Tatana Fedorovna

Zarin der Vampire. Blut der Sünde + Böse Spiele: Doppelband


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rechnen wäre. Er grinste dabei merkwürdig und meinte, man werde uns anscheinend verlegen müssen.

      Mama drückte mir beim Vorbeigehen hastig etwas in die Hand und sah mich bedeutungsvoll an. Ich ahnte, um was es sich handelte und schaute erschrocken zurück. War es tatsächlich so weit? Mein Herz übersprang zwei Schläge. Es war eine der Kapseln aus der geheimen Schatzkammer.

      Sie lächelte einen kurzen Augenblick, um mir Mut zu machen. Dies ließ keinen Zweifel zu. Mir wurde eisig kalt und meine Hände zitterten unkontrollierbar, als hätte ich einen Tremor. Fast entglitt mir das kleine Gefäß mit der besonderen Medizin. Ich hielt die Hände fest zusammen, damit die anderen meine Furcht nicht bemerkten. Oh, geliebte Geschwister, liebe Eltern, was wird aus uns. Der Boden schien wegzubrennen und meinen zaghaften Schritten nicht standzuhalten. Für einen Moment glaubte ich ohnmächtig zu werden. Kalter Schweiß klebte unter meinen Achseln.

      Doktor Botkin, der Leibarzt, hatte unsere drei Diener geweckt und kam mit ihnen herunter. Nur der neue Kammerdiener Leonid Sednew war nicht dabei, er hatte gestern noch Ausgang bekommen.

      Papa trug Ljoschka auf den Armen, da man mit dem Rollstuhl schlecht hierher hinkam. Sie hatten beide Uniformhemden an und ungewöhnlicherweise Fellmützen auf dem Kopf. Unser Vater war offensichtlich in Sorge, dass wir nach draußen gebracht und sich der kleine Zarewitsch dabei erkälten würde.

      Wir Mädchen hatten unsere Mieder und Kleider angezogen.

      Darunter trugen wir Unterwäsche, in die wir unseren letzten Schmuck eingenäht hatten, den wir vor unseren Bewachern verbargen. Mama hatte zwar Tränen in den Augen, schluchzte aber nicht. Diese Genugtuung wollte sie ihren Feinden nicht geben. Sie riss sich zusammen und bat um Stühle, da Ljoschka nicht stehen konnte. Der Zarewitsch lehnte mühsam auf den dünnen Beinen stehend erschöpft seinen Kopf an sie, so als wollte er sich verstecken. Die Krankheit, der Sturz und die Entbehrungen der letzten Zeit waren für unseren Liebling zu schwer gewesen. Man brachte tatsächlich zwei Sitzgelegenheiten herbei. Ich wusste nun, dass Mama unseren baldigen Tod erwartete. Doch die Hoffnung in mir wollte nicht sterben.

      Wollte man uns nicht doch wegbringen? Vielleicht waren Mamas schlimme Befürchtungen falsch und Medwedew sprach die Wahrheit?

      Das letzte Geschenk fühlte sich eisig in meinen Händen an, die nun plötzlich glühten. Die Kälte tat gut und lenkte ab.

      Papa versuchte ebenfalls tapfer zu erscheinen. Als letzter Zar und Familienoberhaupt wollte er uns auch in dieser Stunde Mut machen und ein Vorbild sein, darum bekreuzigte er sich und murmelte Gebete. Was nutzte das?

      Hätte er doch lieber die Angebote des deutschen Kaisers angenommen. Ich hatte daraus gelernt, dass Stolz uns nur im Wege stand und blind machte. Man sollte auf gar nichts stolz sein. Genauso gut könnte man feststellen, man wäre dumm und dazu noch überheblich.

      Trotz all der Aufregung hatte er offensichtlich bemerkt, dass Mama mir etwas gegeben hatte. Er ahnte, was es war, überließ aber allem, wie so oft, seinen Lauf. Was sollte er auch in diesem Moment sonst tun?

      Unser Hausarzt, Dr. Jewgeni Botkin, stand neben Papa. Trotz der Kühle des Kellers rann fortwährend Schweiß von dessen Stirn. Seine wenigen Haare klebten dadurch an dieser. Er nestelte fortwährend nervös und ängstlich an der runden Brille. Seine Klugheit ließ ihn die Gefahr deutlich erkennen. Er verbarg vor mir seine panischen Blicke. Was sollte er auch mitteilen? Etwas hinter dem Doktor und Papa stand unser Koch. Ich befand mich in der äußersten Ecke neben Mamas Kammerfrau, die ein Kissen bei sich trug. Rechts vor mir stand Maria. Ich hatte somit alle gut im Blick. Anna Demidowa, so hieß die Bedienstete, hatte Mama ihr Kissen für Ljoschka angeboten, doch diese hatte es abgelehnt. Sie wollte ihn nicht von sich lassen.

      Anastasija und Tatjana standen hinter Mama. Ich selbst hatte mich mit dem Rücken an den rundlichen Kamin gelehnt, der sich unmittelbar hinter mir befand.

