Frater LYSIR

Voodoo, Hoodoo & Santería – Band 2 Santería-Praxis - Arbeiten mit den Orishas und das Ifá-Orakel


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noch üblich ist, dass Kleinkinder, bzw. Säuglinge, getauft werden. Man kann sich alle Informationen aus dem Internet holen, man kann gigantisch viele Gottesdienste, Taufen, Hochzeiten, Kommunionen und Konfirmationen auf Bildmaterial und Videoplattformen finden, sodass man sich hier entsprechende Ausführungen anschauen kann. Und diese kann man dann im eigenen Wohnzimmer erneut ausführen. Doch es ist nicht authentisch. Es ist ein Nachmachen, es ist ein Simulieren, es ist ein dramaturgisches Schauspiel, es ist vielleicht sogar für das eigene System eine religiöse Handlung, doch es ist nur sehr schwer, mit einer christlichen Zeremonie in einer Kirche zu vergleichen. Die Atmosphäre es anders, die Grundeinstellung es anders, die ganze Zeremonie wirkt anders, da es um programmierte und festgefahrene Muster geht, die man eben nicht „mal eben“ überwinden kann. Und um solche programmierten Muster geht es auch in der Santería-Religion. Wenn man mit diesen Zeremonien, mit diesen Riten und Gebräuchen, mit diesen Ritualen aufgewachsen ist, dann ist es etwas ganz anderes, als wenn man sich die Praxis aus Büchern versucht anzueignen. Deswegen muss man klar und deutlich sagen, dass Santería keine Religion ist, die man alleine ausführen kann, die man selbst gestalten kann, die man so handhaben kann, wie irgendwelche magischen Richtungen, Arbeitsmaximen oder Philosophien. Santería ist eine Religion, die auf einer Gemeinschaft fußt, die gemeinschaftsbasierte Zeremonien, Riten und Rituale ausführt, und die durch die Gemeinschaft lebt. Man kann es lapidar so ausdrücken, dass ohne eine Gemeinschaft die Santería-Religion nicht existent ist. Natürlich ist die Religion in jedem Einzelnen Menschen vorhanden, in jedem Santero, in jeder Santera schwingt die Essenz von Santería.

      Dies gilt natürlich auch für all die anderen gerade, wobei sie irrelevant ist, ob es um „Aleyo“ oder „Aleyus“ geht, um „Aborisha“, gefolgt von „Olorisha“ bzw. „Santero / Santera“, um „Iyawo“, „Yawó“ oder „Yabo“, um „Padrino“, „Madrina“, „Babatobi“ bzw. „Iyatobi“ um „Oyugbona“, „Ojugbona“ bzw. „Yubona“, um „Babaaláwo“, „Babalawo“, „Babalao“ oder „Babalaô“, bzw. „Iyaláwo“, „Ìyánífá“, oder um „Obá“ bzw. „Oriaté“ geht. All diese Menschen, all diese gerade, sind mit Santería verwoben. Jeder Mensch ist Santería in diesem Kontext, doch erst in einem religiösen Zusammenschluss, in einer Feierlichkeit, in einem Gottesdienst, in einem Ritual, einem Ritus, wird der Geist lebendig. Auch die ausgebildeten Priester, die Ritualleitungen, die ohne weiteres ihre Arbeiten auch alleine ausführen könnten, tun dies nicht, da dies dem Grundsatz von Santería widerspricht. Es geht hierbei nicht um ein Ritual, welches man eben auch alleine machen kann, da man in keiner magischen Gemeinschaft ist, jedoch ein Ziel verfolgt, welches man magisch erreichen will. Es geht hierbei um eine Religion, nicht um einen magischen Akt.

       Und genau deswegen kann man Santería alleine nicht ausführen.

      Es ist ein typisch westlicher Gedanke, es ist ein typischer Gedanke in der Magie, in der Szene der Orden, Logen, Zirkeln und Coven, dass man letztlich eben doch alles alleine meistern kann. Im magischen Kontext stimmt das, im religiösen Kontext nicht. Religion ist hier was ganz anderes, denn gerade die Santería-Religion lebt durch die Gemeinschaft. Und auch wenn man selbst Jahre oder Jahrzehnte in einer Gemeinschaft aktiv war, wenn man wirklich ein begnadeter Santero bzw. eine begnadeter Santera ist, wenn man wirklich über Jahre den Titel Vater/Mutter der Geheimnisse (Babaaláwo / Iyaláwo) tragen durfte, wenn man die Kunstfertigkeit eines Akpwón besitzt, die rhythmische Gabe eines Omó-Añá besitzt, wird man alleine nicht die eigentliche religiöse Handlung ausführen. Man kann singen, man kann Trommeln, doch es ist nicht das klassische ausüben der Santería-Religion. Auch wenn man die Prämisse „Iwa Pele“, den „guten Charakter“ lebt, es als Maxime verstanden hat, auch wenn man das Ashé fokussieren kann, es für sich mehrt, seine Umgebung damit flutet, ist es immer noch keine religiöse Handlung. Auf der einen Seite ist es eine Maxime, die man als Philosophie verstehen kann, auf der anderen Seite ist es eine Religion, die man im eigenen Inneren leben kann, doch die eigentliche religiöse Handlung findet in der Gemeinschaft statt. Man kann natürlich sein Wohnzimmer, sein Haus, seinen Garten, als Tempel einrichten, man kann hier eine eigene, Linie Gründen, man kann ein eigenes heiliges Haus gründen, doch wenn man alleine in diesem heiligen Haus Santería zelebriert, ist es nicht mit dem Grundgedanken identisch, der Santería belebt. Es geht um die Gemeinschaft.

