R.J. Simon

Schaaf ermittelt


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keine Trauermine aufsetzen", rief Schneider in die Runde in der sie zusammenstanden, als Kriminalhauptkommissar Schaaf seinen Männern von seinem Einsatz in Frankreich berichtete, "unser Chef ist nicht gestorben. Ihr stellt euch an wie Frauen!" ließ Schneider den harten Kerl raushängen.

      Kriminalhauptkommissar Schaaf grinste nur, denn er kannte seinen Schneider und wusste genau, dass der nicht so abgebrüht war, wie er sich gerne gab. Mit diesen Worten überspielte er nur seine eigenen Empfindungen gekonnt.

      "Genau Schneider. Ich bin ja noch da und ich kehre auch wieder zurück. Versprochen. Jetzt bleiben wir erst an den offenen Fällen dran und ihr bringt die dann ohne mich zu Ende. Der Überfall und die Prügelattacke sind ja schon aufgeklärt. Die könnt ihr bereits abschließen. Und den Halsschlitzer schnappen wir noch, bevor ich abreise."

      Den aktuellen Fall, den sie bearbeiteten, waren die Morde an Frauen, denen ein Irrer die Hälse in Streifen schnitt und sie damit zu Tode quälte. Für Kriminalhauptkommissar Schaaf eine harte Nuss, die er aber jetzt gerade knackte. Sie standen ganz kurz vor der Auflösung und mussten den Schuldigen nur noch überführen und ihm das Geständnis entlocken. Seine Identität stand fest und die Vorbereitungen, ihn dingfest zu machen, liefen gerade auf Hochtouren.

      Kriminalhauptkommissar Schaaf war dabei zum endgültigen Schlag auszuholen und war sich sicher das Geständnis zu bekommen. Die Akten für den Staatsanwalt fertig zu machen und dann zu schließen schafften seine Leute auch leicht ohne ihn. So konnte er dann auch ohne sich weiter mit dem Fall beschäftigen zu müssen abschalten und mit freiem Kopf nach Frankreich reisen.

      2.

      Um kurz vor 4.00Uhr morgens war es doch recht frisch zu dieser Jahreszeit. Meteorologisch befanden sie sich am Übergang vom Herbst zum Winter und die Nächte waren bereits länger und empfindlich kalt. Das wundervoll gefärbte Laub der Bäume lag längst schon als bunte Farbkleckse auf den Straßen verteilt, und die Autoscheiben zeigte sich am Morgen milchig vom Frost.

      Schaaf stand auf dem Bahnsteig des Mannheimer Hauptbahnhofs und wartete auf seinen ICE, der ihn nach Nizza bringen würde. Sein Chef buchte die erste Verbindung des Tages, damit die Reise des Kriminalhauptkommissars nicht noch eine Nachtfahrt beinhaltete. Die Reisedauer betrug, von Mannheim nach Nizza mit zwei Mal Umsteigen, fast 13 Stunden, sodass Schäfchen Nizza gegen 17.00 Uhr erreichte, wenn die Züge pünktlich waren und auf der Fahrt sowie beim Umsteigen alles glatt ging. Die Aufenthalte bei den Zugwechseln waren aber recht großzügig bemessen, sodass dabei nach aller Wahrscheinlichkeit nichts schiefgehen konnte. Nach der ersten Etappe blieben Schaaf 50 Minuten um den weiterführenden Zug zu erreichen und bei der zweiten sogar dreieinhalb Stunden.

      Seine Gattin begleitete Schaaf, um ihn auf dem Bahnsteig zu verabschieden. Sie ließ es sich nicht nehmen bis zur letzten Minute bei ihrem Mann zu sein. Ab dem Moment, wenn Schäfchen den Zug bestieg, würden sie sich die nächsten zwei Wochen nicht sehen. Zum Trost konnten sie nur telefonisch in Verbindung bleiben. Wenn Schaaf auch immer gegen die moderne Geisel der Menschheit, die Handys, schimpfte: Durch diese praktische Erfindung konnte er, wann immer er wollte, mit seiner Frau sprechen. Das musste er notgedrungen zugeben. Tat das aber nicht gerne.

      Frau Schaaf war es schon ein wenig wehmütig bei dem Gedanken des langen Abschieds. Natürlich kamen jeden Tag gemischte Gefühle in ihr hoch, wenn ihr Mann zu seinem gefährlichen Dienst ging. Obwohl Frau Schaaf wusste, dass ihr Mann immer vorsichtig war, einen unglaublichen Erfahrungsschatz und ein prima Team um sich herum hatte. Sein Job war nun mal riskant und es konnte täglich etwas Schlimmes geschehen. Und in den nächsten zwei Wochen lagen dann zudem noch 1000 km zwischen ihnen. Für eine besorgte Ehefrau eine ungeheure Distanz und quälende Umstände.

      Schaafs Frau versuchte sich ihre Ängste nicht anmerken zu lassen. Sie wollte ihren Mann nicht damit belasten, dass sie sich sorgte und ihn dadurch beeinträchtigen. Das gelang nicht immer, aber doch meistens. In den über 20 Jahren Ehe bekam sie schon eine gute Übung darin. Weil Schaaf seine Frau ebenso gut kannte, wie sie ihn, wusste er allerdings ganz genau, dass sie sich verstellte und nicht so entspannt war, wie sie sich gab. Sie hatten besprochen, dass Schaaf diesen Austausch mitmachen solle und nun war es eben so weit.

