M. Perthes Friedrich

Treibsand


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Grund, dass du dich so in deinem Selbstmitleid vergräbst?“

      Tim erstarrte etwas. Sein Pulsschlag verlangsamte sich deutlich. Er unterließ die Versuche ihrem Blick zu entkommen und schaute nun direkt in ihre Augen. Sie hatte einen leichten Grünstich im linken Auge. Die Kleine erinnerte Tim an einen wilden, verspielten Husky. „Du machst mir langsam Angst. Wer bist du?“

      „Ich hatte also Recht. Naja, war ehrlich gesagt auch nicht sonderlich schwer bei dir. Du hast quasi Romantiker mit verlorener Liebe auf die Stirn tätowiert. Ständig quasselst du nur davon wie wenig dir emotionale Bindung bedeutet. Also wer ist sie? Ist sie hübsch? Mit Sicherheit ist sie hübsch. Und bestimmt auch sehr klug. Wahrscheinlich ist sie klüger als du. Was ist passiert? Sie hat dich wegen `nem Anderen verlassen? Nein, das glaube ich nicht. Dann würdest du Hass für sie empfinden. Ich spüre keinen Hass bei dir. Du wirkst eher ratlos.“

      Ganz ruhig saß Tim vor ihr. Er hatte seinen Kopf wieder nach vorn gerichtet und hielt seine Augen geschlossen. Sein Glas auf dem Tisch abgestellt, stütze er die Ellenbogen auf der Tischplatte und hielt seinen schwer wirkenden Kopf mit den Handflächen.

      „Sie ist weg.“ Sie hatten einen Moment lang geschwiegen. Ihr Blick war noch fest auf Tim gerichtet. Sie nahm einen Zug und hielt Tim ihre Zigarette vor die Lippen. „Nimm einen Zug!“ Der Rauch füllte seine Lungen. Das Atmen viel ihm schwer. Doch der Gedanke, wie der Teer sich um seine Lungenflügel legte und ihn langsam dahinraffen lassen würde, fühlte sich gut an. Der Rebell in ihm wollte sich gegen die ganze alltägliche Normalität wehren. Gegen die langweiligen Gespräche, die er mit einigen Frauen hatte. Gegen den Druck in der Arbeit. Dagegen jemanden vorzugeben, den er eigentlich nicht sein wollte. Seriös zu wirken. Anderen sein wahres Ich vorzuenthalten, um nicht zu riskieren, dass diese den Respekt verlieren würden. Ständig mit deutlich älteren Menschen über die Finanzen, Neuentwicklungen und Marktlagen zu sprechen. Jeden Morgen alleine aufzuwachen. Ohne sie an seiner Seite. Nacht für Nacht sich mit Erinnerungen an sie in den Schlaf zu quälen.

      „Sie hat mich verlassen. Ich hab´s vermasselt.“

      „Wie lange ist sie schon weg?“

      „Ungefähr vier Monate. Ich habe sie seither nicht wieder gesehen.“

      „Wau, so lange schon? Hast du dich seither nie wieder neu verliebt?“

      „Neu verliebt?“ Tim richtete seinen Blick auf Johanna. Seine Stimme klang bestimmter. „Man verliebt sich nicht einfach neu, wenn man so etwas erleben durfte. Wenn du einmal wahre absolute Liebe empfunden hast. Wenn du es in tiefstem Herzen gespürt hast. Dann gibt es kein zweites Mal. Eine zweite Chance. Du stehst nicht einfach auf, streifst deinen Schmutz von den Schultern und gehst weiter. Du klammerst dich an das, was du hattest, weil du keine Erinnerung daran je verlieren darfst.“

      „Oh mein Gott, das ist ja so heiß.“ Schlagartig warf sie ihre Zigarette weg und stellte ihr Glas auf den Tisch. Ihre rechte Hand drückte Tim in die Rückenlehne der Bank und sie setzte sich mit dem Gesicht zu ihm gewandt auf seinen Schoss. Ihre Knie platzierte sie neben seinen Schenkeln auf der harten Holzbank. Langsam streifte ihre rechte Hand durch sein verstrubbeltes Haar. „Ich habe noch nie einen Mann getroffen, der so gefühlvoll von der Liebe gesprochen hat.“ Auffordernd packten ihn ihre Hände am Hals und ihre Lippen umschlossen die seinen. Fest drückte sie ihren leicht geöffneten Mund gegen seine Oberlippe. Tim packte sie an ihrem Hintern und presste sie fest gegen sein Becken. Spürbar öffnete sich ihr Mund und sie streichelte mit ihrer Zunge über seine Lippen. Wehrlos ergab er sich ihrer Leidenschaft, wild über die vollen Lippen küssend.

