R.J. Simon

Schaaf ermittelt


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nur Strenge walten, wenn sie nötig war. Ansonsten war er permanent für die Belange seiner Männer da, half ihnen wo er konnte und ließ niemals einen von ihnen im Stich. Das wussten seine Leute und honorierten es mit Loyalität. Sie waren alle zusammen eine Familie die zusammenstand und immer eine Einheit bildete und Schaaf ihr Oberhaupt.

      "Bert halt mir die beiden Chaoten im Auge!"

      "Klar Schäfchen. Mach` dir keine Sorgen. Genieße deinen Trip an die Côte d' Azur und vergesse mal für ein paar Tage die Arbeit hier. Wir halten schon die Stellung."

      "Ich bin gespannt, was mich da erwartet."

      "Das wird sicherlich spaßig. Und zeig den Franzosen wie gut ein deutscher Kommissar ermittelt."

      "Na mal sehen. Ich werde da voraussichtlich nur passiv dabeistehen können."

      "Kommen sie wieder gesund fort und fahren sie gut heim", versprach sich Busch.

      In dieser Minute kündigte das leise Surren der Schienen den bereits angesagten ICE an, mit dem Schaaf die erste Etappe seiner Reise hinter sich bringen würde. Das bedeutete Abschied.

      "Mein Zug kommt", sprach Schäfchen, verabschiedete sich endgültig von seinen Männern und umarmte ein letztes Mal seine Frau herzlich, gab ihr einen Kuss und stieg dann in den Zug ein.

      "Gute Reise", rief Busch noch gegen den Lärm an und Frau Schaaf versuchte ihre Tränen im Zaum zu halten. Schneider und Bert hoben die flach ausgestreckten Handflächen zum Abschiedsgruß.

      Kriminalhauptkommissar Schaaf lief den Gang im Waggon des noch stehenden Zuges entlang, bis er sein gebuchtes Abteil fand und dort dann das Fenster öffnete, um seiner Frau und seinen Leuten zuzuwinken. Frau Schaaf winkte aus dem Handgelenk heraus, Schneider hob weiter grüßend die Hand und Bert zeigte ihm zum Lebewohl den erhobenen Daumen.

      Busch stand zwischen Bert und Schneider. Er riss die Arme nach oben, um sie, ausgestreckt weit über dem Kopf, zu schwenken. Dabei schlug er dann natürlich Bert und Schneider jeweils gegen deren Köpfe. Erst als Schneider seinem Kollegen mit der Schulter einen unsanften Rempler versetzte, bemerkte Busch, was er da trieb. Den Schubser, den der durchtrainierte Schneider seinem Kollegen verpasste, ließ den einen Schritt vorwärts taumeln, sodass der den körperlichen Hinweis unmöglich hätte übergehen können.

      Schaaf musste bei diesem Anblick trotz des traurigen Abschieds lachen. Typisch Busch. Er sah daneben seine Frau stehen, die ihm leidmütig nachwinkte, als der Zug Fahrt aufnahm, unaufhaltsam beschleunigte und Schaaf immer weiter von ihr weg beförderte. Nach der ersten langgezogenen Kurve verschwand seine Frau und das Team aus Schaafs Blickfeld. Er schloss das Fenster und machte es sich bequem. Schaaf befand sich alleine in seinem Abteil. Das gedämpfte Rattern des Fahrwerks ließ ihn müde werden und so nickte Schäfchen wenig später weg. Seine Kreuzworträtsel und das Buch mit den Sudoku- und Binoxxospielen, welche er für die lange Fahrt mitführte, kamen vorerst nicht zum Einsatz.

      Busch hätte ihm sicherlich wieder eine dieser neumodischen Apps auf das Smartphone laden wollen, wenn er die Leidenschaft Schaafs, Sudoku und Binoxxo zu spielen, erahnt hätte. Er wollte ihm in der nahen Vergangenheit schon verschiedene installieren von denen er glaubte sein Chef könnte ohne die nicht überleben. Einmal eine App, die die Mondphasen anzeigt und kurz vor dieser Reise eine um die Zugverbindungen anzusehen. "Wozu soll das gut sein?" fragte Schäfchen nach.

      "Wenn mit den Verbindungen etwas nicht so funktioniert können sie sich über Alternativen erkundigen."

      "Ich habe hier gültige Fahrscheine", hielt Schaaf seinem Assistenten die Tickets vors Gesicht. "Da steht alles drauf. Und wenn es Probleme mit einem Zug gibt, gehe ich einfach an die Information." Damit war die Sache für ihn abgehakt. Schaaf brauchte nicht für jede Bagatelle einen elektronischen Hilfsdienst. Er hatte es lieber mit Personen aus Fleisch und Blut zu tun.

      Als junger Mann gehörten für Busch diese kleinen Programme auf dem Alleskönner Smartphone zum normalen Lebensalltag. Es gab fast keinen Bereich, in dem Busch sie nicht einsetzte. Leider gab es allerdings keine App gegen Buschs Tollpatschigkeit.

