Peter Passus

Die Probezeit gestalten und bestehen


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ist es aber ganz bestimmt nicht, sondern schlicht professionell. Sie verkaufen Ihre Arbeitsleistung, und es ist das Unternehmen, welches darüber entscheidet, ob Sie nach wenigen Monaten wieder arbeitslos sind oder nicht. Sie sind von vornherein in einer abhängigen Position, also sollten Sie die Ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten nutzen, Ihre Probezeit zu bestehen und sich auch langfristig für einen beruflichen Aufstieg zu empfehlen. Umso mehr haben Sie das Recht dazu, wenn Sie auf starke Konkurrenz stoßen, keine festen Arbeitsgebiete zugewiesen bekommen haben oder wenig Kontakt zu Ihren Vorgesetzten besteht. In einer solchen Situation sind Sie benachteiligt und müssen sich verstärkt für sich selbst einsetzen, wenn Sie Ihre Probezeit sicher bestehen wollen und auch darüber hinaus eine gute berufliche Entwicklung im Unternehmen anstreben.

       Das persönliche Netz intensivieren

      Die Probezeit ist ohne Frage eine psychisch anspruchsvolle Zeit, die von dem einen oder anderen sogar als eine mittlere bis hohe Belastung wahrgenommen wird. Man begegnet einer Vielzahl neuer Menschen, und zumindest gegenüber dem eigenen Vorgesetzten besteht eine direkte Abhängigkeit. Es gilt eine Bewährungsprobe zu bestehen, denn schließlich kann der Arbeitgeber ohne Angabe von Gründen das Arbeitsverhältnis binnen kurzer Zeit beenden. Neuartige Kenntnisse müssen erworben werden, und nicht alles gelingt gleich auf Anhieb. Vielleicht kommt es sogar dazu, dass man sich die Frage stellt, ob man die Aufgaben überhaupt je beherrschen kann, ja ob man diesen Job überhaupt haben möchte.

      In einer solchen Situation reagieren Menschen ganz unterschiedlich. Manche versuchen Ihr Bestes und können nach Feierabend gut abschalten und sich entspannen. Andere lässt die Arbeit nicht los. Sie vertrösten ihre Freude und ziehen sich aus sozialen Beziehungen zurück. Und machen damit das Bestehen der Probezeit deutlich unwahrscheinlicher.

      Sogar für die Bewältigung auch schwerer Krankheiten ist es wissenschaftlich erwiesen: Ein stabiles soziales Netz gibt dem Erkrankten mehr Halt, als es ein Betroffener ohne ein solches Netz jemals ahnen würde. Schwierigkeiten und Leidenswege, die unüberwindlich schienen, werden erträglicher. Sogar die Heilungschancen sind bei Patienten mit einem guten sozialen Netz höher als bei jenen, die auf sich allein gestellt sind.

      Auch wenn sich die Probezeit in einem Unternehmen nicht mit einer schweren Erkrankung vergleichen lässt - eine Belastungssituation ist sie allemal. Um erfolgreich zu sein, kommt es darauf an, jeden Tag als eine neue Chance zu begreifen, hinzuzulernen und positiv auf sich aufmerksam zu machen. Schlechte Gefühle und Hoffnungslosigkeit sollten sich erst gar nicht einschleichen, sondern jeder Tag von Neuem als Herausforderung angegangen werden. Dafür ist die Fähigkeit von großem Vorteil, mit dem alten Tag abschließen zu können. Ein stabiles soziales Netz mit häufigen Kontakten in der Freizeit hilft hier sehr. Unterschätzen Sie seine motivierende, heilsame Wirkung für den Erfolg Ihrer Probezeit nicht. Falls Sie bemerken, dass Sie sich durch Ihre Probezeit belastet fühlen und beginnen, Ihre sozialen Kontakte zu reduzieren, sollten Sie etwas unternehmen.

       Fachliche Netzwerke bilden

      Neben Ihrem unmittelbaren Vorgesetzten ist es vor allem Ihre Teilnahme an fachlichen oder interessengebundenen Netzwerken, die über Ihre Integration in den Kollegenkreis sowie Ihr berufliches Fortkommen entscheidet. Solche Netzwerke sind betriebliche Gruppierungen, die dauerhaft einer bestimmten Sachaufgabe nachgehen oder eine bestimmte Funktion erfüllen, z.B. ein dauerhaft eingerichteter Arbeitskreis. Manche Netzwerke umfassen auch einfach Personen, die sich in einer ähnlichen Lage befinden, z.B. alle Abteilungsleiter, alle Nachwuchsführungskräfte, alle Trainees etc.

      Sie sollten jede Einladung in eine solche Gruppe annehmen, da Sie hier wichtige Informationen erhalten und Kontakte knüpfen, die vielleicht erst lange nach der Probezeit von Bedeutung sein können, die man aber so früh wie möglich aufbauen sollte. Aus einer solchen Gruppe im Bedarfsfall wieder auszutreten, ist viel einfacher, als hineinzukommen. Ihr Vorgesetzter wird es außerdem nicht ungern sehen, wenn Sie Teilnehmer in einer Gruppe werden, die für ihn bzw. seine Abteilung von Nutzen sein kann.

