Peter Passus

Die Probezeit gestalten und bestehen


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Sie sich vergegenwärtigen, wie sehr Sie Ihre Umwelt und damit Ihren Erfolg in der Probezeit aktiv beeinflussen können. Nutzen Sie jede Chance, die sich bietet, Ihre Aufgaben, Ihre Arbeitsbedingungen und -mittel so zu formen, dass Sie zu Ihnen passen und Sie erfolgreich sein können! Werden Sie zum aktiven Gestalter Ihrer Probezeit und der Zeit danach, d.h. denken Sie über das bloße Bestehen der Probezeit hinaus. Bringen Sie sich sozusagen in Stellung, erarbeiten Sie sich eine möglichst gute Ausgangsposition, um weiterbeschäftigt und weiterentwickelt zu werden. Ihre Karriere fängt mit dem ersten Tag der Probezeit an, - oder wird schon zu Beginn eingeschränkt, z.B. indem Sie es zulassen, in der Abteilung auf Dauer die Position des "Wasserträgers" zugewiesen zu bekommen. Trachten Sie danach, sich schon in der Probezeit unentbehrlich zu machen und Ihr Potenzial aufzuzeigen.

      Wenn Sie daran gehen, selbst Einfluss auf Ihre Arbeitsbedingungen und -aufgaben zu nehmen, dann sollten Sie es natürlich nicht direkt und fordernd tun, sondern in kleinen Schritten und immer nur dann, wenn die Gelegenheit gerade günstig ist. Forcieren Sie es also nicht allzu sehr, weil Sie sonst Gefahr laufen, sich unbeliebt zu machen. Eigene Ansprüche in der Probezeit zu formulieren, ist eine Gratwanderung, denn ambitioniertes Verhalten kann ohne Weiteres als Egoismus und mangelnde Teamfähigkeit ausgelegt werden. Schnell trifft Sie der pure Neid Ihrer Kollegen, wenn Sie, obwohl erst kurz im Unternehmen, anspruchsvolle Aufgaben "zugewiesen" bekommen, auch wenn Sie sich diese selbst erarbeitet haben. Warum, mögen die Kollegen denken, darf "der Neue" am Projekt mitarbeiten und ich nicht, warum kann er sich einen höhenverstellbaren Schreibtisch bestellen und ich nicht? Ganz einfach, weil man nur etwas bekommt, wenn man sich dafür einsetzt oder zumindest danach fragt.

      Die Wünsche, Gewohnheiten und manchmal auch die Empfindlichkeiten von Vorgesetzten und Kollegen sollten Sie dennoch jederzeit im Hinterkopf behalten, wenn Sie sich für optimale Arbeitsbedingungen und Ihr Fortkommen einsetzen, da Sie sonst womöglich genau das Gegenteil von dem erreichen, was Sie beabsichtigen, nämlich Ihre Isolation in der Abteilung. Darum sollten Sie Ihre Karriereabsichten und Stategien zur Erreichung ambitionierter Ziele nie offenlegen. Sie sind zu kurz im Unternehmen, um beurteilen zu können, welche Kollegen sich durch Ihren Aufstieg oder einfach nur durch Ihr bloßes Dasein in ihrer eigenen Existenz bedroht fühlen.

       Inszenierung statt Authentizität

      "Seien Sie authentisch! Geben Sie sich einfach so, wie Sie sind!" Hinter diesem gut gemeinten Ratschlag steckt die Annahme, dass Ihre Chancen auf eine Weiterbeschäftigung nach der Probezeit steigen, wenn Sie sich nicht verstellen, weil Sie auf diese Weise Ihrem Chef und Ihren Kollegen sympathischer erscheinen. Außerdem, so das Argument, finden Sie so besser heraus, ob der Job später zu Ihnen passt oder nicht; denn wenn man Sie nicht so akzeptiere, wie Sie "wirklich" seien, habe man Sie nicht verdient. Auf lange Sicht komme es zu Problemen, wenn Sie sich nach der Probezeit anders verhielten als zuvor.

      Was ist von dieser Annahme zu halten? Fühlen Sie sich besser, wenn Sie sich authentisch geben? Fördert es die Chance auf eine erfolgreiche Probezeit? Was meint überhaupt Authentizität? Und wie weit kann man dabei gehen?

      Nehmen wir an, für Sie ist es wichtig, Sport zu treiben und Freunde zu treffen. Sie arbeiten gern, möchten aber keine Überstunden machen. Die Arbeit steht also nicht unbedingt an erster Stelle in Ihrem Leben. Ist es wirklich klug, diese Haltung in der Probezeit in die Tat umzusetzen oder auch nur zu offenbaren, selbst wenn Sie an einen Arbeitgeber geraten, der keinen Wert auf Mehrarbeit legt? Denken Sie daran, dass man Sie nicht kennt und Ihre Worte darum eher in negativer als in positiver Weise interpretieren wird, wenn man beurteilt, ob man sich langfristig an Sie binden soll oder nicht. Woher wollen Sie wissen, ob eine Selbstoffenbarung Ihnen wirklich nützt? Entsteht durch Ihre Offenheit tatsächlich Sympathie oder eher das Gegenteil? Und kann man überhaupt gezielt authentisch sein?

