Annalies A. Beck

Nachhaltig wirksame Kollaboration in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit


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die European Commission 2004 (S. 16) den „Cycle of Operations“ (s. hierzu auch Abb. 3). Des Weiteren äußern sich Stockmann (vgl. 2002), Campilan (vgl. 2003), Befani et al. (vgl. 2014), Hollow (vgl. 2010) und Rogers (vgl. 2012) und zu ihrem jeweiligen Begriffsverständnis von Planung, Implementierung und Evaluation von Entwicklungsprojekten/ -initiativen im Rahmen der internationalen EZ. Somit gilt es in Bezug auf die in erster Linie seitens NGOs und NPOs initiierten Entwicklungsmaßnahmen{27} bzw. im Kontext der projektbezogenen internationalen EZ, klassischen Projektmanagementansätzen folgend, die jeweils sektorabhängigen Aufgaben strukturiert und zielorientiert zu bearbeiten. In dieser Studie liegt der Fokus auf einer näheren Betrachtung der Implementierungs- bzw. Umsetzungsphase solcher Entwicklungsprojekte.

      Internationale EZ zielt darauf ab, nachhaltig wirksame Entwicklung sowie entsprechende Transformationsprozesse voranzutreiben und zu unterstützen (vgl. Schwaab/Seibold, 2014: 157f). Dabei erscheint es notwendig, eine Abgrenzung zu der im Rahmen der EZ praktizierten Organisationsberatung (vgl. Reineke, 1995; vgl. v. Ameln, 2006) vorzunehmen: Die Stärkung von Kapazitäten in Partnerländern (engl. capacity building) (vgl. u. a. Tayyar, 2013) definieren Carneiro et al. (2015: 12) wie folgt: „The improvement of the ability of people, organisations, institutions and society to manage their affairs successfully.“ Wardenbach (2013: 395) erklärt in diesem Zusammenhang die Beratungsintention: „Einheimische NGO[s] sollen in die Lage versetzt werden, die von ihnen geplanten Hilfsprojekte völlig eigenständig durchzuführen und langfristig aus lokalen Einkommensquellen [...] auch eigenständig zu finanzieren.“

      Entsprechend der Ziele internationaler EZ stellt sich die Frage, wie „Veränderungsprozesse“ (Huber-Grabenwarter, 2014: 12) in entwicklungsschwachen Ländern{28} herbeigeführt und umgesetzt werden können. Stockmann (2016: 578f) weist in diesem Zusammenhang auch auf ein übergeordnetes Ziel hin: „Die Mehrheit der EZ-Projekte ist nicht auf die Steigerung des Wirtschaftswachstums ausgerichtet [...], sondern auf die Verbesserung der allgemeinen Lebensbedingungen.“ Die Umsetzung von Entwicklungsmaßnahmen in verschiedenen Sektoren soll genau diesen Zweck erfüllen. Dazu erläutert Koch (2012b: 2): „Entwicklungsprojekte können als Kooperationssysteme gesehen werden, in denen mehrere Partner aus verschiedenen Ländern (und Kulturen) zusammenarbeiten, um bestimmte Ziele und Wirkungen zu erreichen“. Welche Wirkungen gemeint sind und inwiefern diese als nachhaltig angesehen werden können, wird im nächsten Teilkapitel erläutert.

      2.1.2 Nachhaltige Wirksamkeit von Entwicklungsprojekten

      Ohne einen umfassenden entwicklungspolitischen Diskurs{29} eröffnen zu wollen, liegt es im Rahmen der Untersuchung von Entwicklungsmaßnahmen nahe, die Frage nach deren Wirksamkeit zu stellen. Es gilt ein gemeinsames Verständnis von Nachhaltigkeit im Kontext der internationalen EZ zu schaffen und zu klären, welche Implikationen mit dem Nachhaltigkeitsbegriff verbunden sind.

      Grundsätzlich stellt sich die Frage, nach welchen Kriterien Aktivitäten im Rahmen der internationalen EZ als nachhaltig zu bewerten sind. Ausgehend von der Tatsache, dass dem Nachhaltigkeitsbegriff grundsätzlich ein „interdisziplinärer Charakter“ (Eckardt, 2011) zugeschrieben wird, gilt es, sich auf eine Deutung zu beziehen, die im Kontext der internationalen EZ angebracht ist. Holtz (2000: 54) liefert hierfür eine besonders passende Bezugsgrundlage: „Nachhaltig [...] ist die EZ, [...] wenn ihre positiven Wirkungen nach Beendigung der Unterstützung von außen fortbestehen und wenn die EZ Hilfe zu einer [...] Selbsthilfe leistet, die zu dauerhaften Erfolgen führt.“ Ihne & Wilhelm (2013: 7) definieren nachhaltige Entwicklung als eine „auf Dauer tragfähige, menschenwürdige, sozial- und umweltverträgliche Entwicklung“.