       Nüchternes Selbstbewusstsein

      Selbstbewusstsein ist der Schlüssel zum Erfolg, auch in der Probezeit. Es ist angemessen, sich über den neuen Arbeitsplatz zu freuen und dem neuen Vorgesetzten gegenüber Loyalität zu zeigen, aber eine übertriebene Dankbarkeit ist übertrieben und lenkt Sie von den kommenden Aufgaben ab. Konzentrieren Sie sich voll und ganz auf Ihre Fähigkeiten, und spüren Sie Ihr Selbstbewusstsein, ohne es zu übertreiben oder sich für etwas Besonderes zu halten. Es gibt viele Wege, dem Vorgesetzten bzw. dem Unternehmen, für das Sie arbeiten, zu nutzen. Suchen Sie nach diesen Wegen. Versuchen Sie Ihre Potentiale voll zu entfalten, - allerdings mit Augenmaß und daran denkend, dass Ihnen das gerade in der Probezeit zum Verhängnis werden kann, weil sich Vorgesetzte oder Kollegen durch Ihre Einsatzfreude bedroht fühlen mögen. Darum sollte Ihr Selbstbewusstsein "nüchtern" und realistisch sein. Machen Sie sich eine Liste, was Sie alles gut können und gerne machen. Versuchen Sie Ihr Arbeitsverhältnis in dieser Richtung zu gestalten, z.B. indem Sie Ihren Vorgesetzten aktiv auf solche Arbeiten ansprechen, die Ihnen liegen und die Sie ihm abnehmen könnten.

      Ihre Emotionen spielen insgesamt eine wichtige Rolle beim Gestalten und Bestehen der Probezeit. Negative Emotionen lassen Sie unsicher und überempfindlich werden. Positive Gefühle befreien Sie und lassen Sie unbeschwerter auf die anstehenden Herausforderungen zugehen. Seien Sie ein wenig stolz auf sich selbst, wobei es wichtig ist, zwischen falschem und berechtigtem Stolz zu unterscheiden. Wenn Sie herausgefunden haben, worauf Sie wirklich zu Recht stolz sein können, kann Ihnen das besonders in Krisensituationen ungeahnte Stärke verleihen. Machen Sie sich auch hierfür eine Liste und "genießen" Sie sie in einem ruhigen Moment bei einem Glas Wein.

       Geduld aufbringen

      Ungeduld ist ohne Zweifel ein Feind der Intelligenz. Auch intelligente, gebildete Menschen scheitern im Leben, weil sie mit zuviel Hast etwas verfolgen, wofür man eigentlich Zeit braucht - und deshalb an Dingen verzweifeln, die sie mit mehr Ruhe leicht bewältigen könnten. Oft besteht ihre Ungeduld darin, dass sie impulsartig handeln, um unangenehmen Gefühlen auszuweichen, die sie eine Weile aushalten müssten, damit sich die Dinge positiv für sie entwickeln. Hierzu ein Beispiel: Nehmen Sie einmal an, Sie haben in der Probezeit von Ihrem Chef ein Projekt übertragen bekommen, das die Zusammenarbeit von Personen aus verschiedenen Abteilungen erfordert.

      Sie laden die Betreffenden zu einer Sitzung ein und merken sehr schnell, dass niemand ein gesteigertes Interesse für das Projekt aufbringt, auch wenn keiner es offen ausspricht. Es fehlt an Motivation. Dokumente sendet man Ihnen nur nach mehrmaliger Aufforderung. Sie machen sich Gedanken darüber, woran es wohl liegen könnte und stellen fest, dass ähnliche Projekte in der Vergangenheit nichts bewirkt haben. Sie versuchen, gesetzte Termine zu halten, trotz zu befürchtender Fehlschläge, die Sie kommen sehen. Sie haben das Gefühl, im Projekt nicht schnell genug voran zu kommen und fordern die Zuarbeiten der verschiedenen Beteiligten mit immer mehr Nachdruck ein. Der Tonfall Ihrer E-Mails wird immer schärfer, die Zuarbeiten immer spärlicher oder schlechter. Das Projekt scheitert. Woran liegt das? Es liegt daran, das Sie, obwohl neu im Unternehmen, einen schnellen Erfolg erzielen wollten, wider besseres Wissen, dass Ihr Weg der falsche ist. Sie sind also nicht an mangelnder Intelligenz gescheitert, nicht an einer fehlerhaften Einschätzung der Situation, sondern einzig und allein an Ihrer Ungeduld und vielleicht an der Angst vor dem Versagen, die mit der Ungeduld im Zusammenhang steht. Der deutsche Neo-Psychoanalytiker Harald Schultz-Hencke hat diesen Zusammenhang schon vor 75 Jahren erkannt und auf den Punkt gebracht:

      "Auch die gewöhnliche Erfahrung zeigt, daß sich Menschen ihren ganzen Lebensaufbau durch ihre Ungeduld zerstören können. Gerade das, was sie so heftig und schnell haben wollen, erhalten sie oft infolge ihrer Ungeduld nicht. Und wenn man weiter beobachtet, daß es oft sehr intelligente Menschen sind, die so selbstzerstörerisch leben, beginnt diese Ungeduld ein menschliches Problem zu werden. Solche Menschen könnten klug sein, aber sie sind es nicht. Sie sind zwar intelligent, aber ihre Intelligenz reicht nicht in ihren Lebensaufbau hinein, obgleich sie an