S. N. Stone

Hinter der Lüge


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machte große Augen, man, was für ein Körper. Ihr Blick glitt eigentlich ganz unbeabsichtigt an ihm herab. Er hatte noch weitere Tätowierungen. Sie fing sich wieder, schließlich war sie nicht hier um ihn anzugaffen, sondern um ihm die Meinung zu sagen.

      Sie schluckte und versuchte mit fester Stimme zu sprechen: „Wie oft soll ich Ihnen noch sagen, dass Sie bitte nicht in meiner Einfahrt zu parken haben? Ihre offensichtliche Gleichgültigkeit diesbezüglich sucht seinesgleichen!“

      Er legte den Kopf in den Nacken und grinste, was auch sonst?

      „Moment“, sagte er und verschwand nach oben.

      Als er kurz darauf wieder herunterkam, war er angezogen. Gemeinsam gingen sie zu seinem Auto. „Nen Date?“, fragte er.

      „Wie bitte?“

      „Hast du nen Date?“, fragte er erneut, so als würde er denken sie hätte ihn nicht verstanden, hatte sie aber, aber sie wollte mit ihrer Nachfrage eigentlich signalisieren, dass ihn das wohl nichts anzugehen hatte.

      Da er das nicht verstand, sagte sie unfreundlich: „Ich glaube das ist meine Angelegenheit.“

      Er fuhr den Wagen weg und sie konnte endlich los.

      Jan hatte das Auto absichtlich dort abgestellt, so war er sicher, dass er mitbekam, wenn sie wegfuhr. Die ersten Male war es wirklich unbeabsichtigt gewesen, also besser gesagt war das mega Schlagloch der Grund gewesen, weshalb er sich dort hingestellt hatte. Nun war es für ihn eine Möglichkeit sie nicht aus den Augen zu verlieren. Als sie fast am Ende der Straße angekommen war, fuhr er ihr hinterher.

      Anne traf sich mit Ingrid bei einem Griechen in Oldenburg. Ihre alte Schulfreundin hatte sie am Nachmittag angerufen und gefragt, ob sie heute nicht das versäumte Essen nachholen wollten. Sie hatte sich noch einmal dafür entschuldigt, dass es beim letzten Mal nicht geklappt hatte, eines ihrer Kinder war krank geworden und so hatte sie absagen müssen. Anne freute sich, auch darüber, dass es einen triftigen Grund gab, warum es das letztens nicht funktioniert hatte.

      Bei der Vorspeise, gegrilltem Schafskäse mit geröstetem Brot, unterhielten sie sich angeregt über vergangene Tage. Der Wein war gut und die Erinnerungen an die Schule wurden von Erlebnissen der vergangenen Jahre abgelöst. Ingrid war verheiratet, lebte mit ihrem Mann und den drei Kindern hier in Oldenburg und war sehr zufrieden. Anne hielt sich ein wenig bedeckt. Sie erzählte von Berlin, ließ aber Alex aus. Es hatte große Zeitungsberichte über die Festnahme von Alexej gegeben, ihr Name war nirgends aufgetaucht, zu ihrem Schutz.

      Annes Blick glitt durch den Raum und sie glaubte ihr Herz würde stehen bleiben. So eine bodenlose Frechheit! Der Mann, der gerade in Begleitung einer ziemlich aufgetakelten Frau hereinkam, war ihr Nachbar.

      „Du sag mal, ist das nicht Kathrin?“, flüsterte Ingrid ihr zu und deutete auf die beiden.

      Anne nickte nur, zu mehr war sie nicht fähig, zu sehr war sie empört über die Tatsache, dass er schon wieder genau dort war, wo auch sie war. Er schaute kurz zu ihr herüber und setzte sich mit Kathrin an einen Tisch.

      Was für ein genialer Zufall. Diese nervige Maklerin hatte ihn angerufen, kurz nachdem er in Oldenburg angekommen und Anne Svenson bis zu diesem Lokal gefolgt war. Sie hatte sich mit ihm treffen wollen und er hatte die Gunst der Stunde genutzt und erklärt, er sei gerade in Oldenburg und wolle vielleicht noch etwas essen gehen. Sie war zu ihm gekommen. Na wenigstens wusste er jetzt wieder wie sie hieß, Katja, oder so ähnlich.

      „Sie wohnt ja wohl hier in der Nähe“, fuhr Ingrid fort, „und ist verheiratet. Ihr Mann soll eine Menge Geld haben, macht in Immobilien.“

      Anne konnte den Blick nicht von den beiden abwenden.

      „Nett anzusehen, der Typ, den sie dabei hat.“

      Anne verdrehte die Augen. Nett anzusehen, vielleicht, aber frech und ungehobelt und arrogant.