      Erst, wenn man in seinem neu erschaffenen heiligen Haus eine Gruppe von Menschen vereinen kann, die sich auch für die Santería-Religion interessieren, die auch die Santería-Religion annehmen wollen, könnte man es so definieren, dass man endlich Santería praktiziert. Doch die große Betonung liegt hier auf „KÖNNTE“, denn wenn man dann jemanden fragt, der aktiv in einer Santeríagemeinschaft lebt, wird dieser müde lächeln und sagen, dass jeder Mensch individuell ist und dass man die Santería-Religion einfach nur leben muss, diese aber nicht irgendwie nach machen, kopieren, abändern, reproduzieren, nachformen, nachahmen oder abbilden kann. Wenn man natürlich in die Santería-Religion initiiert wurde, wenn man an verschiedenen Riten und Ritualen teilgenommen hat, wenn man die Quintessenz für sich filtern konnte und immer noch filtern kann, kann man eine eigene Gemeinschaft ins Leben rufen. Es gibt ja auch keine Definition, ob man die Religion jetzt ausführen kann oder nicht. Es gibt auch keine festgelegte Checkliste, ob und wie man gegebenenfalls doch alleine Santería praktizieren kann. Es geht ganz einfach darum, dass man versteht, dass für die Santería-Religion die Gemeinschaft das absolut Wichtigste ist, was bedeutet, dass einfach niemand auf die Idee kommt, alleine ein Ritual bzw. eine Santería Zeremonie auszuführen.

      Doch was bedeutet dies jetzt alles für die Praxis? Was bedeutet es, wenn man sich selbst verstärkt mit der Religion Santería auseinandersetzen will? Dadurch, dass die Santería-Religion, in Bezug auf viele andere Religionen, relativ jung, relativ flexibel und sehr diesseitsorientiert ist, gibt es hier natürlich sehr viele verschiedene Möglichkeiten. Diese Möglichkeiten beziehen sich jedoch stärker auf esoterische, spirituelle und magische Handhabungen, da die religiösen Handlungen die Gemeinschaft brauchen. Doch die Grenzen sind in diesem Kontext sehr fließend, denn letztlich muss jeder selbst für sich, allein für sich, definieren und bestimmen, wo die Religion beginnt, wo sie aufhört, was das Wichtigste der Religion ist, wie diese Religion zu anderen Religionen steht, wie die Magie in dieser Religion verwoben ist und wie klar und deutlich man magische Rituale mit religiösen Gedanken verweben kann. Durch die verschiedenen Informationen wird man auch für sich feststellen können, ob es der eigene Geist, der eigene Intellekt und der eigene Wille vermögen, entsprechende Handlungen allein und selbstständig auszuführen, oder ob man sich selbst auf die Suche nach einer Santeríagemeinschaft machen muss, die es natürlich auch außerhalb Kubas gibt. In den sozialen Medien, in religiösen Foren, auf verschiedenen Internetseiten, die sich mit dem Thema Santería befassen, wird man ohne weiteres fündig werden.

      Man wird auch auf viele offene Menschen stoßen, die bereitwillig sind, über ihre Religion Auskunft zu geben, doch man wird auch auf verschlossene Türen und auf starre Minen stoßen, die alles andere als eine Begeisterung ausdrücken, wenn man in die religiöse Tiefe eindringen will. Doch bei den ganzen Recherchen muss man natürlich auch aufpassen, denn man wird auch an sehr viele Scharlatane geraten können, die hier ein gutes Geschäft wittern. Dies gilt verstärkt für die Thematik, dass rituelle Gegenstände verkauft, vermarktet oder auch verramscht werden. Ob es jetzt das Ifá-Orakel oder das Diloggún ist, ob es nun um die „heiligen Halsketten“, die Elekes/Iléke geht, ob es sich um ein Idé handelt, ein Armband, welches meist die gleiche Farbkombination wie die Elekes/Iléke aufweist, ist eigentlich sekundär, denn es gibt unheimlich viele Fälschungen. Auf der anderen Seite was sind authentische Gegenstände, was sind Fälschungen? Es muss nicht immer Handarbeit sein, denn auch auf Kuba werden die Elekes/Iléke zum Teil „fertig gekauft“, da es mittlerweile hier einen entsprechenden Markt gibt. Doch es werden auch Fetische verkauft, Figuren, Altardekorationen, es werden sogar fertige Rituale verkauft, und natürlich auch viele Bücher, die sich auf Santería beziehen. Es werden auch Statuen von Göttern bzw. Statuen von den Òrìṣàs / Orishas / Orixás / Orichas verkauft, wie auch Bilder, und auch andere Gegenstände, die hier als Symbole verwendet werden können. Hinzu kommen natürlich noch die Bestandteile der katholischen Religion, denn selbstverständlich hat der Synkretismus einen großen Einfluss. So gibt es entsprechende Gebete, es gibt Rosenkränze,