      Auf dem Bahnsteig tummelten sich zahlreiche Menschen. Es waren nicht wenige, die ebenfalls einen so frühen Zug nutzen wollten. Von der Kleidung und den eleganten Aktenkoffern her schloss Schaaf, dass es sich bei ihnen überwiegend um Geschäftsleute handelte. Sicherlich waren auch einige Menschen darunter, die eine private Reise antraten. So wie ein junges Pärchen in der Nähe, das mit großen Rucksäcken bepackt, ebenfalls auf den Zug wartete. Oder auch das Ehepaar mit dem etwas quengelnden Kind. Der Junge war sicherlich einfach nur müde.

      Bis auf die wenigen Lautsprecherdurchsagen, welcher Zug gleich auf welchem Gleis einfahren würde, herrschte in der frühmorgendlichen Stimmung überwiegend Stille. Die wartenden Leute verhielten sich alle ruhig und es gab auf dem Bahnsteig keine hektische Betriebsamkeit. Der ausgestoßene Atem wehte lautlos als graue Dampfwolke davon.

      Schaaf stand nahe bei seiner Frau und hielt sie für die letzten Minuten fest in seinem Arm. Schweigend warteten sie auf das Einfahren des Zuges, der Schaaf nach Frankreich bringen, und sie für diese ungewohnt lange Zeit trennen würde. In ihrer bisherigen gemeinsamen Ehe waren sie noch niemals über einen so langen Zeitraum getrennt gewesen. Urplötzlich klingelte und schepperte es in der Nähe. Ein Krach, als würde ein großes Regal mit Töpfen und deren Deckel zusammenbrechen, zerstörte die frühmorgendliche Ruhe. Mit den Augen der Richtung folgend, aus der der Lärm kam, erkannte Schaaf sofort das Malheur: Busch!

      Sein Assistent, dem immerzu Ungeschicktheiten widerfuhren, die sonst keinem normalen Menschen passierten, war auf dem Bahnsteig angekommen und kündigte sein Erscheinen mit lautem Getöse an. Busch rappelte sich gerade wieder auf, nachdem er im vollen Lauf über mehrere Gepäckwagen gefallen und gestützt war. Er lag kurz in seiner gesamten Länge über einem dieser umgekippten Gepäckwagen, den Fuß zwischen dessen Metallstäben gefangen und musste zuerst zwei weitere, die er mitriss sortieren, bevor er sich mit weiterem Geklapper erheben konnte. Wie schaffte man es, einen Gepäckwagen umzuschmeißen?

      Bert und Schneider, die Mitarbeiter von Schaaf, waren ebenfalls dabei und halfen Busch lachend wieder auf die Beine. Das war typisch für seinen Assistenten. Wenn irgendwo ein Fettnäpfchen stand: Busch sprang mit Anlauf und beiden Beinen hinein! Selbst wenn eigentlich gar nichts geschehen konnte: Busch gelangen die wirklich unglaublichsten Missgeschicke.

      Busch brachte schon so manch Unmögliches zu Stande. Er sprühte sich morgens schon versehentlich Deo in die Augen; hielt bei Ermittlungen einmal einen Professor für einen Hausmeister und schlug sich sogar schon auf der Tischplatte beim Niesen selbst K.O. Ohne die unzähligen kleinen Malheurs, durch die Busch sonst noch den lieben langen Tag über auffiel.

      Eben übersah er also die Gepäckkarren und schlug einen Salto darüber. Wenigstens verletzte er sich nicht dabei. Trotz allem Unglück das ihm widerfuhr, verfolgte ihn dabei auch stets das Glück.

      Das Team von Kriminalhauptkommissar Schaaf erschien zu der frühen Tageszeit am Bahnhof, um ihren Chef zu verabschieden und ihm eine gute Fahrt zu wünschen. Darüber freute sich Schäfchen sehr. Seine Männer kamen zu ihm, begrüßten höflich seine Gattin und reichten ihm ebenfalls die Hände, um ihm zu sagen, dass er gesund wiederkehren soll.

      Schneider sah Schaaf sofort an, dass der in dieser Nacht noch kein Bett gesehen hatte. Der versackte sicherlich wieder in irgendeiner Kneipe, weil er seine vermeintliche Traumfrau fand. Im Job ein sehr guter Mann, im Privatleben hingegen war Schneider ein Lebemann und Hallodri. In seiner Freizeit fand man ihn meist in Kneipen oder bei Weinfesten, wo er stets hoffte, die Frau fürs Leben zu finden. Schneider blieb der ewig Suchende, mit kurzzeitigen Unterbrechungen, wenn er glaubte "die Frau" gefunden zu haben. Diese Pausen konnten auch schon mal nur wenige Stunden lang sein. Der Bier und Pommesdunst, der Schneider umwehte, würde jedes Leugnen sinnlos machen, dass es in der vergangenen Nacht anders gewesen wäre.

      "Ihr seid doch nur gekommen um zu sehen, ob ich auch wirklich fahre, damit ihr eure Ruhe vor mir habt", scherzte Schaaf.

      "Nein Chef", wehrten alle drei einheitlich ab. Und Schaaf