Tanja Lauber

Fabelfeuer


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Dämmerung, in eine Richtung die ihm völlig unbekannt war. Alles an diesem Weg war ihm fremd. Jeder Schritt, den er ging fühlte sich an wie ein Rätsel. Sein Weg zog ihn mit sich, das zumindest spürte er, doch alles was er erlebte, wirkte wie eine Fremdsprache auf ihn, die er nicht verstand. Tuday hatte einen wachen Verstand. Er war gut darin Dinge logisch nachzuvollziehen und Zusammenhänge zu erkennen. Doch dieser fabulöse Weg widersprach seinem Verständnis von Logik. Schritt für Schritt wühlte er sich durch die Dämmerung, so als durchsuche er sie mit jedem Schritt nach etwas Verstehbarem. Die Sonne auf der einen Seite vor ihm herwandernd, der Mond auf der anderen. Zwei Gestirne, die selbst nicht wussten wohin. Wenngleich vor ihm wandelnd bewegten sie sich nur, wenn Tuday sich bewegte. Tuday blieb stehen, so hielten auch Sonne und Mond inne. Die Gestirne waren genauso groß wie sie früher am Himmel gewirkt hatten. „Wohin läufst du?“ Der kleine Zwerg streckte seine Brust heraus und reckte sich bis in die Spitzmütze, damit Tuday ihn besser sehen konnte. Der kleine Zwerg wirkte klein, so wie Zwerge eben sind, dachte Tuday und lächelte insgeheim über diese märchenhafte Logik. Tuday dachte, wer bist du, doch wie automatisch folgte er einfach der Frage des kleinen Zwerges und antwortete: „Irgendwohin und Nirgendwohin.“ „Das ist aber keine gute Herangehensweise, sag ich dir leise, denn wer zu laut spricht, den hört man nicht. Nirgendwohin kann niemand gehen, sonst bleibt er stehen.“ Dann sag du mir wohin ich gehen soll, denn du bist ja wohl der Weise in der Geschichte.“ Immer vorwärts, nicht zurück, nicht ein Stück.“ „Und wo ist vorwärts?“ „Da wo du bist, wo du Süden, Norden, Osten, Westen fühlst.“ „Du kannst anscheinend nur Antworten geben, die Fragen aufwerfen. Wahrscheinlich haben das Weise so an sich.“ „Ich habe eine weite Reise gemacht und dir etwas mitgebracht. Denn Zwerge reisen, wenn sie etwas zu verschenken haben, sie bringen dem ersten Menschen, den sie treffen, ihre Gaben. Und Menschen trifft man hier sehr selten, denn dies ist ein Weg durch verborgene Welten. Nimm diesen Stein von mir, ich schenke ihn dir.“ Tuday spürte genug Vertrauen zu dem kleinen Zwerg, um das Geschenk anzunehmen. Das spitzmützige Fabelwesen legte ihm einen milchig schimmernden Stein in die Hand. Der Stein fühlte sich in Tudays Hand warm an. Tuday fand den Stein schön. „ Das ist ein Stein von magischem Blut.“ Tuday betrachtete das Geschenk in seiner Hand und fühlte die Wärme. Er wartete darauf, dass der kleine Zwerg seinen Reim vollendete, doch dieser sprach nichts mehr. Stattdessen hob er seine Zwergenmütze vom Kopf, stellte sie mit der Spitze auf den Boden, drehte sie wie einen Kreisel, hüpfte hinein und war verschwunden. Tuday spürte wie der Milchstein für einen Augenblick heiß wurde, für den Bruchteil einer Hundertstelsekunde aufglühte, so kurz, dass er es kaum spürte; und im selben Moment verwandelte sich Tuday in einen Jungen. Hier eine kurze Erläuterung für den Leser, der sich fragt, warum sich Tuday nun gerade in einen Jungen verwandelt hat: Milchsteine sind für die Zwerge kostbare Schätze. Sie wachsen über viele Jahre hinweg auf dem Grund eines Milchsees heran. Es dauert fast ein Jahrzehnt bis ein Milchstein sein ganzes magisches Blut entwickelt hat und dann reif ist für die Ernte. Die Ernte gestaltet sich natürlich etwas schwieriger als einen Apfel vom Baum zu pflücken. Nur ein Zwerg kann einen Milchstein ernten, denn nur die Zwerge tragen das Wissen in sich über das magische Blut der Milchsteine. So können auch nur sie erkennen, ob ein Milchstein voll ausgereift ist, also geerntet werden kann. Diese Steine können nur nachts geerntet werden, nachts drehen sie sich dafür in die richtige Position. So tauchen die Zwerge nachts nach den Milchsteinen und wer einen gefunden hat freut sich wie ein König. Der Finder kann nun das magische Blut zu Zauberhaftem verwenden. Zum Beispiel als Geschenk für einen Menschen. Die meisten Zwerge schenken nicht gerne. Gegenseitig schenken sie sich überhaupt nichts, denn sie wollen lieber alles für sich behalten. Noch nie hat ein Zwerg einem anderen etwas geschenkt. Doch manchmal kommt es vor, dass ein Zwerg den Drang verspürt etwas zu verschenken. So begibt sich der schenkbereite Zwerg auf eine Reise, auf der er dem ersten Menschen, den er treffen wird, sein Geschenk überbringt. Der kleine Zwerg hat seinen wertvollen Milchstein an Tuday verschenkt. Wenn ein Mensch einen Milchstein von einem Zwerg entgegennimmt, glüht der Stein in der Hand des Menschen kurz auf, so dass sich durch dieses unfassbar kurze Aufglühen fast im selben Moment eine Narbe in der Hand bildet. Für den Menschen fühlt sich der Stein einfach einen schier unmerklich kurzen Moment warm an, angenehm. Die Narbe ist kaum sichtbar, sie liegt tief unter der Haut, es ist nur ein leichter milchiger Schimmer auf der Handinnenfläche zu sehen. Genau da wo der Stein lag. Dadurch vollzieht sich für den Beschenkten eine Verwandlung. Der Verwandelte selbst kann sich nicht an die Verwandlung erinnern, er weiß nicht woher dieser milchige Schimmer in seiner Hand herrührt. Die Verwandlung bringt die Stärke des Menschen zu Tage.

