Evadeen Brickwood

Abenteuer Halbmond


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verbreitet oder in irgendeiner Form, mit irgendeinem Einband oder Umschlag ohne die vorherige schriftliche Erlaubnis des Urhebers sowie des obengenannten Verlegers dieses Buchs gehandelt werden.

      Es handelt sich hierbei um eine erfundene Geschichte. Namen, Charaktäre, Orte, Markenzeichen, Medien und Vorkommnisse sind entweder ein Produkt der Fantasie des Autors oder wurden in fiktivem Zusammenhang benutzt. Der Autor erkennt den geschützten Status und die Urheber der Marken verschiedener Produkte an, auf die in dieser erfundenen Geschichte hingewiesen wird und ohne Erlaubnis benutzt werden. Die Veröffentlichung/Benutzung der geschützten Markenzeichen wird von den Urhebern weder autorisiert oder mit ihnen verbunden noch von ihnen finanziert.

      „Ich habe nicht die Hälfte von dem erzählt, was ich gesehen habe,

      weil keiner mir geglaubt hätte.“

      Marco Polo

      ABENTEUER HALBMOND

      Kapitel 1

      Eine warme Brise trägt mich sanft hierhin und dorthin. Stille. Nichts. Nur Wärme. Eine Stimme dringt zu mir durch, holt mich zurück. Ruhig und bestimmt.

      “Drei, Sie kommen zurück - zwei, Sie werden jetzt aufwachen - eins, Sie öffnen Ihre Augen und können sich an alles erinnern... ”

      Dr. Albrechts Stimme erreichte mich wie aus weiter Ferne. Die Bilder hinter dem Nichts verblassten. Dr. Albrecht - ich erinnerte mich an ihn. Er hatte mich hypnotisiert.

      Gerade noch hatte ich mich als zwölfjährige Version meiner Selbst gesehen. Dunkelblond, schlank, mittelgroß, volle Lippen und graue Augen. Jung und verletzlich. Traurig. Eigentlich mochte ich mich mit zwölf.

      “Das haben Sie gut gemacht, Isabell,” lobte Dr. Albrecht und schaltete den Kassettenrecorder ab. Folgsam öffnete ich meine Augen und nahm einen tiefen Atemzug.

      Dr. Albrecht sah auf seine Armbanduhr, dann auf die Wanduhr. Wahrscheinlich, um sicherzugehen, dass es tatsächlich schon so spät war. Es wurde kühler, roch nach Bohnerwachs. Der bequeme Liegesitz, auf dem ich die letzte halbe Stunde verbracht hatte, drückte mich auf einmal hier und da.

      “Mhmm.” Ich reckte und streckte mich ausgiebig. Es dauerte immer eine Weile bis ich mich wieder an ‘Heute’ gewöhnt hatte.

      ‘Heute’ - das war im Sommer 1977, in meiner Heimatstadt Karlsruhe.

      Ich war schon fünfzehn und meiner Meinung nach ein ganz gewöhnlicher Teenager. Ich machte Sport, mochte Musik, hatte ab und zu einen Pickel und lehnte mich gegen meine Eltern auf. Deswegen war ich hier. Meine Eltern waren nämlich der Meinung, ich sei zu ‘schwierig’. Rebellisch sogar. Dr. Albrecht sollte dem Abhilfe schaffen.

      Verkehrslärm schallte zu uns herauf. Der Kaffee auf dem breiten Arztschreibtisch roch schal und die Uhr an der weißen Wand gegenüber zeigte 14.30 Uhr an. Eine Straßenbahn klingelte. Die Gegenwart hatte mich wieder.

      Diese neuartige Hypnose-Behandlung dauerte nun schon ganze zwei Monate und förderte so einiges aus meiner frühen Kindheit zu Tage. In den siebziger Jahren wurden gern solche neuen Methoden ausprobiert - man fand das wohl modern. Mir sollte es recht sein.

      “Wir haben noch Zeit, uns die wichtigsten Stellen auf dem Band anzuhören. Und ich habe da noch ein paar Fragen an Sie.”

      “Klar doch Doc,” sagte ich keck.

      Ich setzte mich auf und sah zu, wie er sich mit dem Kassettenrecorder zu schaffen machte. Soweit ich es beurteilen konnte, war Dr. Albrecht schon steinalt.

      Mindestens dreißig. Sein schütteres Haar und die Krähenfüße um die bebrillten Augen waren ein klares Zeichen fortgeschrittenen Alters. Außerdem trug er einen weißen Arztkittel und sprach mich immer mit ‘Sie’ an. Er musste ziemlich clever sein und erinnerte mich an ein Poster von Albert Einstein. Nur dass er nicht so verrückte Haare hatte. Dr. Albrecht war der einzige Erwachsene, der mir richtig zuhörte.

