Annalies A. Beck

Nachhaltig wirksame Kollaboration in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit


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skill-based and rule-based performance is not quite distinct.“ Es erscheint sinnvoll, sich im Folgenden vor allem auf die dritte Kategorie des wissensbasierten Handelns zu konzentrieren, das sich deutlich von den zuvor genannten Handlungsweisen abhebt. Insbesondere Situationen, die von Unbestimmtheit und Komplexität geprägt sind (vgl. ebd.; vgl. Ramnarayan/Kumar, 1996) und die sich im Kontext von Entwicklungsprojekten durchaus ereignen (vgl. Kap. 2.1.1; Kap. 2.1.2), implizieren bzw. erfordern wissensbasiertes Handeln.

      Dieses Unterkapitel gliedert sich in zwei Teile: Unter 2.1.3.1 wird die handlungstheoretische Sicht um eine Betrachtung organisationskulturbezogenener Besonderheiten von Entwicklungsprojekten ergänzt. Dabei wird ein Fokus auf die Definition der an einem Entwicklungsprojekt beteiligten Akteure, deren Handlungskontexte sowie deren Beziehungsverhältnisse zueinander gelegt. Auf dieser Grundlage wird im zweiten Teil (Kap. 2.1.3.2) des Kapitels die Relevanz des wissensbasierten Handelns im Rahmen eines Entwicklungsprojekts näher ausgeführt.

      2.1.3.1 Betrachtung des Handlungs- und Akteursfelds

      In diesem Teilkapitel werden die Handlungs- und Akteursfelder von Entwicklungsmaßnahmen näher betrachtet. Entsprechend den Annahmen Boltens (vgl. 2017) wird mit einem Akteursfeld die Kulturzugehörigkeit eines Akteurs bezeichnet. Dies setzt zunächst eine Definition des Kulturbegriffs voraus. Entsprechend der etymologischen Herleitung Boltens (vgl. 2009) und der lateinischen Herkunft des Wortes („colere/ cultum“, dt. bebauen, pflegen; vgl. Brockhaus Enzyklopädie, 2020) wird vor allem die Übersetzung „Pflege“ als relevant angesehen. Im Folgenden wird somit dargelegt, inwiefern Beziehungen zwischen Akteuren, die in einem bestimmten Handlungskontext agieren, gepflegt werden. Dabei wird vor dem Hintergrund jüngerer Kulturbegriffsdiskussionen (vgl. Busche et al., 2018; Schmidt-Lux et al., 2016; Bolten, 2015; Hansen, 2009) eine strukturprozessuale Perspektive gewählt, welche impliziert, dass vielmehr von einer Mehrfachzugehörigkeit zu unterschiedlichen kulturellen Akteursfeldern (vgl. Bolten, 2016: 30) ausgegangen wird. Dementsprechend wird den Ansätzen Rathjes (vgl. 2004) und Schmidts (vgl. 2008) gefolgt, dass sich die Kultur einer Entwicklungsprojektorganisation aus miteinander vernetzten Akteursfeldern zusammensetzt und sich in den (Reziprozitäts{38}-)beziehungen der einzelnen beteiligten Akteure manifestiert (vgl. Bolten, 2014). Folglich wird im Rahmen dieser Arbeit nicht von einem Akteursfeld, sondern von mehreren Akteursfeldern gesprochen, in denen die an einem Entwicklungsprojekt beteiligten Akteure agieren.

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      Abbildung 7: Akteursfelder eines Entwicklungsprojekts

      Zudem wird ein Fokus auf die individuellen Handlungskontexte und im Sinne einer „Netzwerkperspektive“ (Bolten, 2014: 32) auf die bestehenden Beziehungsverhältnisse zwischen den einzelnen Akteuren gelegt (s. Abb. 7). Da Kommunikation als zentraler Treiber für die Entwicklung und Konstitution von Organisationskulturen{39} verstanden werden darf (vgl. Jetzke, 2015: 43), soll auf die Kommunikationsprozesse zwischen den handelnden Akteuren ebenso ein besonderes Augenmerk gerichtet werden. Dementsprechend gliedert sich dieses Teilkapitel in eine Betrachtung der handelnden Akteure (Kap. 2.1.3.1), individuellen Handlungskontexte (Kap. 2.1.3.2) und Akteursbeziehungen (Kap. 2.1.3.3).

      2.1.3.1.1 Handelnde Akteure

      Bei einer Analyse der kontext- und entwicklungsprojektspezifischen Besonderheiten der intra- und interorganisationalen Zusammenarbeit stehen die handelnden Akteure im Zentrum der akteursfeldbezogenen Betrachtung. Dementsprechend werden in diesem Abschnitt die an einer Entwicklungsmaßnahme im Rahmen der internationalen EZ beteiligten Akteure näher betrachtet.

      Ein Großteil der Entwicklungsmaßnahmen{40} wird von NGOs oder NPOs durchgeführt (vgl. Wardenbach, 2013: 397). Die Definition einer NGO entspricht oftmals nicht der Begriffsbezeichnung, da tatsächlich zahlreiche NGOs existieren, die „einen Teil oder sogar die Mehrheit ihrer Finanzmittel vom Staat erhalten und deshalb auch dessen Regelmechanismen und Beeinflussungsversuchen unterworfen sind“ (Stockmann, 2016: 545). Im klassischen Sinne wird eine NGO als eine „nach rechtlichen Prinzipien gegründete Institution [verstanden], die durch ein Mindestmaß an formaler Selbstverwaltung, Entscheidungsautonomie und Freiwilligkeit gekennzeichnet ist und deren Organisationszweck primär in der Leistungserstellung im nicht-kommerziellen Sektor liegt“ (Bruhn/Herbst, 2016: 606).