      Schäfchen hasste hingegen diese hochmodernen und für ihn komplizierten Geräte. Er wollte lieber Papier in den Händen halten und mit einem ganz gewöhnlichen Kugelschreiber die Felder ausfüllen. Er mochte nicht ständig ein strahlendes Etwas aus Kunststoff und Metall in der Hand halten. Für ihn waren diese Smartphones gerade gut genug, um damit zu telefonieren. Selbst dabei verteufelte er sie, denn die Dinger klingelten grundsätzlich in den unpassenden Momenten.

      Sein Unterbewusstsein ließ Schäfchen rechtzeitig erwachen, als es nicht mehr lange bis zum ersten Zugwechsel war. So konnte er sich ohne Eile auf das Aussteigen einrichten und den Zug dann verlassen. In dem unbekannten Bahnhof fand sich Schaaf dennoch sofort gut zurecht und wechselte ohne Hetze zu dem Bahnsteig, auf dem der Zug für die zweite Etappe einfahren würde. Schaaf überlegte, ob er sich gleich noch einen Kaffee genehmigen solle, entschied sich aber dann dafür, im Zug den Speisewagen aufzusuchen. Der nächste Abschnitt umfasste annähernd fünf Stunden Fahrzeit. Dadurch blieb ihm reichlich Zeit und die Länge der Etappe konnte Schaaf sich derart versüßen. Wenn Schaaf auch gerne Leerlaufzeiten damit ausfüllte sein Gehirn zu trainieren, fünf Stunden ausschließlich zu rätseln fand er dann auch ein wenig überzogen. Einen verbissenen Rätselmarathon zu veranstalten entsprach auch nicht seinen Vorstellungen.

      Schäfchen liebte es seinen Geist zu trainieren. Er forderte sein Hirn gerne und trieb es, wann immer es ging, zu Höchstleistungen an. Das begann schon bei Telefonnummern, die er sich lieber merkte, als sie in seinem Handy abzuspeichern.

      Die Vorstellung, dass er irgendwann unkontrolliert sabbernd in der Ecke saß und nichts mehr registrierte, trieb Schaaf zum Wahnsinn. Nur als leere Hülle auf der Welt dahin zu siechen wollte er niemals erleben. Das trieb ihn an seinen Geist in Schwung zu halten.

      Außerdem brauchte er seinen Verstand für seinen Beruf ganz nötig. Nicht auszudenken, wenn ihm sein Gedächtnis oder gar sein logisches Denken verloren ginge. Schaaf brauchte den Überblick und musste gegenüber den Tätern gedanklich immer einen Schritt voraus sein. Alleine schon diese Tatsache trieb ihn ständig an Denksportaufgaben zu lösen.

      Seine Frau wusste Bescheid, dass wenn er in einen solch unmenschlichen Dämmerzustand verfallen sollte, sie alle lebenserhaltenden Maßnahmen ablehnen musste. Eine dementsprechende Patientenverfügung erstellten sie gemeinsam schon früh.

      So wie Schaaf es sich vornahm, setzte er es dann um. Er gönnte sich zunächst einen kräftigen Kaffee und verbrachte dann einen großen Teil der Reise in seinem Abteil mit den Rätseln. Zwischen einem Sudoku- mehreren Binoxxospielen und einem großen Kreuzworträtsel telefonierte er dann, um sich die Zeit weiterhin zu verkürzen, mit seiner Frau und anschließend mit Bert im Dezernat.

      Bert berichtete ihm, dass heute die Mitteilung kam, in der stand, wann der Prozess gegen den Halsschlitzer eröffnet werden würde. Die Anklage war erhoben und bald wird sich der Psychopath vor Gericht verantworten müssen. Wie Schaaf es versprach, fassten sie ihn noch bevor er jetzt nach Nizza aufbrach. Der Termin lag weit genug in der Zukunft, sodass Schaaf bis dahin längst wieder aus Frankreich zurück sein würde. Als leitender Ermittler wurde er zu dem Prozess ganz sicher als Zeuge geladen werden. Was ihn verpflichtete, ebenfalls vor Gericht zu erscheinen. Sonst gab es keine nennenswerten Neuigkeiten. Alles lief seinen normalen Gang und es gab keinen spektakulären Fall, bei dem die Anwesenheit von Schaaf dringend nötig gewesen wäre.

      „Mach du dir erst mal ein paar schöne Tage in Nizza“, sagte Bert zum Ende des Telefonats, um Schäfchen zu verdeutlichen, dass er sich keine Sorgen machen brauchte. Seine Abwesenheit dauerte ja erst wenige Stunden.

      Gegen Mittag nahm Schaaf im Speisewaggon ein leichtes Essen ein. Durch seinen Job war er es gewohnt kein üppiges Mahl in der Mittagszeit zu verzehren. Auf der Speisekarte fand er dann auch, worauf er Appetit hatte.

      Schaaf überbrückte so, mit dem Telefonieren, Rätseln und Essen, ganz erträglich die monotone Fahrzeit bis zum neuerlichen Wechsel der Strecke. Die Landschaften, die der Zug bis dahin durchfuhr, boten auch keine aufregenden Aussichten die Ablenkung geboten hätten. Entweder es ging durch grünes Gelände, was zwar schön aber nicht spannend