      Ich rate Ihnen zum Gegenteil, nämlich sich in Maßen bewusst zu verstellen und eine gemäßigte Lust an der Schauspielerei zu entwickeln. Auch für den Arbeitgeber ist das Talent zur Verstellung von Nutzen, denn es ist nichts anderes als eine Form der Anpassungsfähigkeit, welche insbesondere Führungskräfte benötigen. Warum wollen ausgerechnet Sie übertrieben ehrlich sein? Die meisten erfolgreichen Menschen sind begnadete Selbstdarsteller. Erlaubt ist, was Ihnen nützt - und dem Unternehmen nicht schadet! Sie sind noch skeptisch? Gut, dann möchte ich Ihnen hiermit die wissenschaftliche Beglaubigung für meinen Vorschlag nachliefern.

      Der Soziologe Erving Goffman (2011) hat es in seinem gleichnamigen Buch auf den Punkt gebracht: Wir spielen alle Theater! Wir versuchen bei unserem Gegenüber einen bestimmten Eindruck zu erzeugen, um sie oder ihn zu einem bestimmten Verhalten zu bewegen. Und der andere analysiert fortwährend den Eindruck, den er von uns hat, um zu erfahren, was er von uns erwarten und wie er uns beeinflussen kann. Dies ist in jeder sozialen Situation bei jedem Menschen so. Auf diese Weise kommunizieren wir miteinander, auch wenn es uns nicht immer bewusst ist. Man kann also sagen, dass es Authentizität in Reinform eigentlich gar nicht gibt. Wir verbergen unsere wahren Absichten viel häufiger voreinander, als es uns bewusst ist. Paradoxerweise ist uns dies auch bei unseren Mitmenschen ganz recht und bis zu einem gewissen Grade sogar eine wichtige Grundlage des Zusammenlebens in der Gesellschaft. Oder möchten Sie jeden zweiten Tag negative Dinge über sich von Ihrem Lebenspartner oder Ihren Arbeitskollegen hören? Ja, man kann sogar sagen, der andere erwartet es geradezu von uns, ihm in Maßen etwas vorzuspielen, damit wir tagtäglich ohne allzu große Konflikte miteinander umgehen können.

      In der Probezeit ist diese Paradoxie besonders ausgeprägt: Natürlich möchten Ihr Vorgesetzter und alle mit Ihrer Person befassten Verantwortlichen nicht direkt angelogen werden und wünschen sich möglichst viele Informationen über Sie, um Sie möglichst genau einschätzen zu können. Natürlich haben die Personalentscheider Bedenken, dass Sie sich nach bestandener Probezeit vom Saulus zum Paulus wandeln und von einem Tag auf den anderen in Motivation und Arbeitsleistung drastisch nachlassen. Umso mehr müssen Sie ihnen das Gefühl geben, dass genau das nicht passieren wird. Kleinere Schwächen können Sie gern einmal einräumen, - solange Sie gleichzeitig zeigen, dass Sie daraus lernen und am Ende das Unternehmen von Ihrem Lernprozess profitiert. Wenn Sie die Probezeit bestehen wollen, bleibt Ihnen nichts anderes übrig, als die Verantwortlichen in dem zu bestätigen, was sie erwarten: dass Sie ein stets funktionsfähiger, motivierter, leistungsfähiger Mitarbeiter sind und es nach der Übernahme in ein dauerhaftes Beschäftigungsverhältnis auch bleiben werden. Sie können genau in dem Ausmaß authentisch sein, wie Sie solche Erwartungen nicht enttäuschen.

      Nehmen wir einmal an, Sie hatten in Ihrem vorherigen Arbeitsverhältnis große Schwierigkeiten mit Ihrem Vorgesetzten und erzählen Ihrem aktuellen Chef oder den Kollegen in Ihrer Abteilung davon, weil Sie authentisch sein und vermitteln wollen, dass es Ihnen in der neuen Abteilung viel besser geht. Glauben Sie, dass Sie ein solches Verhalten sympathischer machen könnte und Ihre Chancen auf das Bestehen der Probezeit erhöht? Wohl kaum. Gewiss ist das ein Extrembeispiel, aber auch viele kleinere Unbesonnenheiten und unnötige Offenbarungen Ihrerseits können sich in der Vorstellungswelt Ihres Vorgesetzten bzw. der Personalentscheider zu dem Urteil addieren, dass man mit Ihnen möglicherweise ein Risiko eingeht.

      Sie stehen in der Probezeit unter permanenter Beobachtung, und man möchte sich ein möglichst umfassendeBild von Ihnen machen. Darum ist der generelle Rat, möglichst "authentisch rüberzukommen", eher naiv, was nicht bedeutet, dass Unnahbarkeit und unsympathisches Auftreten ein Vorteil wären. Also noch einmal: Vorhang auf, es ist Ihre Bühne, nutzen Sie das gesamte Repertoire Ihrer darstellerischen Möglichkeiten, um sich ins rechte Licht zu rücken. Das ist nicht unmoralisch, sondern geschickt. Es geht darum, nichts zu enthüllen, was Ihre Probezeit gefährden könnte, außer Sie legen aus bestimmten Gründen bewusst Wert darauf (Homosexualität, bestimmte gesundheitliche Einschränkungen, wichtige persönliche Werte etc.). Schlagen Sie die Personalverantwortlichen, die Ihnen ebenfalls etwas vorspielen, mit ihren eigenen Waffen!

       Ich bin okay, Du bist okay

      Der Psychologe und Transaktionsanalytiker Eric Berne hat vier grundlegende Lebenseinstellungen ermittelt, die sich in der Kindheit des Menschen herausbilden