Rüdiger Marmulla

Lars' Diary


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ersten Tagebucheintrag perfekt. Und das Schlamassel mit der Hose vergesse ich ganz schnell wieder.

      Aber eins muss ich noch schreiben: Lisa ist das schönste und interessanteste Mädchen an unserer Schule. Ach, was sage ich: in Frankfurt. Ach was, in Hessen. Auf der Welt. Lisa, Lisa, Lisa.

      Stundenplan

      Liebes Tagebuch,

      heute ist kein guter Tag, um es Lisa zu sagen. Ich habe einen dicken Pickel auf der Nase. Ich gefalle mir gar nicht, wenn ich in den Spiegel schaue.

      Wegschauen. Ich werde wegschauen. Wenn ich sie nicht anschaue, dann schaut mich sicher auch Lisa nicht an. So könnte ich durch den Tag kommen. Klar.

      Mit Mathe geht es heute los. Gut. Mathe liegt mir. Dann Englisch. Mag ich auch. Dann eine Doppelstunde Sport. Das ist saublöd. Ich bin froh, wenn ich die wieder hinter mir habe. Vor allem wenn Mannschaftsspiele gemacht werden und die Gruppen gebildet werden, dann bleibe ich meist als einer der letzten übrig. „Nasser Sack“ haben sie mir beim Bockspringen neulich zugerufen, als ich auf dem Bock nicht ganz so elegant hängen blieb. Himmel, was bin ich froh, wenn Sport heute um ist. Nach der großen Pause eine Doppelstunde Chemie. Ich liebe es, wenn es knallt und raucht. Oder wenn in den Gläsern die peppigen Farben umschlagen.

      Am Nachmittag Hausaufgaben. Ich gehe mittags mit Papa in die Alte Nikolaikirche zur Hausaufgabenbetreuung. Papa macht da die Mathematik-Nachhilfe für andere Kinder. Naja, als Versicherungsmathematiker ist er dazu perfekt geeignet. Heidi wird auch da sein. Aber sie ist kein Vergleich zu Mama. Niemand lässt sich mit Mama vergleichen. Ich vermisse sie so, obwohl Mama nun schon seit drei Jahren nicht mehr mit uns ist. Im ersten Vierteljahr habe ich viel geweint. Aber ich habe das Papa nicht gezeigt. Der war in seiner eigenen Trauerblase.

      Wenn ich Glück habe, dann ist der Pickel bis zum Wochenende weg. Dann sage ich es Lisa. Das Wochenende. Ja, das Wochenende ist gut.

      Ich muss los. Es ist halb acht.

      Große Pause

      Die Sport-Doppelstunde schaffe ich gerade so ohne größere Peinlichkeiten. Ich ziehe mich um und gehe in die große Pause. Aus meiner Schultasche nehme ich mir meine gelbe Kakaopackung. Dann gehe ich auf den Hof. Da ist Lisa. Wegdrehen, wegdrehen. Ich trinke einfach meinen Kakao und tue so, als wäre ich unsichtbar.

      Da spüre ich auf einmal eine Hand auf meiner rechten Schulter.

      Sofort höre ich Lisas Stimme. „Warum bist du denn heute so komisch?“

      „Ich trinke gerade meinen Kakao.“

      „Klar, da musst du dich aufs Trinken konzentrieren. Ich verstehe. Jetzt dreh‘ dich halt mal um.“

      Ich spüre, wie Lisa an meiner Schulter zieht. Mir bleibt nichts anderes übrig, als mich der Situation zu stellen.

      „Heute hast du ja keine schlechte Figur im Sport gemacht.“

      „Volleyball liegt mir mehr als die anderen Sportarten.“

      „Ich weiß, Lars. Mit Fußball kann man dich jagen.“

      Mit einem Nicken stimme ich Lisa zu.

      „Das ist übrigens ein ziemlich fetter Pickel auf deiner Nase. Mann, den darfst du nicht ausdrücken.“

      „Wieso?“

      „Von der Nase ziehen Venen über den Augenwinkel direkt ins Gehirn. Wenn da eine Entzündung hochsteigt, dann hast du Ruckzuck eine Hirnhautentzündung.“

      „Gut, dass dein Vater Arzt ist. Was sollte sonst aus mir werden?“

      „Ich habe einen Tipp für dich. Gegen Pickel.“

      „Ja?“

      „Östrogene.“

      „Wie?“

      „Die Pille. Die wirkt auch auf die Haut.“

      „Aber ich bin doch ein Junge.“

      „Ach so. Na, jetzt, wo du es sagst. Dann musst du es eben aushalten.“ Lisa streicht sich durch ihre langen dunkelblonden Haare. Dann wendet sie sich dem Eingang der Aula zu. „Jetzt Chemie. Ich geh‘ schon mal rein. Kommst du?“

      Egal. Meinen Pickel hat sie schon gesehen. Und kommentiert. Dann brauche ich mich jetzt auch nicht mehr zu verstecken. Auch wenn sie cool reagiert hat, kann ich mich ihr nicht mit einem Pickel auf meiner Nase offenbaren. Das Wochenende. Ich warte auf das Wochenende.

