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Ein Déjà-Vu
„Na wenn das nicht Felicitas Moser ist!“ Erschrocken wirbelte Felicitas herum. Einen Moment schien sie überlegen zu müssen, wen sie da vor sich hatte. Dann: „Julia? Mensch! Wo kommst du denn her?“ Erfreut umarmte Felicitas die Frau in ihrem Alter. Diese erwiderte die Umarmung: „Ja, mich hat es aufs Land verschlagen. Ich habe soeben eine neue Anwaltspraxis in Winterthur-Seen eröffnet. Als ich dann von dieser neuen Überbauung hörte, liess ich mir die Pläne zustellen und voilà: Ich werde Ende dieses Jahr hier eine 3 ½-Zimmer-Wohnung beziehen.“ Felicitas lachte laut auf: „Du und aufs Land ziehen? Julia, der Stadtmensch? Kaum denkbar!“ Achselzuckend meinte Julia lapidar: „Wir werden alle älter. Doch sag mal, warst du das, die letztes Jahr half diesen Mordfall hier in der Gemeinde aufzuklären?“ Ein Schatten zog über Felicitas Gesicht: „Erinnere mich bitte nicht daran! Es war eine Katastrophe. Ich trat von einem Fettnäpfchen ins nächste und wurde beinahe ermordet. Hätten meine beiden Vierbeiner nicht so gut auf mich geschaut, wer weiss…“ Suchend sah sie sich um: „Wohin sind diese beiden Racker eigentlich wieder verschwunden?“ Laut rief sie nach Romeo und Moon. Julia schaute sich ebenfalls um: „Du hast zwei Hunde? Nun ja, als Tierärztin ist das sicher nichts Aussergewöhnliches.“ Sich wieder Julia zuwendend meinte Feli: „Nein, nein, mir gehört nur die Englische Bulldogge Romeo. Moon, die deutsche Pinscher-Hündin gehört meiner Freundin Maria.“ Da Felicitas wusste, dass die beiden Hunde sicher nicht davon laufen würden, fachsimpelte sie noch ein bisschen mit Julia über Hunde allgemein. Was sie nicht wissen konnte, war, dass die beiden Racker schon wieder auf dem Weg waren, sie in ein neues Abenteuer zu verstricken. Moon hatte nämlich vor ein paar Minuten einen vertrauten Geruch wahrgenommen. Sie tänzelte zu Romeo hin, der gerade sein Bein hob, um die Duftmarke seines grössten Feindes - einem Boxerrüden - zu überpinkeln. „Romeo!“, rief Moon mit deprimierter Stimme: „Du glaubst nicht, was ich erschnüffelt habe!“ Romeo, nicht sehr erfreut über die Störung bei dieser sehr wichtigen Aktion, scharrte noch einmal ausgiebig die Erde auf und widmete dann seine ganze Aufmerksamkeit der kapriziösen Pinscherdame: „Was ist denn, Moon? Hast Du etwa wieder eine Leiche erschnüffelt?“ Dies war scherzend gemeint, doch am Gesichtsausdruck von Moon erkannte er, dass er ungewollt ins Schwarze getroffen hatte. Sein hässliches, jedoch interessantes Gesicht legte sich noch mehr in Falten, als er resigniert meinte: „Nein! Tu mir das nicht an! Nicht wieder eine Leiche!“ Moon setzte sich neben ihn auf ihr Hinterteil und sagte leise: „Nein, Romeo, es ist noch viel schlimmer, ich rieche mindestens drei Leichen!“ Das war nun auch für Romeo zu viel. Er liess sich ins Gras plumpsen: „Drei!! Ach du heilige Häufchen! Können wir nicht einfach vergessen, dass du diese Leichen gerochen hast?“ Empört schüttelte Moon den Kopf: „Das habe ich nicht gehört, mein kleiner Faulpelz. Es ist zwar ärgerlich, vor allem für unsere Freundin Felicitas, doch es ist auch gleichzeitig eine Chance, diesen wirklich tollen Mann von der Polizei wieder mit ihr zu vereinen. Komm jetzt, wir müssen diese Leichen ausbuddeln gehen.“ Mit diesen Worten drehte sie Romeo schwungvoll ihr Hintereil zu und lief, immer die Nase am Boden, auf das Abbruchhaus zu. Resigniert seufzend stemmte sich Romeo vom Boden hoch, kratzte sich noch einmal ausgiebig hinter dem rechten Ohr und trabte dann völlig lustlos hinter seiner Freundin her.
