Tatana Fedorovna

Zarin der Vampire. Blut der Sünde + Böse Spiele: Doppelband


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schon früher auf sie gehört?! Wer weiß besser als eine Mutter, was für ihre Kinder gut ist? Sein Rat erwies sich leider oft als falsch.

      Wir hätten dieses hinterhältige Land verlassen sollen, wie es uns die Verwandten unserer Mutter geraten hatten. Das Volk, dem Papa sich so verbunden fühlte, spuckte jetzt auf uns. Aus ihm kamen unsere Henker.

      In einem günstigen Moment, während ich mich bekreuzigte, ließ ich das kleine Gefäß in meinen Mund gleiten und positionierte es unter meinen Backenzähnen. Ein kräftiger Biss würde es bersten lassen. Ich wollte unbedingt leben und nicht sterben! Noch nie war mir dies so kostbar erschienen. Mein Hals schnürte sich panisch zu. Verzweifelt wandte ich mich an Gott: Wenn es dich gibt, lass uns nicht sterben! Schenk uns ein Wunder!

      Papa sah mich mit großen Augen an und verabschiedete sich mit einem Lidschlag. Mama nickte mir fordernd zu.

      Ich schloss als Antwort ganz langsam und leicht meine Lider. Ein nur für mich erkennbares Lächeln zeichnete sich im besorgten Gesicht meiner wunderbaren Mutter ab. Diese bekreuzigte sich nun ebenfalls. Sie hatte mit dem Leben abgeschlossen. Dann sah sie liebevoll zu meinem Vater. Würde es das letzte Mal sein?

      Rasputin hatte alles richtig vorausgesagt. Wir Romanows würden vertilgt werden und Russland zusammenbrechen.

      Hätten doch nur die Weißgardisten Jekaterinburg schneller und überraschend gestürmt. Es war besser, dabei zu sterben, als weiter von diesen herzlosen Monstern der Revolution erniedrigt zu werden.

      Die Tür öffnete sich. Die beiden Ungarn im Raum hielten demonstrativ ihre Hände an die Pistolen und funkelten uns mit giftigen Augen an. Unsere Blicke wandten sich ängstlich, leider auch mit etwas Hoffnung gemischt, den Eintretenden zu. Vielleicht war alles ein Irrtum?

      Im Türrahmen erschien die Gestalt des verhassten Kommandanten Jakow Michailowitsch Jurowski. Er ähnelte einer Ausgeburt der Hölle. Sein kalter, herzloser Blick richtete sich auf meine Mutter, die ehemalige Zarin von Russland. Er strich sich genüsslich durch seinen schmutzigen Bart. Demonstrativ langsam holte er ein Schreiben aus seiner Jacke und grinste böswillig. Hinter ihm tauchten weitere Soldaten mit Gewehren auf, an denen wie auf dem Schlachtfeld Bajonette befestigt waren. Sie richteten diese nun auf uns. Eine Gegenwehr war unmöglich.

      Die Kühle des Raumes wich einer besonderen Kälte. Diese war der Atem des Todes. Nur wer schon einmal in der Nähe eines Sterbenden war, kennt ihn. Dieser Hauch lässt das Mark gefrieren und jeden bis in die Knochen erschauern.

      Voller Liebe versuchte ich nochmals meine Schwestern, unseren wundervollen und kranken Bruder, die geliebte Mama und unseren tapferen Vater mit einem letzten zärtlichen Blick zu bedenken. Diese starrten jedoch angstvoll auf Jurowski. Durch die vielen Heilsbücher, die wir in den letzten Monaten gelesen hatten, sollten wir eigentlich besser auf diese Stunde vorbereitet sein. Die herzlose Wirklichkeit war jedoch anders, immer schlimmer als erwartet und der eigene Geist schwächer und voller Angst. Sterben ist niemals leicht.

      Alle meine Muskeln begannen zu vibrieren. Dabei klapperte sogar die Kapsel verräterisch im Mund unter den Zähnen. Ich musste auf den richtigen Moment warten, so wie Mama mich angewiesen hatte. Es war dieses unendlich schnelle Zittern der Todesangst. Ich sah, dass auch die Lippen meiner Geschwister bibberten und Schleim aus Marias Nase lief. Sie kümmerte sich nicht darum und war dem Wahnsinn nahe.

      Mama beherrschte sich noch immer. Sie war stärker als wir.

      Unser Henker verlas den Inhalt des Blattes. Ich verstand nur, dass dieses unser Todesurteil enthielt. Der Uraler Sowjet hatte es gestern beschlossen und übte Selbstjustiz. Es gab für uns keinen Prozess, keinen Anwalt, nur diesen heimtückischen Mordbefehl. War das die Idee von kommunistischer Gerechtigkeit, die sie selbst für sich laut einforderten? Es ist so leicht über andere zu richten!

      Alles wirkte in diesem Moment entrückt und unwirklich. Es fühlte sich an, als verließ das Bewusstsein schon in diesem Moment den Körper und war nur noch ein Zuschauer der Ereignisse.