      „Wolltest du nicht in spätestens zwei Stunden dem kleinen Gnom folgen.“ Schmunzelnd blickte er in das erschöpfte Gesicht der Frau neben sich. Nur eine leichte Decke bedeckte ihren nackten Körper. Die Brustwarzen ihrer großen, vollen Brüste zeichneten sich unverkennbar darauf ab. „Hör auf mit dem Quatsch. Erinnere mich nicht daran. Das versaust nur die Stimmung.“ Sie presste ihm ihre rechte Hand auf den Mund. „Ok ok. Alles, was du willst.“ Seine Stimme konnte man kaum entziffern. Vielmehr sabberte er ihr nur die Hand voll. „Du kleines Ferkel.“ Mit einem Wisch streifte sie ihre Hand an seiner Brust ab. Tim lag nackt neben ihr auf dem Rücken. Er hatte die Hände hinter seinem Kopf verschränkt. „Du hast mich ganz schön außer Atem gebracht, du kleine Nymphomanin. Wenn alle Lesben solche Granaten im Bett sind, lass ich mich operieren.“ Sie lachten. Ihr warmer weiblicher Körper presste sich gegen seinen. Die Decke hatte Tim weggezogen. Sie hatte sich auf ihn gelegt und presste ihre weichen Brüste gegen seinen Oberkörper. Langsam und bestimmend kreiste sie mit ihrer Hüfte auf seinem Becken. Es war nach vier Uhr morgens. Hinter ihnen lagen drei wilde und sinnliche runden Sex voller Ekstase. In drei Stunden musste Tim eigentlich wieder aufstehen und sich für die Arbeit fertig machen. Doch das hatte er längst wieder vergessen. „Ich weiß nicht, ob alle so sind. Du musst wissen, ich liebe meine Freundin wirklich aufrichtig. Auch wenn sie manchmal etwas unstimmig ist. Sie kennt mich und macht sich deswegen Sorgen. Ich kann eben nichts dagegen machen. Manchmal brauche ich einfach einen Mann zum Intim werden. Mit ihr ist es nicht das selbe, wie wenn dich ein schwitzender Mann in seiner Gewalt hat.“ „Ihr Wunsch sei mir wie immer Befehl.“ Seine Hände packten Johanna an der Hüfte und er drehte sie mit einem Ruck auf den Rücken. Dann warf er sich auf sie, nahm seinen steif gewordenen Schaft in die rechte Hand und führte in langsam ein. „Mir gefällt, wie du dabei jedes Mal fast in Ohnmacht zu fallen scheinst.“ Ihre Augen wurden groß und schienen für einen Moment erstarrt auf sein Gesicht gerichtet. Durch ihren geöffneten Mund zog sie mit einem tiefen Atemzug Luft in ihre Lungen. Gleichzeitig erzeugte ihre Kehle ein leises Stöhnen. Während sie ihre Augen schloss, drehte Johanna den Kopf auf die Seite, stieß langsam die eingesogene Luft aus und verfiel anschließend in ein gleichmäßiges aber intensives Stöhnen. Dabei kniff sie ihre Augen bei jedem Stoß etwas heftiger Zusammen.

      Hustend ließ sich Tim neben Johanna auf sein Bett fallen. Die Schweißtropfen kitzelten an seiner rechten Schläfe. Um den Husten zu unterdrücken presste er das Gesicht in sein Kissen. Es dauerte einige Sekunden, bis er sich gefangen hatte und sich völlig erschöpft auf den Rücken drehte. Johanna saß im Schneidersitz in etwas Abstand auf der benachbarten Matratze. Sie wirkte verstört. Auf seinem Nachttisch stand eine bereits geöffnete Flasche, in die Tim Leitungswasser gefüllt hatte. Ohne abzusetzen trank er die halbe Flasche aus, nahm die Schachtel Zigaretten, die daneben lag, und ließ sich wieder in sein Kissen fallen. „Was?“ „Bist du sicher, dass du jetzt eine Rauchen willst?“ Er ignorierte ihre Bemerkung. „Willst du auch eine?“ „Danke, lieber nicht.“

      Auf dem breiten schwarzen Bettrahmen lag bereits die Asche neben dem Aschenbecher verstreut. Seine Bewegung verfehlte ihn erneut knapp. Für einen Augenblick lag er regungslos auf der Matratze. Etwas benommen versuchte er die letzten Minuten zu rekapitulieren. Er hatte das Gefühl, dass diese Aussetzer in letzter Zeit häufiger wurden. „Bist du gekommen?“ Johanna saß noch immer aufrecht auf der Matratze und beobachtete ihn beim Rauchen. „Keine Ahnung.“ Tim zuckte mit den Achseln. „Du?“ „Nein!“ Für einen kurzen Augenblick schwieg sie. „Bist du ok?“ „Denke schon.“ Langsam legte sie sich ebenfalls neben ihn auf den Rücken. „Hast du mir jetzt vielleicht doch einen Zug?“ „Klar!“

      Wie lange er auf dem Rücken lag und die Decke anstarrte, konnte er nicht recht einschätzen. Die lange Nacht zeigte ihre Wirkung und Tim wurde immer erschöpfter. Für einen kurzen Moment erwischte er sich dabei, wie er zuckend aus einem Sekundenschlaf wieder aufwachte.

      Sein Griff ging zu seiner Hose, die völlig zerknüllt auf dem Parkettboden unter dem Bett lag. Vorsichtig zog er die zusammengefalteten Seiten aus der rechten Hosentasche und setzte sich vor seinen Nachttisch. Aufgeregt griff er nach einem Bleistift im unteren Fach. Es war vollgestopft mit losen Blättern und Papierschnipseln.

      „Was machst du da?“ Johanna war ebenfalls einige Male für kurze Augenblicke eingenickt. Tim hatte das Dachfenster leicht geöffnet um den Gestank aus Schweiß und kaltem Rauch abziehen zu lassen. Frierend kroch sie unter die dicke Decke, die aufgehäuft am unteren Bettrand lag. Sein Blick richtete sich wieder auf seine Notizen. „Sag doch mal. Was schreibst du auf diesen Seiten?“ „Muss mir ein paar Anmerkungen machen.“ „Worüber? Schreibst du etwa ein Tagebuch?“ „Kann man so nicht sagen.“ „Du schreibst