festzustellen, dass der- oder vielleicht doch diejenige (?), die zuvor die volle Tüte entnommen hatte, es interessanterweise geschafft haben muss zwar einen neuen, noch zusammengefalteten Müllbeutel über den Rand der Befestigungsvorrichtung gelegt zu haben, es aber aus unerfindlichen Gründen NICHT mehr schaffte, diesen Beutel ordnungsgemäß auch einzusetzen, dann ist der Punkt erreicht, dass neben erhöhtem Blutdruck, auch Adrenalin, Noradrenalin und Kortison in vermehrtem Maße bei mir ausgeschüttet werden und es quasi reflexartig zur Äußerung von verbalen Unmutsbekundungen kommt und dies, dass ist der Italiener in mir, durch entsprechende Gestik und Mimik noch untermauert wird!

      Hatte ich eigentlich schon mal erwähnt, dass ich ein Riesen-Fan von Schachtelsätzen bin?

      Wenn dann noch Angelika versucht mich davon zu überzeugen, dass so etwas vorkommen könne und sie das „manchmal“ auch so handhabe, mir damit schlagartig klar wird, woher Nina diese „Vorgehensweise“ hat und dann Rainer noch mit dem Kommentar um die Ecke kommt, er könne gar nicht verstehen, warum ich mich über eine solche Kleinigkeit so aufrege, das wäre es ihm gar nicht wert (das ist also sein Geheimnis der erfolgreichen Eheführung) und ich ihm insgeheim sogar recht geben muss, DANN ist der Moment gekommen, wo ich einfach nur noch eins möchte - allein sein!

      So, der musste jetzt noch raus! Hilft ja angeblich, wenn man drüber redet! (Gröhl!)

      P.P.S.: Ich habe mir die Veröffentlichung dieses post scriptums vom Familienrat absegnen lassen! ;-)

      22.05.19:

      11 Uhr ist unsere Zeit - nach den bisherigen Erfahrungen kristallisiert sich dieser Zeitpunkt als günstiger Startpunkt für die Weiterreise heraus. Auf den meisten Plätzen ist diese Uhrzeit ohnehin als „Check out time“ vorgesehen und diese Zeit bietet sich wunderbar für Luki’s 1. Schlaf nach dem Aufstehen an; positiver Nebeneffekt - schlafendes Kind, entspanntes Fahren. Mit jedem Tag mehr frag ich mich allerdings, was um alles in der Welt machen wir eigentlich in der Zeit von 6 h, manchmal auch schon 5 h, wann der kleine Prinz halt so die Nacht für beendet erklärt und dem Umdrehen des Zündschlüssels für die Weiterfahrt? Und mit jedem Tag mehr fällt mir auf, dass wir gefühlt die Hälfte dieser Zeit mit dem Wickeln und Frischmachen unseres kleinen Wonneproppens beschäftigt sind. Ich will jetzt gar nicht darüber sinnieren, von wem er die Verdauung geerbt hat, nur so viel sei verraten, von der Mama nicht, aber was dieses 11 Monate junge Geschöpf in der Lage ist aus hochmolekularen Kohlenhydraten, Fetten und Eiweißen durch Hydrolyse in niedermolekulare Verbindungen zu spalten, ist schon mehr als beachtlich. Leute, was der da in die Windeln haut - Respekt! Was die ganze Sache delikat macht, neben dem Umstand, das höchste Ansprüche an die eigene Körperbeherrschung, den Brechreiz zu unterdrücken, wenn man mit diesen Bildern und Gerüchen morgens um 5 h auf nüchternen Magen konfrontiert wird, ist die Tatsache, dass unser Junior momentan eine Phase auslebt, in der er auf so ziemlich alles scharf ist, außer gewickelt zu werden! Er zappelt, schreit, dreht