      „Ob sie was mit dem hat? Man munkelt ja, dass sie es nicht so ernst nimmt mit der Treue. Naja, ihr Mann ist zwanzig Jahre älter als sie, vielleicht braucht sie es ja.“

      Ingrid kicherte und der Kellner kam mit den Hauptspeisen.

      „Sie ist immer noch genauso überheblich wie damals in der Schule“, sagte Ingrid, während sie sich ein Stück Fisch in den Mund schob und einen abfälligen Blick auf Kathrin warf. „Guck sie dir an, dieses falsche Lächeln“, sie schüttelte den Kopf.

      Anne versuchte nicht rüber zu schauen, tat es aber doch. Kathrin turtelte, was das Zeug hielt. Sie konnte zwar nicht verstehen, worüber sich die beiden unterhielten, aber ihre ganze Körpersprache deutete darauf hin, dass sie ihrem Nachbarn ziemlich zugetan war.

      „Weißt du noch, wie sie beinahe geweint hat, als ihr im Chemieunterricht ein Nagel abgebrochen ist? Und diese doofe Elke und diese abscheulich eingebildete Charlotta ihr zu Hilfe geeilt sind und überlegt haben, ob sie sie in den Krankenraum bringen.“

      Ingrid lachte leise auf und auch Anne musste bei dem Gedanken daran lächeln.

      „Der Mann, mit dem sie hier ist, ist mein Nachbar“, flüsterte Anne ihr zu.

      Ingrid machte große Augen. „Ehrlich, und?“

      „Was und?“

      „Naja“, druckste ihre Freundin herum, „du bist doch ungebunden.“

      „Und das soll auch so bleiben“, antwortete Anne brüskiert. „Außerdem ist er gar nicht mein Typ.“ „Ach nicht?“, fragte Ingrid lächelnd und der Schalk blitzte in ihren Augen auf. „Anne, genieße das Leben, irgendwann sitzt du mit nem Mann und nem Haufen Kindern in nem Einfamilienhaus und legst Wäsche zusammen“, sie zwinkerte ihr zu.

      Um Gottes willen, niemals! Und ganz gewiss nicht mit ihm!

      „Wirst du jetzt hier bleiben?“, fragte Ingrid nun wieder ernst.

      „Ich weiß es nicht genau. Ich habe noch etwas in Berlin zu erledigen, danach werde ich mich entscheiden.“

      „Du arbeitest mit dem alten Sanders zusammen, stimmts?“

      Anne nickte.

      „Und wie ist er so?“

      „Er ist sehr nett, seine Frau auch, sie ist unsere Sekretärin.“

      Der Job war gut und Herr und Frau Sanders waren auch die einzigen, die Bescheid wussten über das, was in Berlin geschehen war. Anne war froh hier sofort Arbeit gefunden zu haben, das lenkte sie ab. Und sie hatte das Angebot auch weiterhin dort arbeiten zu können und sogar das Geschäft zu übernehmen, wenn Herr Sanders sich zur Ruhe setzte. Die Sanders hatten in der kurzen Zeit so etwas wie die Rolle von Eltern für Anne übernommen.

      Zu ihren Eltern hatte sie wenig Kontakt. Sie lebten mittlerweile in Hamburg und kümmerten sich kaum um sie. Geschwister hatte Anne nicht und auch zu weiteren Verwandten bestand so gut wie kein Kontakt. Ihr wurde bewusst, dass sie ziemlich alleine war und freute sich umso mehr über das Treffen mit Ingrid und das der Abend wirklich sehr nett und lustig war, bis auf…

      Er hatte ihr zugezwinkert, als sie hinausgegangen waren. Mit dem Versprechen sich recht bald wiederzusehen, verabschiedeten sich die beiden Freundinnen schließlich voneinander und Anne fuhr nach Hause.

      ***

      Jan hatte Anne Svenson nicht den ganzen Tag beobachtet. Sie war zum Büro gefahren, er hinterher, und dann war sie nicht mehr herausgekommen. Er hatte sich erkundigt und die Information erhalten, dass sie keine Außentermine hatte. Wie auskunftsfreudig die Frau am Telefon doch gewesen war. Kurz entschlossen war er zu einem großen Möbelhaus gefahren und hatte sich einen einfachen Sessel mit Holzgestell zum selber zusammenbasteln geholt, einen Couchtisch und einen kleinen Fernseher. Zur Not würde er die Sachen hier lassen, wenn er wieder zurück nach Berlin ging. So wie die Vormieterin ihm die Kaffeemaschine und die Mikrowelle hinterlassen hatte, würde er dann seine Sachen hier lassen und irgendwann würde irgendein Mieter ein vollständig eingerichtetes Haus haben, dachte er schmunzelnd.

      Jan