Peter Passus

Die Probezeit gestalten und bestehen


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sich durchsetzt, ergibt sich aus den Verhaltensmustern der Eltern dem Kind gegenüber, d.h. in Abhängigkeit davon, wieviel Zuwendung sie dem Kind geben, ob sie es genügend belohnen und "streicheln", wie Berne sagt. Die grundlegenden Lebenseinstellungen sind:

      (1) "Ich bin okay, Du bist okay” (2) "Ich bin nicht okay, Du bist okay” (3) "Ich bin nicht okay, Du bist nicht okay” (4) "Ich bin okay, Du bist nicht okay

      Die erste Einstellung ("Ich bin okay, Du bist okay") ist die gesündeste. Sie gestehen sich selbst hohe Achtung und Respekt zu, genauso wie Ihren Mitmenschen. Auf dieser Basis können echte Lösungen im zwischenmenschlichen Bereich gefunden werden, die sowohl Ihnen als auch anderen gerecht werden.

      Die zweite Einstellung ("Ich bin nicht okay, Du bist okay") ist mit einem geringen Selbstwertgefühl verbunden. Sie werten sich selbst unnötig ab und fühlen sich hilflos. Ihren Interaktionspartner hingegen nehmen Sie ernst oder überhöhen ihn sogar. Damit hat er sie sozusagen in der Hand. Sie unterwerfen sich ihm, auch wenn er dies vielleicht gar nicht will.

      Die dritte Einstellung ("Ich bin nicht okay, Du bist nicht okay") ist doppelt destruktiv und kommt einer noch größeren Ohnmacht gleich als die zweite. Weder von sich selbst noch von dem anderen erwarten Sie etwas Positives. Sie empfinden keinen Respekt mehr, weder vor sich selbst noch vor dem anderen, und keinen Schutz. Ihr Verhalten entwickelt sich zu einem Schaden für sich selbst und andere.

      Die vierte Einstellung ("Ich bin okay, Du bist nicht okay") klingt zunächst positiver, denn zumindest sich selbst finden Sie okay. Doch der Schein trügt. Da Sie zugleich Ihre Mitmenschen abwerten, ist Ihr Okay sich selbst gegenüber in Wahrheit Überheblichkeit und Anmaßung. Es kann unter bestimmten Umständen sogar in Machtgier und Gewalt ausarten. Damit schaden Sie auch sich selbst, da Sie wie bei den anderen beiden pathologischen Varianten (2) und (3) "Spiele spielen", also Ihre wahren Gefühle zurückstellen und sich fortwährend in Konflikte verstricken.

      Sie können sich nun sicher unschwer vorstellen, welche der vier Lebenseinstellungen ich Ihnen als wichtige Grundhaltung in der Probezeit ans Herz legen möchte, - natürlich die erste: "Ich bin okay, Du bist okay". Doch wenn das so einfach wäre … Die geschilderten Einstellungen sind unbewusst und können nicht ohne Weiteres durch einen Akt des bloßen Willens geändert werden. Dazu bedarf es viel Arbeit, meist im Rahmen einer Psychotherapie. Auf der anderen Seite zeigt die Erfahrung, dass auch die bloße Kenntnis des Konzepts schon eine gewisse "heilende" Wirkung entfalten kann.

      Verspüren Sie z.B. Ärger auf Ihren Vorgesetzten oder Ihre Kollegen, so können Sie sich daran erinnern, dass auch ungerechte Menschen okay sind und Respekt verdienen. Nur so lässt es sich erfolgversprechend verhandeln, was nicht nur zum Nutzen des anderen ist, sondern auch Ihnen selbst Vorteile bietet.

      Ein weiteres Beispiel: Sie geraten in eine Situation, in der Ihr neuer Vorgesetzter Ihre Fehler zu sehr betont, so dass Sie beginnen, sich schlecht zu fühlen. Vielleicht berührt er Ihr schwaches Selbstbewusstsein, und Ihre Leistung beginnt langsam zu schwanken. Probieren Sie aus, sich in solchen Momenten klar "Ich bin okay!" zu sagen. Ihre grundsätzliche Lebenseinstellung wird davon zwar unberührt bleiben. Aber sehr wahrscheinlich werden Sie einen gewissen positiven Effekt verspüren und einer möglichen Talfahrt Ihrer Arbeitsmotivation Einhalt gebieten können, bevor sie überhaupt erst beginnt.