      War alles ein böser Traum, aus dem ich vielleicht bald erwachte? Das konnte doch nicht die Realität sein? Es musste irgendetwas passieren, dass dieses Missverständnis beseitigte!

      Mama und ich bekreuzigten uns nochmals. Niemand will seinen eigenen Tod wahrhaben.

      Papa fragte der Realität entrückt: „Was?“

      Die Männer zielten nun genauer auf unsere elfköpfige Gruppe. Sie schienen den Ablauf ihres Verbrechens genau besprochen zu haben, da auf jeden von uns ein anderer Rotgardist seine Gewehrmündung richtete. Auf mich war die von Pawel Medwedew gerichtet.

      Die Möbel fehlten deswegen im Raum, weil sie unseren Tod bereits detailliert geplant hatten. Das wurde mir jetzt bewusst.

      Der Kommandant Jurowski trat mit gezogenem Revolver auf Papa zu. Zwei Schüsse peitschten durch den Raum! Dann schoss er auf Mama. Unsere Eltern fielen als Erste getroffen zu Boden. Ljoschka schaute entsetzt und zitternd auf die Getroffenen.

      Ich biss nun mit aller Kraft zu. Länger durfte man keinesfalls warten. Etwas schnitt in meine Zunge und Zahnfleisch. Den Schmerz spürte ich nicht. Der Inhalt schmeckte bitter und faulig. Brennend ergoss sich eine Flüssigkeit in den Magen und verströmte glühenden Schmerz.

      Nun feuerten alle Soldaten gleichzeitig. Die Kraft des bitteren Mittels krümmte mich jedoch in diesem Moment. Ein Geschoss zischte an mir vorbei. Durch die plötzliche Bewegung hatte es mich verfehlt. Eine weitere Kugel traf mich nun mit Wucht vor die Brust und schmetterte meinen zarten Körper gegen die Wand.

      Überall peitschten Schüsse. Federn flogen durch den Raum. Die Kammerdienerin versuchte voller Verzweiflung die Schüsse mit dem Kissen abzuwehren. Es war unermesslich laut. Pulverdampf trübte die Sicht, der Rauch konnte durch die geschlossenen Fenster, wie wir auch, nicht entweichen.

      Ich war jedoch nicht tot. Wir hatten in unsere Mieder auf Mamas Anweisung schon in Tobolsk einigen Schmuck eingenäht. Dieser musste die Kugel abgehalten haben. Das Mittel begann zu wirken. Das Geschehen um mich her ähnelte einem Traum.

      Auch die anderen Mädchen stöhnten. Ich blickte zu Papa. Schaute er tatsächlich zu mir? War das noch ein letztes Lächeln? Sein Körper zuckte unter weiteren Treffern. Auch ich verspürte einen großen Schmerz im Bein. Gleichzeitig brannte die fremde Flüssigkeit wie Feuer im Magen. Der Wirkstoff versengte mich innerlich.

      „Bitte nicht!“, stöhnte die neben mir liegende kleine Maria.

      Auch sie lebte noch. Die Bolschewiken hatten auf die Brust ihrer Opfer gezielt.

      Ljoschka, mein Bruder, der Zarewitsch, stöhnte leidvoll und stützte sich auf einen Unterarm. Seine Kinderaugen baten um Gnade. Er hatte furchtbare Schmerzen.

      Jurowski trat nun kaltherzig zu diesem, hielt seinen Revolver an dessen Ohr und drückt erneut ab. Der Kopf zuckte unter dem Schuss und krachte laut auf die Dielen.

      Trotzdem wimmerte Ljoschka immer noch unerträglich. Bitte, bitte, lasst ihn leben und tötet stattdessen alle anderen!

      Jurowski schoss ihm ein zweites Mal in die gleiche Stelle ins Ohr. Er stöhnte nicht mehr.

      „Sterbt endlich!“, schrie der Anführer der Henker und entlud nun den Rest seines Pistolenmagazins auf Anastasija. Die Geschosse schienen sie nicht zu verletzen.

      Die eingenähten Juwelen verzögerten ihre Pein. Selbst Morden ist zuweilen nicht so einfach, wie viele glauben.

      „Ein Wunder! Die Kugeln prallen ab!“, rief einer der russischen Schergen und bekreuzigte sich entsetzt. Er wagte nicht mehr zu schießen. Auch die anderen stellten erschrocken das Feuer ein. Der Raum war voll Gewimmer und Stöhnen.

      „Bekreuzigst du Narr dich noch?“, schrie Jurowski außer sich und riss dem Soldaten den Karabiner aus den Händen.

      „Schaut her, wie man das macht!“

      Er stach mit aller Wut auf die wimmernde Anastasija ein. Das Bajonett drang aber nicht ganz durch und blieb im eingenähten Goldschmuck des Mieders stecken. Der Raum war voller Nebelschwaden, was die Sicht erschwerte. Jurowski versuchte