      Das mit der neuen Therapie war an sich ‘ne tolle Sache. Am Anfang hatte ich natürlich keine Lust dazu gehabt, aber dann gewöhnte ich mich dran. Unter Hypnose erlebte ich alles genauso wie damals, nur dass ich eben dabei die Kontrolle hatte. Hinterher redeten wir immer darüber. Diesmal hatten die Erinnerungen mit einem Telefongespräch begonnen, das ich als Zwölfjährige mit meinem Vater führte.

      ‘Papa, sie liegt einfach nur im Bett und sagt nichts und starrt die Wand an. Ich hab’ Angst. Komm’ nach Hause!’

      ‘Bist du sicher, dass sie nicht einfach nur wieder schmollt? Ich habe soviel Arbeit heute. Warst du wieder frech zu ihr?’

      ‘Nein, ganz bestimmt nicht. Wir haben nichts angestellt.’

      Meine ältere Schwester Evelyn fing zu heulen an und meine kleine Schwester Paula verkroch sich unter dem Esstisch.

      ‘Hat sie was eingenommen?’

      Das wussten wir nicht. Sie nahm immer so viele Pillen. Papa beeilte sich nach Hause zu kommen und ein Ambulanzfahrzeug nahm meine Mutter mit. Wir fühlten uns schuldig, weil Papa nicht mit uns redete. Meine Mutter war danach für zwei Monate in ‘Kur’ gegangen.

      Während dieser Zeit schickte uns die Krankenkasse eine heftige Walküre von einer Pflegerin, die sich um die Familie kümmerte. Sie hatte eine unmoderne Hochfrisur und kommandierte uns mit schriller Stimme herum… Dr. Albrecht stoppte die Aufnahme.

      “Wie empfanden Sie die Abwesenheit ihrer Mutter?” fragte Dr. Albrecht.

      “Hmm, irgendwie schuldig und ich mochte die Pflegerin noch weniger als meine Mutter,” meinte ich und beantwortete noch drei oder vier weitere Fragen. Ich hatte es gelernt meine Gefühle in Worte zu fassen. Das war gar nicht so übel.

      “So, ich glaube das reicht für heute,” sagte der gute Doktor auf einmal.

      Ich sah verdutzt zur Wanduhr auf. Es war schon kurz nach drei. Höchste Zeit. Der Psychologe setzte noch einen letzten Kringel hinter seine Notizen und begab sich wie immer in den ledernen Stuhl hinter dem Schreibtisch.

      “Tja, wir sind fast am Ende unserer Therapie angelangt,” meinte er auf einmal und warf seinen Kugelschreiber in eine flache Glasschale. “ Ein voller Erfolg. Sie können stolz auf sich sein, Isabell. Wir brauchen noch eine…vielleicht zwei Sitzungen.”

      “Ja, vielleicht. Ich muss jetzt gehen,” sagte ich ungeduldig und schlängelte mich aus dem weichen Liegesessel heraus. “Morgen schreiben wir eine wichtige Klausur.”

      Dr. Albrecht schob seine Goldbrille zerstreut den Nasenrücken hinauf. Er wollte anscheinend noch etwas sagen. Ich pflanzte mich zappelig auf den Holzstuhl vor dem Schreibtisch und sah ihn erwartungsvoll an.

      Kaum jemand wusste von der Therapie und ich spreche eigentlich nie mit meiner Familie darüber. Das war mir zu peinlich. Die Mädchen in meiner Klasse waren viel zu unreif, um sowas wie Hypnose zu verstehen. Die hätten sich bestimmt über mich lustig gemacht. Nur meine beste Freundin Renate wusste davon und war okay damit.

      ‘Ist das nicht Klasse? Ein richtiger Psychologe,’ hatte ich ihr nach der ersten Sitzung begeistert berichtet.

      ‘Wozu brauchst du einen Psychologen?’ Sie sprach das Wort aus, als handle es sich um verdorbenes Essen.

      “Na, du weißt ja, meine Mutter und der ganze Mist.”

      ‘Warum geht sie dann nicht zum Psychologen?’

      ‘Vielleicht weil sie erwachsen ist?’

      Vielleicht sollte ich nicht mal mehr Renate von meiner Mutter erzählen. Sie könnte noch denken, ich sei genauso verrückt.

      ‘Das ist der einzige Grund? Erwachsene haben wohl immer recht, was?‘

      ‘Was denn sonst?’

      ‘Wie bekloppt.