      Das Licht findet sich wieder

      Nur eine hat die Verwandlung von Tuday in einen Jungen gesehen. Die Sonne hat Tuday angestrahlt, während er die Hitze des Steines in seiner Hand gespürt hat. Es ist der Moment in der Geschichte, in dem sich die Sonne vom Gesicht des Mondes gelöst hat. Sie ist seinem Sog entronnen, es hat Zoom gemacht. Die randlose Sonnenkugel verspürt wieder ihre eigene Kraft, die Stärke ihres Lichtes ist aufgebrochen. Die Verwandlung des Wanderers in den Jungen Tuday hat ihr Licht wieder nach außen gebrochen. Die Sonne kann sich nun wieder öffnen und den Raum, der sie umgibt, in Helligkeit versetzen. In dem Lichtblick, in dem sie sich an ihren Platz am Himmel erinnert, ist sie schon dort und gibt was sie geben kann – Licht. Es ist Tag geworden. Der Mond hat das gehört, denn es hat Zoom gemacht. So zieht er zurück in seine Umlaufbahn, um der folgenden Nacht sein goldenes Lächeln zu schenken.

      Zwerg Schlampel Pampel, das Alpaka, oder der Geruch von Fabeltieren

      Zwerg Schlampel Pampel reckte seine dicke Nase nach oben, nach unten, nach rechts und links, so als würde er etwas suchen. Und in der Tat tastete er sich schnüffelnd umher, um Fabeltiere aufzuspüren. Zwerg Schlampel Pampel war Fabeltierforscher, das ist nichts Berufliches, was sich jeder aneignen könnte. Nein, als Fabeltierforscher wird ein Zwerg schon geboren, wenn er einer ist. Es kommt nicht besonders oft vor, dass unter den Zwergen ein Forscherzwerg geboren wird, nach zwergenmethodischen Wahrscheinlichkeitsberechnungen soll es pi mal Daumen alle siebeneinhalb Jahre vorkommen, dass ein außergewöhnlich dicknäsiger Zwerg geboren wird, welcher folglich an seinem überdimensionalen Zwergenzinken als Forscher erkannt wird. Zwerg Schlampel Pampel war mit dieser fett-langen, nach vorne und zur Seite herausragenden Knolle gesegnet. Je frischer diese Zwerge noch waren, also je näher an ihrer eigenen Geburt, desto tatkräftiger war ihre Riechstärke und die damit verbundene Riechgeschwindigkeit. Man nennt diese jungen Zwerge auch Riesenbabyzwerge. Denn je jünger ein solcher Zwerg ist, desto dicker und größer ist er. Die Babyzwerge überragen die älteren um ungefähr 2 Meter. Im Alter fangen Zwerge an zu schrumpfen, bis man sie irgendwann gar nicht mehr sehen kann. Zwerg Schlampel Pampel war nun wie schon erwähnt ein dicknäsiger Riesenbabyzwerg, seines Nasenzeichens ausgewiesener Fabeltierforscher. Auch er würde in weit entfernter Zeit beginnen zu schrumpfen, doch bei den Forscherzwergen blieb die Knollendicknase im Alter erhalten, allerdings verlor sie im Laufe der Zeit etwas an ihrem Riechpotential. Forscherzwerge haben nicht nur fette Nasen, ihnen haftet auch eine gewisse Tolpatschigkeit an, wodurch sie unbeabsichtigt humoristische Einlagen vollbringen können. So einer war unser Zwerg Schlampel Pampel. Und immer bei ihm, sein treuer Begleiter Fidibus, das Alpaka. Forscherzwerge haben auf ihren Reisen ihren persönlichen Begleiter dabei, das ist so, weil es schon immer so war Punkt Und so sind diese Zwerge natürlich die einzigen unter dem Zwergenvolk für die das Reisen eine natürliche Bestimmung ist. Das Wissen, das sie über Fabeltiere sammeln können, brüllen sie dann nach jeder Reise vom Zwergberg herab, das ist der kleine Hügel in der Mitte der Zwergensiedlung. Zwerge können nicht schreiben, doch sie haben ein zwergengroßes Gedächtnis. Das Zwerggedächtnis ist so eine Art unsichtbare Farbpalette unter ihren Mützen. Durch neues Wissen und neue Erkenntnisse werden die unterschiedlichen Farben neu aufgefüllt. Das Besondere an einer Zwergengemeinschaft ist, dass alle genau das gleiche Wissen und die gleichen Erkenntnisse haben. Und wenn Neues erkannt wird verändern sich die Farben ihrer Mützen, je nachdem welche Farbe aufgefüllt wurde. Es gibt so vieles über Zwerge zu erzählen, doch ich möchte hier nicht abkommen von unserem neuen Freund Zwerg Schlampel Pampel, seinem Alpaka und dem fabulösen Weg.

      Zwerg Schlampel Pampel riecht etwas

      Wieder