       2. Tugenden für den Erfolg

      Die im vorangegangenen Kapitel beschriebenen Grundhaltungen sind allgemeine Leitlinien, welches Verhalten in der Probezeit zum Erfolg führt. Doch Sie können noch mehr tun und auf ganz speziellen Handlungsfeldern punkten, die hier als "Tugenden" beschrieben werden. Entwickeln Sie sich konsequent weiter, indem Sie keinen Bereich auslassen und Ihr Verhalten zunehmend optimieren. Ich beschreibe Ihnen in diesem Kapitel die folgenden Tugenden:

       Gutes Timing

       Die eigenen Schwächen analysieren

       Permanentes Feedback einholen

       Perspektivübernahme

       Tue Gutes und sprich darüber

       Das persönliche Netz intensivieren

       Fachliche Netzwerke bilden

       Nüchternes Selbstbewusstsein

       Geduld aufbringen

       Freizeit und Sport

       Gutes Timing

      Schlechtes Timing ist im Leben allgemein ein Faktor, der den Erfolg verhindert. Gutes Timing hingegen verbessert die Chancen auf Durchsetzung der eigenen Interessen. Denken Sie nur an den Tipp für Eheleute, anspruchsvolle, teure Wünsche, z.B. nach einem neuen Auto, im Ehebett zu äußern, wenn man sicher sein kann, dass der oder die Liebste guter Stimmung ist … In der Probezeit gelten ähnliche Gesetze. Wenn die Kollegen gerade vor lauter Arbeit nicht ein noch aus wissen, ist es vielleicht nicht der optimale Zeitpunkt, um tiefgehende Fragen zu stellen. Selbiges gilt für Phasen des Misserfolgs. Ich erinnere mich an einen solchen Fall während einer der zurückliegenden Fußballweltmeisterschaften. Viele Mitarbeiter wollten während der Arbeitszeit ein Spiel der deutschen Fußballnationalmannschaft anschauen und hielten die Möglichkeit dazu für selbstverständlich, weil die Firmenkultur sehr offen gestaltet war. Allerdings war das Unternehmen zu dieser Zeit in wirtschaftliche Turbulenzen geraten. Als der Geschäftsführer seine gut gelaunten Mitarbeiter sah, wurde er sehr erbost und untersagte die verlängerte Pause. Und er hatte nicht ganz Unrecht. Noch besser wäre es vielleicht gewesen, er hätte seine Zustimmung gegeben, diese aber mit einer Motivationsrede verbunden.

      Gerade für Neulinge im Unternehmen gilt: Ganz gleich wie qualifiziert und fähig sie sind, von ihnen wird zunächst einmal eine gewisse Zurückhaltung erwartet, bevor sie eigene Wünsche formulieren dürfen. Die Kunst besteht darin, günstige Momente abzupassen, um die eigenen Fragen und Anliegen zu platzieren. D.h., Sie sollen sich zwar nicht durchweg "hinten anstellen", aber ein Gespür dafür entwickeln, wann die Chancen auf Unterstützung, Ressourcen und Einfluss am besten stehen.

       Die eigenen Schwächen analysieren

      Die Analyse von Stärken und Schwächen sollten Sie die gesamte Probezeit über in regelmäßigen Abständen durchführen, am besten in schriftlicher Form. Es ist vollkommen ausreichend, wenn Sie sich hierfür einmal die Woche etwa ein bis zwei Stunden Zeit nehmen. Fertigen Sie sich eine zweispaltige Tabelle an, in der Ihre Stärken die eine, die Schwächen die andere Spalte einnehmen. Denken Sie über Ihre Arbeit und Ihre Akzeptanz im Unternehmen nach, damit Sie bei Problemen gegensteuern können. Folgende Leitfragen sollen Ihnen eine Orientierung bei Ihrer Selbsteinschätzung bieten:

       Fällt die erkannte Schwäche XY meinem Vorgesetzten auf, weil sie eine meiner Hauptaufgaben berührt?

       Gibt es eine Möglichkeit, die erkannte Schwäche zu umgehen, z.B. indem ich meinen Vorgesetzten überzeugen kann, in einem anderen Arbeitsgebiet tätig zu werden?

       Wie kann ich die jeweilige Schwäche ausgleichen, wenn ich erkannt habe, dass ich ich sie nicht umgehen kann? Wen im Unternehmen kann ich fragen, - ohne dass mir daraus ein Nachteil erwächst? Kann ich Fachliteratur zu Rate ziehen? Existiert eine passende Weiterbildung, die ich kurzfristig machen kann?

       Gibt es eine Möglichkeit, mit jemandem zusammen das Problem zu bearbeiten, das mir Schwierigkeiten bereitet?

       Kommen meine Stärken aktuell schon ausreichend zum Tragen? Wenn nein, warum nicht, und wie kann ich dies erreichen?

       Weiß mein Vorgesetzter um meine Stärken und berücksichtigt sie in ausreichendem Maße?

       Welche Chancen liegen in meinen Stärken? Kann ich diese z.B. durch Weiterbildung zu einem Alleinstellungsmerkmal