      NPOs können zugleich die Eigenschaften einer NGO aufweisen. Horak & Heimerl (2007: 167) bezeichnen NPOs als „soziale Systeme, in denen wie in anderen Systemen auch Ziele verfolgt, Pläne erstellt sowie Entscheidungen getroffen und kontrolliert werden“.

      Nach Horak et al. (vgl. 2007: 197) lassen sich bei einer typischen NPO sechs Anspruchsgruppen (auch Stakeholder) unterscheiden, zu denen die Klienten, Mitarbeiter, Geldgeber, Konkurrenten, die Öffentlichkeit und die Medien gehören. Abb. 8 zeigt in Anlehnung an dies. (ebd.) fünf Anspruchsgruppen, wobei die Bezeichnungen auf den Kontext der internationalen EZ (vgl. Wardenbach, 2013) übertragen bzw. entsprechend angepasst werden. Wie eingangs erwähnt klammert die vorliegende Studie eine Betrachtung der Projektzielgruppe (auch Begünstigte, Leistungsempfänger) aus, weswegen diese auch an dieser Stelle nicht näher betrachtet wird (vgl. Kap. 1.1).

      Eine Besonderheit von NGOs und NPOs in der EZ liegt darin, dass es sich im Rahmen von Entwicklungsmaßnahmen zumeist um „komplexe Problemstellungen [handelt], die mit herkömmlichen Managementmethoden und Instrumenten kaum zu bewältigen sind“ (Horak/Heimerl, 2007: 168). Da diese Anforderungen und Aufgaben äußerst vielfältig sein können (vgl. Campilan, 2003; vgl. Wang/Bar, 2015), gilt es aufgrund des begrenzten Umfangs dieser Studie eine weitere Abgrenzung vorzunehmen: Genau wie die Leistungsempfänger als Zielgruppe einer Entwicklungsmaßnahme in dieser Studie nicht weiter thematisiert werden, treten auch detaillierte Beschreibungen der sektorbezogenen Aufgaben und fachlichen Leistungen der Projektbeteiligten in den Hintergrund. Vielmehr werden die davon unabhängig existierenden interpersonalen Kommunikations- und Arbeitsprozesse, die wiederum auf den Beziehungen{41} zwischen den Akteuren basieren und die projektbezogene Zusammenarbeit maßgeblich prägen, in den Fokus gerückt.

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      Abbildung 8: Relevante Anspruchsgruppen eines Entwicklungsprojekts

      im Rahmen der intra- und interorganisationalen Kollaboration

      (eigene Darstellung in Anlehnung an Horak et al. 2007: 197)

      Bezugnehmend auf die vier zu fokussierenden Anspruchsgruppen (vgl. Abb. 8) lässt sich das Projektteam, das sich wiederum in lokal beschäftigte Projektbeteiligte im jeweiligen Einsatzgebiet (auch on the ground staff, ground staff){42} und entfernt agierende Kollegen (auch remote staff{43}) aufteilt (vgl. Nguyen, 2016; vgl. Wardenbach, 2013; vgl. Kuo, 2016), von der projektexternen Öffentlichkeit sowie Projektpartnern und anderen Entwicklungsprojekten mit ähnlichen Aufgaben abgrenzen.

      Somit sind für diese Studie Entwicklungsprojekte relevant, die folgende Merkmale aufweisen: Ihr Organisationssitz befindet sich entweder vor Ort im Einsatzgebiet oder aber ggf. auf einem anderen Kontinent weit entfernt davon. Die Organisationsmitglieder können dementsprechend unterschiedliche Nationalitäten sowie kulturelle Hintergründe haben. Auch wenn sie im Einsatzgebiet angesiedelt sind, wird dennoch zwischen remote-Projektmitgliedern bzw. remote staff im Büro und Projektbeteiligten im Einsatzgebiet bzw. ground staff{44}, die im direkten Kontakt mit der Projektzielgruppe stehen, unterschieden. Das jeweilige Projektteam{45} arbeitet ggf. lediglich virtuell zusammen, da sich einzelne Projektbeteiligte an unterschiedlichen Arbeitsplätzen (s. o.) befinden. Sie stehen mit mindestens einer projektexternen Organisation im Austausch bzw. befinden sich in einem partnerschaftlichen Verhältnis, das auf Leistungserbringung und fachlicher Expertise gegen finanzielle Förderung oder dem gegenseitigen fachlichen Wissens- und Erfahrungsaustausch beruhen kann (vgl. Wardenbach, 2013: 395).

      Entsprechend dieser für Entwicklungsprojekte typischen Anspruchsgruppenkonstellation{46} kommt es zwischen den Akteuren zu Handlungsabläufen, die als Arbeits- bzw. Kommunikationsprozesse verstanden werden. Hierin manifestiert sich die intra- und interorganisationale