M. Perthes Friedrich

Treibsand


Скачать книгу

Hülle.

      Sie liebten diese Art von Musik. Oft lagen sie stundenlang im Bett, lauschten den sanften eingängigen Klängen und philosophierten über die Welt und ihr Leben.

      Ihr Gesicht war nur noch Zentimeter von seinem entfernt. Ganz ruhig schauten ihre Augen auf ihn herab. Sorglos und entspannt. Gefangen in diesem Moment. Tim bewunderte ihre einzigartige Schönheit. Er konnte deutlich ihre orientalischen Wurzeln erkennen. Der dunkle, leicht gelb-bräunlichen Teint. Ihre tief schwarzen Augen und die vollen Lippen, sinnlich und weinrot. Besonders ihre Lippen und die katzenhaft geheimnisvolle Form ihrer Augen zogen ihn immer wieder in ihren Bann. Wie eine glänzende Mähne vielen die langen, schwarzen Haare über die Schultern auf ihren Rücken.

      Man konnte das Gefühl, das er für Leila empfand, nur mit tiefer leidenschaftlicher Liebe beschreiben. Sie hatte alles, was er sich von einer Frau erträumte.

      Vorsichtig näherte sich ihr Gesicht. Ihr Mund war bereits leicht geöffnet und ihrem Ausdruck konnte man die einsetzende Ekstase entnehmen. Er war im Rausch. Sein Verlangen nach ihr überstieg seine geistige Kontrolle.

      Ihre vollen Lippen fühlten sich weich auf seinen an. Tims rechte Hand fasste sie am Nacken und presste ihre Lippen noch fester aufeinander. Ihr Schnaufen wurde heftiger.

      Langsam entfernte sie sich wieder von seinem Gesicht und wanderte in Richtung seiner Brustwarzen. Pustend, küssend und leckend überquerte sie seinen gesamte Oberkörper. Er wusste, was nun folgen würde, und es ließ auch den Rest seines Blutes aus seinem Gehirn strömen. Sein Penis war bereits hart und mächtig wie er es nur selten war.

      Den Blick nach oben gerichtet zog sie die Decke zur Seite. Ihr Mund wanderte knapp über seine Leisten. Er spürte ihren warmen Atem auf seiner Haut. Zärtlich begann sie über den pulsierenden Hügel unter seiner Boxershorts zu streicheln. Die Lippen leicht geöffnet. Der Brustkorb durch die tiefen Atemzüge in einen gleichmäßigen Puls versetzt. Er hielt ihren intensiven Blickkontakt. Hilflos ihrer Verführung verfallen.

      Zögernd streifte sie ihm seine Boxershort ab. Er begann bereits leicht sein Becken auf und ab zu bewegen. Dass ihre Bemühungen ein solches Beben bewirkten, ließ ihre Lust scheinbar noch weiter steigen. Mit einem tiefen Stöhnen nahm sie seinen Penis in den Mund und begann ihn langsam zu bearbeiten. Leila war die einzige Frau, der es gelang, Tim mit Oralsex zum Orgasmus zu bringen. Sanft streichelte er ihr währenddessen über das seidige Haar. Sie begann ihren Kopf schneller zu bewegen und ihr stöhnen wurde intensiver. „Oh, Tim, oh, ja, Tim!“ – Ihre Stimme wurde immer klarer. „Tim, Tim hallo, alles klar bei Ihnen?“

      Tim schreckte auf und schüttete dabei das, noch neben ihm stehende, Whiskeyglas über sein Ledersofa. Er starrte direkt in das Gesicht seiner Haushaltshilfe. Mika stand in einem gut gewählten Sicherheitsabstand vom Sofa im Wohnzimmer und rief bestimmend seinen Namen.

      In ihrem Gesicht spiegelten sich Mitleid und ein Hauch von Verachtung. Es war bereits neun Uhr morgens und durch das Fenster schien die Sonne, die sich durch die dicht fallenden Schneeflocken kämpfte.

      „Hatten Sie wieder eine lange Nacht, Tim?“ „Schön wär’s“, stammelte er, stand auf und lief in Richtung Bad. Sein Kopf schmerzte vom gestrigen Alkohol. Er musste sich, während er vor der tief angebrachten Toilette stand, an der Wand abstützen, um nicht umzufallen.

      „Sie sollten langsam mal wieder lernen in ihrem Bett zu schlafen. Wenn sie es nicht mehr brauchen nehme ich es ansonsten gerne. Mein Mann und ich hätten gerne ein so großes Bett.“ „Sie müssten eigentlich am besten wissen, dass ich durchaus noch Verwendung für mein Bett habe“, schallte es durch die offen stehende Tür aus dem Badezimmer. Unter lautem Prasseln strömte der Alkohol vom gestrigen Abend in die Schüssel.