      Schreibfreude

      Liebes Tagebuch,

      sie ist der Grund, warum ich überhaupt schreibe. Lisa ist der Auslöser. Ich muss unbedingt meine Gefühle zu Papier bringen. Lisa ist so schön. Und sie ist cool. Alles, was sie macht ist aufregend und spannend. Ich will einfach für immer mit ihr zusammen sein. Morgen frage ich sie, ob wir am Wochenende gemeinsam auf das Schulfest gehen. Und dort werde ich dann das Thema wechseln. Ich werde ihr sagen, warum ich sie so oft ansehe. Ich werde ihr sagen, wie hübsch sie ist. Und dass ich sie gern leiden mag. Was heißt leiden. Ich liebe Lisa. Hoffentlich habe ich Glück. Ich hoffe, dass ich mir morgen nicht verloren vorkomme, wenn ich nicht die Chance habe, mit ihr am Samstag auf das Schulfest zu gehen.

      Eben wollte ich noch den Mond durch mein Teleskop betrachten. Der Mond scheint schön am Abendhimmel. Aber ich finde keine Ruhe zum Beobachten. Ich denke ständig an Lisa. Lisa. Ich bin so verliebt, und ich weiß nicht, ob sie es erkennt. Ich hoffe nur, dass sie am Samstag Zeit hat, auf das Schulfest zu kommen.

      Ich muss unbedingt meine Gefühle zum Ausdruck bringen. Mit dir, liebes Tagebuch, übe ich nur. Aber in der Gegenwart von Lisa soll es dann wirklich werden. Mein Liebesgeständnis. Es ist Lisa, die mich zum Schreiben antreibt. Ich träume die letzten zwei Wochen so oft von ihr. Meine Gedanken laufen so weit mit ihr fort. Und wenn ich dann vor der wirklichen Lisa stehe, dann weiß ich einfach nicht, wie ich meine Gefühle in Worte fassen soll. Manchmal verwirrt mich Lisa. Ich glaube, alle lieben Lisa. Markus schaut sie auch immer so an. Das mag ich nicht.

      Die Frage

      Jetzt. Der Moment in der großen Pause ist gut. Ich gehe zu ihr. „Kommst du am Samstag auf das Schulfest?“

      „Ach ja, das Schulfest. Am Samstag fahre ich in die Rhön. Segelfliegen. Ich weiß nicht, ob ich früh genug zurück bin, um auf das Schulfest zu kommen.“

      Hastig lege ich nach. „Ich gehe hin. Ich werde auf dich warten.“

      Markus kommt auf uns zu. Hoffentlich geht er an uns vorbei. Nee. Tut er nicht. Er steuert direkt auf Lisa zu. „Kommst du am Samstag auf das Schulfest?“

      Lisa streicht ihre langen Haare zur Seite. „Mal sehen.“

      Markus lässt sich nicht abwimmeln. „Ich gehe hin. Wäre giga, wenn du auch kommst.“

      Ich korrigiere ihn. „Es heißt mega.“

      „Wer sagt das?“ Markus schaut mich düster an. Ich störe gerade seinen Redefluss. Ich merke, dass ihm das nicht passt.

      „Papa. Papa sagt, es heißt mega.“

      „Eltern sind von gestern. Heute heißt das giga. Fertig.“ Markus wendet sich wieder Lisa zu und tut so, als gäbe es mich nicht. Das passt mir jetzt gar nicht. Lisa ist mein Mädchen.

      „Was macht dein Segelflugschein, Lisa?“ Markus lässt sich nicht abwimmeln.

      „Den habe ich vor zwei Wochen gemacht.“

      „Giga. Ich überlege auch, den Segelflugschein zu machen.“ Markus glotzt Lisa an.

      Lisa lässt sich in ein Gespräch verwickeln. Das ist alles total doof. „Ist am Anfang eine Menge Theorie. Du musst erst mal viel lesen, bevor du das erste Mal ins Cockpit steigen kannst.“

      „Kein Problem. Das mache ich mit links. Und dann fliegen wir gemeinsam. Du und ich.“

      Nicht