Emma Baro

Rawanni und die Mafiosi


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verschämt zu Boden.

      Mally lächelte verständnisvoll. "Verstehe, aber nimm es nicht so tragisch. Wenn dein gutes Aussehen dir hilft Geld zu verdienen, dann akzeptiere es. Und wie ich dich kenne, wirst du ihnen schon auf die Finger klopfen, wenn die Männer zu aufdringlich werden sollten."

      "Ja, allerdings."

      "Übrigens … Männer. Es gibt da jemanden, der sehr traurig ist."

      "Al?"

      "Ja, er hat sich förmlich bei mir ausgeweint, nachdem du einfach verschwunden warst."

      "Ich hatte schon ein schlechtes Gewissen, weil er doch so viel für mich getan hat, aber ich konnte nicht anders, Mally. Ich hatte Angst, dass er sich in mich verliebt, aber ich kann diese Empfindungen nicht erwidern."

      "Aber das weiß er doch, Rawanni. Er würde sich auch mit deiner bloßen Anwesenheit begnügen."

      "Ich glaube nicht, dass er das lange durchhalten würde. Al ist wirklich ein sehr netter Mann, Mally, aber er könnte für mich nur ein guter Freund sein, mehr nicht."

      "Hast du ihm das gesagt?"

      "Nein. Ich habe in seinen Augen gelesen, dass er niemals nur ein Freund sein will. So ist es für uns beide besser."

      Mally erfasste mitfühlend ihre Hände.

      "Darf ich ihm sagen, wo du arbeitest?"

      "Nein, besser nicht. Richte ihm meine Grüße aus und sag ihm, es ginge mir gut, aber er soll mich vergessen."

      Mally nickte und drückte sie an sich. Sie konnte sie offenbar nicht umstimmen.

      Bevor Rawanni wieder ging, gab sie Mally die Hälfte ihres Lohnes. Es war das Mindeste, was sie tun konnte, um ihre Dankbarkeit zu beweisen. Außerdem durfte Mally jederzeit beim Restaurant vorbeikommen, um Essensreste mitzunehmen, das hatte Rawanni zuvor mit Luca besprochen.

      Im Mai durfte Rawanni drei besondere Stammgäste bedienen, die sie schon oft gesehen hatte, die aber immer in einem der hinteren Räume saßen und von einer Kollegin bedient wurden. Was an ihnen besonders war, vermochte sie allerdings noch nicht zu erkennen.

      Manolo führte sie eines Abends in das Zimmer und stellte ihr die drei Männer persönlich vor. "Meine Herren", sagte er und in seiner Stimme klang Stolz mit, "darf ich Ihnen meine neue Bedienung Rawanni vorstellen?" Die Männer im Alter um die 50 nickten freundlich. "Rawanni, das ist Tonio Gastaldi, er besitzt mehrere Hotels in dieser Stadt."

      Gastaldi stand sogar auf und reichte ihr mit einer leichten Verbeugung die Hand. "Guten Tag, meine Schöne, wir haben von Manolo nur Gutes von Ihnen gehört."

      "Das hoffe ich doch stark, Mr Gastaldi.", entgegnete Rawanni mit einer Spur von Frechheit in ihrer Stimme. Sie wusste nicht, wie sie sich ihnen gegenüber verhalten sollte. Aber mit einem Lächeln konnte sie nichts verkehrt machen.

      "Und das ist Roberto Trifone, von Beruf Anwalt für Strafrecht, er paukt jeden raus."

      Auch Trifone stand auf und reichte ihr galant die Hand. "Ich hoffe, dass Sie meine Dienste nie in Anspruch nehmen müssen."

      "Oh, dessen bin ich gewiss, Mr Trifone."

      Die Männer lachten und sie hatte schon alle Sympathien auf ihrer Seite.

      "Und Mr Giovanni Scallini ist unser Lieferant für einen äußerst exzellenten Wein, den er in seinem Heimatland Sizilien anbaut. Er besitzt dort außerdem noch große Oliven- und Zitronenplantagen."

      Giovanni Scallini ergriff ihre Hand und ehe sie sich versah, hauchte er ihr einen flüchtigen Kuss auf den Handrücken. "Es freut mich, eine so entzückende junge Dame kennenzulernen."

      Der intensive Blick seiner dunklen Augen ruhte länger als nötig auf ihr und verwirrte sie einen Augenblick. Eine passende Entgegnung fiel ihr so schnell nicht ein. Ihr verblüffter Blick entlockte ihm ein mildes Lächeln. Sie ahnte sofort, dass dieser Gast gerne die Räume mit einem Bett aufsuchen würde, und zwar mit ihr. Sie konnte es deutlich in seinen Augen lesen. Die ersten grauen Strähnen durchzogen sein volles dichtes Haar, das ansonsten noch tiefschwarz war und ihm einen eleganten Charme verlieh. Sein Gesicht war attraktiv und sehr markant geschnitten. Sie spürte seine anziehende Ausstrahlung, eine männliche und charismatische Wirkung, die er sicherlich nicht nur auf Frauen ausübte. Doch dieser Mann strahlte auch etwas Bedrohliches aus. Sie wusste nicht warum, aber ihr Gefühl sagte ihr, vorsichtig zu sein.