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      Abbildung 4: Wandlung strategischer Konzepte der EZ

      (eigene Darstellung in Anlehnung an Jahn, 2012: 33)

      Dem entspricht auch Stockmanns (2016: 614) Definition: „Eine nachhaltige Entwicklung besteht [...] in der Summe aller Strategien und Maßnahmen, die die wirtschaftliche, soziale und ökologische Entwicklung eines Landes fördern, um die Lebensbedingungen der dort lebenden Menschen zu verbessern.“

      Es erscheint sinnvoll, zunächst mit einem Fokus auf die Meilensteine der Entwicklungsgeschichte in den letzten drei Jahrzehnten herzuleiten, wie es zur Verwendung des Begriffs der „nachhaltigen Entwicklung“ (Nuscheler, 2008; Jahn, 2012; Klingebiel, 2013; Heuser/Abdelalem, 2018; Wagner, 2016; Debiel, 2018) kam. Stockmann (2016: 445) erläutert dies wie folgt: „Nachdem die Grenzen des Wachstums den progressiven Fortschrittsglauben erschüttert hatten, gewann das Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung zunehmend an Bedeutung.“ Abb. 4 zeigt, wie sich die Konzepte gewandelt bzw. gegenseitig abgelöst haben.

      Erwähnt wurde der Begriff der nachhaltigen Entwicklung erstmals 1987 im Brundtland-Bericht (vgl. WCED, 1987). Es folgte (s. Abb. 5) 1992 die UN-Konferenz in Rio de Janeiro, auf der u. a. die Agenda 21 verabschiedet wurde:

      „Nach der Agenda 21 sind es in erster Linie die Regierungen der einzelnen Staaten, die auf nationaler Ebene die Umsetzung der nachhaltigen Entwicklung planen müssen in Form von Strategien, nationalen Umweltplänen und nationalen Umweltaktionsplänen. Dabei sind auch regierungsunabhängige Organisationen und andere Institutionen zu beteiligen.“ (Lexikon der Nachhaltigkeit, 2015)

      Einen weiteren Meilenstein auf dem Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung stellten die 2000 auf der UN-Generalversammlung beschlossenen MDG dar (vgl. Kap. 2.1.1.1).

      „The MDGs were a pledge to uphold the principles of human dignity, equality and equity, and free the world from extreme poverty. The MDGs, with eight goals and a set of measurable time- bound targets, established a blueprint for tackling the most pressing development challenges of our time [...] The MDGs have made a profound difference in people’s lives. Global poverty has been halved five years ahead of the 2015 timeframe [...] The concerted efforts of national governments, the international community, civil society and the private sector have helped expand hope and opportunity for people around the world. But more needs to be done to accelerate progress.“ (UN, 2014: 3)

      2015 wurde deutlich, dass die ambitionierten MDG nur zum Teil erreicht wurden (vgl. Radermacher, 2015: 77; Stockmann, 2016: 459). Daraufhin wurde im Rahmen der UN-Vollversammlung am 25.09.2015 in New York die „2030 Agenda für Sustainable Development“ mit neuen bzw. die MDG ersetzenden Zielen (vgl. Radermacher, 2015: 89), die SDG, verabschiedet:

      “This ambitious and universal agenda{30} will reinforce the international community’s commitment to poverty eradication and sustainable development, and will seek to integrate in a coherent and balanced manner the social, economic and environmental dimensions of sustainable development.“ (European Report on Development, 2015: 46)

      Betrachtet man die EZ trotz aller genannten Bemühungen und formulierten Ziele als ein „von Machtasymmetrien und Ungleichheiten geprägtes Feld“ (Nguyen, 2016: 72), können sich „politische Debatten, Kompromisse, vorhandene Machtstrukturen und sich rasch verändernde Rahmenbedingungen“ durchaus hinderlich auf eine nachhaltige Entwicklung auswirken. Inwiefern die EZ die Entwicklung in bestimmten Ländern positiv beeinflusst wird immer wieder diskutiert (vgl. Moyo, 2011; vgl. Rist, 2008; vgl. Wohlgemuth/Carlsson, 2000). Das sog. „Mikro-Makro-Paradoxon“ (Mosley, 1986) impliziert, „dass es zwar viele wirksame Projekte und Programme gibt, die sich jedoch nicht zu gesamtwirtschaftlichen Effekten verdichten, sodass auf der Makroebene – mit ökonomischen aggregierten Makrodatenanalysen – keine robusten Effekte nachweisbar sind“ (Stockmann, 2016: 577). Klingebiel (2013: 58f) teilt diese Meinung: „Wenn es tatsächlich all die positiven EZ-Wirkungen gäbe, mu¨ssten sich auch auf Länder- oder Sektorebene entsprechende empirische Belege finden; dies ist häufig nicht der Fall.“ Moyo (2011: 81f) bedauert die fehlende langfristige Perspektive zahlreicher Entwicklungsmaßnahmen: „Eine kurzfristig effektive Intervention bewirkt oft genug keine nachhaltigen Langzeitverbesserungen.“

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      Abbildung 5: Meilensteine auf dem Weg zu einer nachhaltig wirksamen EZ

      (eigene