      Als Tim aus dem Bad zurück ins Wohnzimmer kam, war Mika gerade damit beschäftigt mit zwei Putzlappen den Whiskey vom Ledersofa aufzusaugen und zu verhindern, dass er dabei in die Couchritzen lief. Die Spülung hatte er vergessen zu drücken. „Das habe ich damit nicht gemeint. Das wissen Sie genau.“ Grinsend nahm er das fast leere Whiskeyglas, das Mika auf das freihängende Regalbrett über dem Fernseher gestellt hatte, und trank den letzten Schluck aus. Sie schüttelte nur ihr verzerrtes Gesicht und ging an ihm vorbei ins Badezimmer. Betätigte die Spülung und kam mit einer Schürze in der Hand zurück. „Es ist wirklich eine Schande, Tim, wie sie in den letzte Monaten hier leben.“ „Wieso? Sie halten doch alles für mich in Ordnung. Was würde ich nur ohne Sie machen, Mika?“ Mit dem Oberkörper über das Sofa gebeugt drehte sie ihm den Kopf zu. In ihrem Gesicht lag ein gutmütiges Lächeln. Verständnisvoll, deutlich besorgt und dennoch empfänglich für seinen Humor und die kurzen erwärmenden Momente des Lebens. „Sie würden in ihrem eigenen Müll ersticken. Oder in einer großen Whiskeypfütze ertrinken.“ Gekonnt band sie sich die Schürze um und nahm im Vorbeigehen Tim das Whiskeyglas aus der Hand. „Sehr charmant meine Teuerste. Aber ich da unterschätzen Sie mich gewaltig.“

      Tim nahm seine Zahnbürste und begann sich die Zähne zu putzen. Er mochte Mika und genoss diese seltenen Gespräche. Sie hatte eine erfrischend starke Persönlichkeit. Dennoch blieb auch sie nicht vor seinen Launen verschont. Unterhaltungen wie diese waren selten geworden. Meistens ging er ihr aus dem Weg. Er konnte ihre vorwurfsvollen Blicke und aufmunternden Vorträge nicht mehr ertragen. Übelkeit stieg in ihm auf. Und mit ihr der Ärger über sich selbst. Wieder einmal hatte er sich etwas vorgemacht. Hatte sich nach draußen unter Menschen gezwungen, anstatt einfach zu Hause auf dem Sofa zu liegen. Wofür? Um schlecht gelaunt in einer Bar zu sitzen.

      „Ich glaube eher sie überschätzen sich. Sie genießen es doch, sich in ihrem Selbstmitleid zu suhlen. Wenn ich Sie allein ließe, würden Sie doch keinen Monat überstehen.“ Tim hatte jetzt keine Lust sich Mika gegenüber zu rechtfertigen. Sie hatte doch keine Ahnung. Sein Kopf hämmerte und sein Magen krampfte vor Übelkeit, gab allerdings seinen vergifteten Inhalt nicht frei. Er hätte sich jetzt gerne Übergeben. Vermutlich hätte er sich anschließend besser gefühlt.

      Tim spülte seinen Mund aus, stellte die Zahnbürste zurück in den aufklappbaren Oberschrank mit Spiegel und ging durch sein Wohnzimmer. Noch etwas schwach stieg er die Holzstufen zu seinem Schlafzimmer hinauf. Sein Bett befand sich in einer zum Wohnzimmer offenen Galerie direkt unter dem Dach eines fünfstöckigen Mehrfamilienhauses.

      „Denken Sie nur daran, wie ich Sie letztes Jahr nach Weihnachten in ihrem eigenen Erbrochenen auf dem Fußboden liegend gefunden habe. Dieses Bild verstört mich heute noch.“ Er ignorierte ihre Worte. „Ich werde jetzt ein kleines Schläfchen machen, Mika. Sie wissen ja, die Zeit verschont niemanden von uns.“ Mika schien noch etwas zu erwidern aber Tim nahm ihre Worte schon nicht mehr deutlich war. Hastig streifte er sich die Jeans ab und warf sich auf seine Decke. Das Gesicht in sein weiches Kissen gedrückt schlief er ein.

      Mika war nun schon knapp zwei Jahre seine Haushaltshilfe und wusste mit Tims Art. Sie war eine hübsche und selbstbewusste Frau Mitte dreißig und lebte mit ihrem Mann nur ein paar Häuser weiter von Tims Wohnung entfernt. Ihr dichtes dunkelblondes Haar hatte sie, wann immer er sie sah, zu einem Dutt hochgesteckt. Ihre Eltern stammten wohl aus Kasachstan. Mika selbst war aber, soweit er wusste, als kleines Kind mit ihren Eltern nach Deutschland geflüchtet. Er war damals durch Zufall auf sie gestoßen und sehr froh, schnell eine so vertrauensvolle Hilfe gefunden zu haben. Mika hatte keinen Führerschein. Ihr Mann arbeitete als Facharbeiter in einem großen Produktionsbetrieb. Wenn ihre kleine Tochter in der Schule war, konnte sie somit flexibel etwas Haushaltsgeld dazuverdienen. Da Tim in seiner vorherigen Wohnung, etwa drei Stunden von seinem heutigen Wohnort, bereits Erfahrungen mit seiner hochliegenden Toleranzschwelle für Unordnung gemacht hatte, hielt er eine Haushaltshilfe für mehr als angebracht. Zudem konnte er es sich mit seinem neuen Gehalt problemlos leisten. Wahrscheinlich war er der perfekte Arbeitgeber, da er sich wenig darum kümmerte, wann sie beim ihm auftauchte und wie lange sie blieb.

      Seit sie sich kennengelernt hatten, hatte Tims Leben sich sehr verändert. Mika hatte ihn noch zu einer Zeit erlebt, als für Tim alles möglich erschien und er dieses Gefühl auch an andere Personen weitergeben wollte.

      Es schneite und der kalte Wind wehte einem die Schneeflocken ins Gesicht. Frierend lief Tim zur U-Bahn Station. Es war bereits Anfang März. Der Winter kam dieses Jahr spät und