      Irritiert entzog sie ihm ihre Hand. "Darf ich Ihnen etwas zu trinken bringen?"

      "Ja, bitte … ", antwortete Scallini und bestellte für sie alle zusammen einen seiner eigenen Weine.

      Zusammen mit Manolo verließ sie den Raum. An der Theke nahm er sie beiseite. "Du hast gemerkt", sagte er mit gedämpfter Stimme, "dass das besondere Gäste sind, die sehr zuvorkommend bedient werden wollen. Es ist für dich eine Ehre das zu übernehmen, deshalb verlange ich von dir äußerste Diskretion, solltest du mal etwas von ihren Gesprächen aufschnappen."

      Ihr fielen gleich Marcys Worte ein, besser nichts zu hören und zu sehen. "Ja, ich verstehe und schweige. Sie werden ja wohl nicht gerade über einen Mord sprechen." Sie lachte über ihren Scherz, ebenso Manolo, und doch hatte sie sein kurzes, nur einen Sekundenbruchteil lang dauerndes Zögern bemerkt. Sie erinnerte sich an Marcys Vermutung über vermeintliche Gangster. Ach Unsinn, diese netten drei Herren waren doch keine Gangster. Na ja, es konnte nicht schaden Augen und Ohren offen zu halten. Auf jeden Fall mussten diese Herren sehr reich sein, was sie daher als besondere Gäste auszeichnete.

      In den nächsten Wochen kamen die drei Herren oft ins Lokal, sogar öfters als früher, wie Manolo mit einem Augenzwinkern erzählte. Es war eindeutig Rawannis Verdienst. Die drei bestanden darauf nur von ihr bedient zu werden.

      Manchmal saßen sie zusammen im großen Speisesaal mit anderen Geschäftsleuten oder sie verbrachten den Abend in der Bar. Hin und wieder kamen sie in Begleitung von hübschen jungen Frauen. Trifone und Gastaldi oder auch ihre Gäste verschwanden dann jeweils für kurze Zeit mit den Damen in den oberen Zimmern, in denen sich die Betten befanden. Marcy erzählte ihr, dass diese Damen für einen Escortservice arbeiteten und sich um die besonderen Wünsche der Männer kümmerten. Nur Scallini bediente sich nicht dieser Damen. Seine interessierten Blicke galten allein Rawanni. Sie bemerkte sie jedes Mal, wenn sie an seinem Tisch bediente, aber ignorierte es, und er verhielt sich auch niemals aufdringlich. Es waren nur seine Blicke die anders waren, als die von Gastaldi und Trifone, Blicke, in denen eindeutig sexuelles Interesse zu lesen war.

      Was ihre Gespräche betraf, redeten sie nur über gewöhnliche Themen, wie ihre Geschäfte oder von ihren Familien, nichts Ausfälliges also. Und immer wieder steckten sie ihr hohe Trinkgelder zu, was ihr unangenehm war, aber eine Ablehnung duldeten sie nicht. Marcy bestärkte sie nur darin nicht abzulehnen. Wenn die Gäste schon freiwillig dafür bezahlten, weil man ein schönes Gesicht hatte, dann sollte man auch nicht darauf verzichten. Marcy empfand in dieser Hinsicht weniger Skrupel als sie selbst.

      Eines Abends brachten die drei einen neuen Gast mit.

      "Das ist der Kongressabgeordnete Salvatore Mascetto", flüsterte Manolo ihr zu, bevor sie das Hinterzimmer betrat, um die Bestellung aufzunehmen.

      Sie wunderte sich, dass ein hoher Politiker hier verkehrte. Während des Abends brachte sie immer wieder Getränke. Zu vorgerückter Stunde geleitete Manolo eine üppige Blondine ins Zimmer. Als sie ihren Pelzmantel ablegte, kam nur noch sehr wenig Stoff zum Vorschein. Aufreizend setzte sie sich gleich auf den Schoß des Politikers und begann ihn zu küssen. Wenig später verschwand er, nicht mehr ganz nüchtern, mit ihr und zwei Flaschen Champagner in einem Separee im ersten Stock.

      Rawanni machte sich so ihre Gedanken darüber. Sollte der Politiker etwa beeinflusst werden? Die Blondine hatten sicherlich die drei bezahlt. Während sie die Gläser und Flaschen abräumte, unterhielten sie sich angeregt, achteten aber nicht weiter auf sie.

      Scallini lehnte sich nachdenklich zurück und spielte mit seinem Glas. "Wir sollten das Geschäft mit ihm nicht machen. Er ist arrogant und überheblich, denkt dabei nur an seinen eigenen Vorteil."

      "Aber