      In der Ferne hörten wir den Kanonendonner. Dumpf drang dieser durch die Wände des Kellerzimmers. Er war lauter geworden. Die Gefechte kamen rückten also näher und unsere Befreiung löste sich auf, wie ein Regenbogen am Himmel.

      Wir Mädchen, der Leibarzt, unser Diener, das Kammermädchen, der Koch und Papa standen. Insgesamt waren wir elf Gefangene. Es gab außer den zwei Stühlen keinerlei Möbel im Raum. Mama setzte nun den Zarewitsch auf den einen Stuhl und sich auf den anderen. Er legte seinen Kopf auf ihren Schoß. Papa, der nun neben ihm stand, streichelte liebevoll seine Hand.

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      Unsere schönsten Augenblicke standen mir so kurz vor dem Tod vor Augen. Wie hatten wir das Leben mit unserem Baby genossen – so nannten wir unseren kleinen Bruder manchmal auch. War Ljoschka guter Dinge und fröhlich, schien der Sonnenschein überall im Palast. Ging es ihm durch die vielen Medikamente oder eine Verletzung schlecht, hingen düstere Wolken über unserer kleinen Insel.

      Er musste leider immer äußerst vorsichtig sein. Das widersprach eigentlich seinem ungestümen Wesen. Bei Spaziergängen wurde er darum sogar von zwei Kosaken getragen, über deren Verschiedenheit Alexej gern scherzte.

      Die Leiden und Schmerzen seiner Krankheit hatten sein goldenes Herz noch mitleidsvoller gemacht. Jedem, der litt, spendete er selbst Trost. Er war einer dieser wenigen, ganz besonderen Menschen, die nur sehr selten in dieser hässlichen Welt geboren werden. Christen bezeichnen solche Menschen als „Heilige“, die Buddhisten nennen sie „Boddhisatvas“.

      Ich hatte als älteste Schwester viel Zeit mit Ljoschka verbracht und bei seiner Erziehung geholfen – von Anfang an. Mama schimpfte manchmal mit mir, da ich ihm aus ihrer Sicht zu wenig Tischsitten beigebracht hatte. Aber wie sollte man diesem Charmeur denn Grenzen setzen? Einmal hatte Alexej beim Empfang einer Dame den Schuh ausgezogen und eine Erdbeere hineingesteckt. Deswegen durfte er lange Zeit nicht mehr mit anderen Gästen essen.

      Anders als wir fühlte sich Ljoschka jedoch mehr als Russe denn als Deutscher. Papa hatte ihm das eingeredet, da er ein Zarewitsch und somit der zukünftige Zar war. Deswegen trug unser Bruder wie alle Romanows gern die russische Marineuniform und sprach bewusst nur diese Sprache. Selbst wenn Mama ihn außerhalb des Unterrichts etwas auf Deutsch fragte, antwortete er ihr auf Russisch.

      Als Papa wegen des Krieges im Feldlager war, begleitete Alexej diesen oftmals dorthin. Die Erlebnisse hatten beide zusammengeschmolzen. So war zum Beispiel der Sohn eines Generals in dieser Zeit gefallen. Da Papa Ljoschkas gutes Herz kannte, ließ er diesen bei dem trauernden Vater übernachten. Unser Bruder vermochte diesen alten Mann allein durch seine Nähe wieder aufzurichten und Trost zu spenden, obwohl er gerade elf Jahre alt war. Wir Schwestern und Mama pflegten in dieser Zeit die Verwundeten. Wir sahen dabei viel Leid.

      Keiner sprach nun ein Wort, da die Angst ihre dunklen Flügel ausgestreckt hatte. Ich war mit fast dreiundzwanzig Jahren das älteste Kind und bildete den äußeren Abschluss unserer verängstigten nächtlichen Gruppe.

      Es war jetzt 01:20 Uhr morgens. So standen wir verhöhnt und erniedrigt in diesem kühlen Zimmer und warteten auf weitere Anweisungen. Alle spürten, dass etwas anders als sonst war.

      Furcht schnürte unsere Hälse zu und ließ bei meiner Schwester Anastasija unentwegt Tränen kullern. Sie war die Jüngste. Diesen Gefallen wollte ich den roten Bestien nicht gewähren. Meine Hände zitterten jedoch erneut wie Espenlaub.

      Wir würden sicher sterben. Das war unser letzter Morgen. Ich machte mich bereit und zwang mich vor Angst nicht ohnmächtig zu werden. Ich musste klaren Verstand bewahren, damit mich das geheime Mittel vielleicht doch rettete. Ja, ich wollte leben, leben. Die Hoffnung stirbt zuletzt.

      Der kleine Zarewitsch hustete und weinte. Mama strich ihm zärtlich über das Gesicht. Ihr Blick lag jedoch beschwörend auf mir. Leider hatten wir uns oft gestritten, da ich sehr eigensinnig sein konnte. Wie gern hätte ich all meine harten Worte nun in Worte der Liebe verwandelt. Für mich war dies die kostbarste aller Familien. Ich umschloss die dunkle Ampulle in der Hand noch fester. Sie gab mir Halt.

      Papa sah mich traurig, aber konsterniert an. In seinen warmen Augen stand alle Liebe. Er verabschiedete sich