R.J. Simon

Schaaf ermittelt


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Seite wurden Mauern hochgezogen, sodass die Zimmer und das Bad entstanden. An der gegenüberliegenden Wand entstand auf der gesamten Länge von fast 30 Metern ein Flur.

      Im vorderen Bereich kam man beim Eintreten zunächst in eine Empfangshalle, deren raue Felswände bis an die gewölbeähnliche Decke ragten. Man fühlte sich dort wie in einer Ritterburg. Die Räume waren recht weitläufig und das Bad erfüllte alle Wünsche, die ein luxusverwöhnter Mensch erwartete. Die Belüftung im Innern wurde durch ein ausgeklügeltes System geregelt. Das Klima im Tunnel war sehr angenehm und man spürte nicht den geringsten Lufthauch der Klimatisierung. Beheizt wurde durch Fußbodenheizung, sodass auch kein Gefühl der Kälte von unten aufkam. Die Beleuchtung, mit modernster LED-Technik, teilweise indirekt, ließ das fehlende Tageslicht nicht missen.

      Seine Gattin sagte immer, wenn ihre ungewöhnliche Behausung zur Sprache kam: "Ich habe eine Traumwohnung, denn ich brauche nie ein einziges Fenster zu putzen!"

      Der Eingang der riesigen Bohrung hatte Schaaf durch ein mächtiges Tor verschließen lassen, auf dessen Seiten Säulen ein Sims trugen, das eine Fensterfront darüber begrenzte. Der Eingangsbereich mutete an wie eine Mischung aus dem Tor einer Burg und dem Portal eines prachtvollen Jugendstilbaues. Alles passte zusammen und wirkte abgerundet in sich stimmig.

      Dieses Kleinod am Rande des Odenwalds bildete also die Rückzugsstätte von Kriminalhauptkommissar Schaaf. Dort drinnen vergaß er die Brutalitäten und Perversitäten, die sein Beruf täglich mit sich brachte, weil sie durch das massive Tor ausgeschlossen wurden. Wenn dieses zufiel, tauchte Kriminalhauptkommissar Schaaf in seinen kleinen stillen heilen Kosmos ein, und das Ungemach der ach so modernen und aufgeklärten Welt blieb draußen.

      Um ihrem Mann den Tagesausklang angenehmer zu gestalten, ließ ihm seine Frau ein schönes heißes Bad ein. Dort in der Wanne beim langsamen Einweichen und bei klassischer Musik, die ihn zusätzlich entspannte, durchdachte Kriminalhauptkommissar Schaaf die anstehende Entscheidung. Ein Ja oder Nein würde er aber trotzdem erst am nächsten Morgen geben können. Seine Lebenserfahrung lehrte ihn, dass solche Entscheidungen, nachdem man eine Nacht darüber geschlafen hatte, leichter und vor allem überdachter fielen.

      Seine Gattin war am nächsten Morgen die erste, die seine endgültige Entscheidung erfuhr. Sie hatte das Frühstück bereits aufgetischt, als Schäfchen aus dem Bad kam und erwartete ihn.

      "Hast du gut geschlafen?"

      "Ja, tief und fest. Ich habe mich entschieden. Ich werde den Austausch mitmachen. Das ist sicherlich nichts Schlechtes."

      "Das freut mich für dich! Du wirst sehen, es wird dir gefallen und guttun."

      "Ich glaube auch, dass du mit deiner Einschätzung richtig liegst. Das wird sicherlich eine Erfahrung, die ich nicht bereuen werde."

      "Da wird dein Chef sich aber freuen", spielte seine Frau im Spaß auf das zeitweise schwierige Verhältnis zwischen Kriminalhauptkommissar Schaaf und von Bredow an.

      Später im Dezernat dann, nachdem Schäfchen in seiner Abteilung die Arbeiten vergeben hatte und die gerade aktuellen Ermittlungen und der Verwaltungskram im Gange war, ging er direkt zu seinem Vorgesetzten Herr von Bredow. Seine Sekretärin sagte, der Chef hätte gerade keinen Termin und Kriminalhauptkommissar Schaaf könne gleich zu ihm durchgehen. Sie meldete Schaaf an und er durfte eintreten.

      "Herr Schaaf, guten Morgen. Schön dass sie schon kommen", begrüßte der seinen Kriminalhauptkommissar wieder in scheinbar überschwänglicher Freude. 'Das hält scheinbar länger an' dachte sich Schäfchen noch. Denn das Freudestrahlen, wie sein Chef es am Tage zuvor schon zeigte, war für ihn unerklärbar und deswegen konnte er das nicht fassen.

      "Guten Morgen Herr von Bredow."

      "Nehmen sie Platz."

      Kriminalhauptkommissar Schaaf nickte nur. Das zweite Mal innerhalb von zwei Tagen, dass sein Chef ihm einen Platz anbot! Unheimlich!

      "Ich nehme an, sie haben sich entschieden?"

      "Ja das habe ich in der Tat", begann Schäfchen. "Ich denke ich werde diesen Austausch nicht ablehnen." In seinem Humor formulierte Schäfchen seine Antwort mit Bedacht so. Und es gefiel ihm zu beobachten, wie seinem Chef an der Stelle des 'nicht', nachdem er gekonnt eine winzige Pause einlegte, der Atem stockte. Er ging in diesem kurzen Moment von einer Absage aus. Schäfchen konnte es einfach nicht lassen.

      "Das freut mich Herr Schaaf", rief von Bredow sichtlich erleichtert aus.

      "Ich werde nun alles erledigen. Nachdem ich weiß, wohin sie unser kleines Experiment führen wird, buche ich die Bahn und das Hotel. Und wie versprochen: Alles erster Klasse!"

      "Danke, das ist prima."

      "Sobald ich die Einzelheiten kenne, werde ich sie ihnen selbstverständlich gleich mitteilen. Ich hoffe sie vertreten die deutsche Kriminalpolizei angemessen und würdig!"

      "Ja sicher, ich werde ihnen keine Schande bereiten."

      War vielleicht das der Hintergrund, dass von Bredow unbedingt Schaaf für das Projekt gewinnen wollte? Traute er keinem der anderen Kollegen, die zu von Bredows Mannschaft gehörten zu, dass sie sein Dezernat würdig vertraten?

      Schober, der kurz vor der Rente stand und noch eigensinniger als Schaaf war. Der Oberkommissar Talbach, der sich mit über 50 aufführte wie ein Abiturient. Nur auf seinen Spaß aus war und obendrein dem Alkohol gerne zusprach und offensichtlich einen ausschweifenden Lebenswandel führte. Oder Riegermann, der für seine cholerische Art bekannt war. Schimmelbusch, der zwar fast so oft wie Schaaf die goldene Lupe gewann, aber im Umgang mit Menschen egozentrische Charakterzüge aufwies.

      Anhand dieser Überlegungen glaubte Kriminalhauptkommissar Schaaf den Grund für das ungewohnte Verhalten seines Chefs gefunden zu haben. Fachlich waren all seine Kollegen sehr gut. Aber wenn sie in den Augen von Bredows natürlich das Dezernat, also auch von Bredow persönlich, und somit die gesamte deutsche Polizei vertraten, wurde die Auswahl des Chefs stark eingeschränkt.

      "Werde ich da eigentlich alleine fahren, oder geht einer meiner Männer mit?"

      "Ich hätte sie gerne mit einem ihrer Männer fahren lassen. Aber das ist leider nicht gewünscht. Vielleicht befürchten unsere Politiker, dass dann die deutschen Zweierteams Alleingänge starten, ohne die französischen Kollegen. Keine Ahnung, aber es soll definitiv immer nur ein Mann ausgewählt werden."

      "Schade. Bert hätte ich da gerne dabeigehabt."

      "Ja ich weiß, dass sie und Bert Schäfer schon ihre Ausbildung zusammen absolvierten und dass sie beide sich auch blind verstehen. Aber diesen Gefallen kann ich ihnen leider nicht erfüllen."

      "Da kann man nichts machen."

      "Herr Schaaf ich freue mich, dass sie die Herausforderung angenommen haben! Bert Schäfer soll sie selbstverständlich während ihrer Abwesenheit vertreten. Ich gebe ihnen umgehend Bescheid, wenn ich die genauen Daten habe."

      Von Bredow erhob sich, um Schaaf dankend die Hand zu schütteln, bevor der Kriminalhauptkommissar zurück an seine Arbeit ging. Der Händedruck und das Lächeln von Bredows wirkten in dieser Sekunde richtig echt. Keine Fassade wie er sie gewöhnlich für die Reporter auflegte, um den Schein zu wahren.

      Bei der Mannschaft von Schaaf rief die Nachricht geteilte Stimmung hervor. Alle freuten sie sich für ihren Chef, dass ihm diese Möglichkeit gegeben wurde. Aber: Sie wollten auf Schäfchen nicht gerne verzichten. Sie waren ein hervorragendes Team und er der Boss. Und wenn einer aus einer funktionierenden Gruppe fehlte, riss das eine Lücke. Auch wenn es der Chef war.

      Busch, der Assistent von Schaaf, schmerzte der anstehende Abschied schon im Voraus am meisten. Obwohl er noch nicht so lange zum Team gehörte und seinen Chef, Kriminalhauptkommissar Schaaf erst kurz kannte, konnte er seinen Kummer darüber kaum verbergen.

      "Was sollen wir, und vor allem ich, denn ohne sie machen?", fragte er mit einem hilflosen Unterton.

      "Busch, ihr seid auch ohne mich alle sehr gut und wisst was ihr zu tun habt. Es sind doch nur zwei Wochen! Sie werden in der Zeit Bert unterstützen. Bert ist auch grandios und sie werden sehen, dass