So erreichten die beiden schliesslich den Plattenweg, der um das Abbruchhaus herum in einen ungepflegten Garten führte. Der Arbeiter, der neben dem Haus an einem Elektrokasten hantierte, schaute den beiden verblüfft nach. Schnell liess er sein Werkzeug sinken und lief den beiden Vierbeinern hinterher. Moon und Romeo liessen sich nicht stören, und zielgenau steuerte Moon den hintersten Teil des Gartens an. Dort begann sie ausgiebig zu buddeln. Romeo folgte ihrem Beispiel, allerdings nicht ganz so begeistert. „He! Wollt ihr wohl damit aufhören, ihr beiden?“ Der Elektriker - das war er wohl, sonst hätte er nicht am Elektrikerkasten hantiert - versuchte, die beiden Hunde zu verscheuchen, jedoch ohne Erfolg. Diese beiden liessen sich nicht vertreiben. So machte er sich auf, das Frauchen oder Herrchen der beiden ausfindig zu machen. Er lief auf die Tösstalstrasse raus und tatsächlich, dort standen doch zwei Frauen. Der Mann schüttelte den Kopf. Er war sich sicher, dass eine oder sogar beide zu diesen Hunden gehörten. Zu ihnen hin tretend meinte er: „Entschuldigen Sie, aber vermisst eine von ihnen zwei Hunde?“ Beide Frauen drehten sich zu ihm um, wobei die rothaarige sich suchend umsah: „Ja, haben die beiden was angestellt?“ Freundlich lächelnd schaute sie den jungen Mann an. Dieser war gross, mit sportlicher Figur, trug eine Brille, hatte kurze dunkelbraune, sich schon lichtende Haare und strahlte eine angenehme Ruhe und Freundlichkeit aus. Er wandte sich an Felicitas: „Sind beide Ihnen? Ja, beide sind einfach an mir vorbeigelaufen und buddeln nun den ganzen hinteren Garten um. Es ist zwar ein Abbruchgelände, aber alles umkrempeln sollten sie trotzdem nicht.“ „Oje!“ rief Felicitas und lief los. Der Mann und Julia folgten ihr auf dem Fusse. Es bot sich ihnen ein wahrhaft schreckliches Bild. Ein richtiges Schlachtfeld tat sich den Dreien auf. Romeo sass völlig erschöpft, mit heraushängender, total verdreckter Zunge und Pfoten mitten im Dreck. Moon, die überhaupt noch nicht müde wirkte, aber nicht minder dreckig, zog soeben mit Vehemenz an einem Knochen, der eine eigenartige Form aufwies. Felicitas, die Katastrophen aller Art gewöhnt war, erholte sich zuerst von dem Schrecken und lief zu den Hunden hin. „Moon, Romeo, was soll denn das! SOFORT, hört ihr, sofort kommt ihr her! Fuss!“ Die Fäuste in die Hüften gestemmt, gab Felicitas diesen Befehl. Romeo gehorchte auch sogleich, doch Moon zögerte. Sie wollte auf keinen Fall diesen brisanten Fund aus der Schnauze lassen. Sie hatte nämlich recht behalten. Hier lagen Leichen, mehrere. Der junge Mann war unterdessen ebenfalls näher getreten, stutzte und bückte sich zu Moon hinunter. Laut zog er die Luft ein und winkte Felicitas und Julia heran. „Sehen Sie, was dieser Hund in der Schnauze hat, ist kein normaler Knochen. Es ist eine Hand.“ Sekundenlang hätte man eine Stecknadel zu Boden fallen hören, so still war es. Dann fiel Felicitas neben Moon auf die Knie, zog ihr dann ganz vorsichtig den Fund aus der Schnauze und stöhnte laut auf: „Bitte nicht schon wieder! Warum geschehen immer mir solche Dinge?“ Der kniende Mann neben ihr betrachtete sie genauer und erkannte sie: „Meine Güte! Sie sind die Frau, die im letzten Jahr diesen Mordfall aufklären half, nicht wahr? Es freut mich riesig, Ihre Bekanntschaft zu machen. Mein Name ist Christian Hunziker, und ich bin ein totaler Krimifan.“ Er ergriff ihre Hand und schüttelte sie mit ausgemachter Freude. Mit schiefem Grinsen im Gesicht erwiuHunHun derte Felicitas das Händeschütteln: „Es freut mich ebenfalls, Ihre Bekanntschaft zu machen. Ich bin Felicitas Moser und dies…“, sie zeigte auf Julia, „ist meine Freundin Julia Gerber.“ Die beiden schüttelten sich ebenfalls die Hände. Doch die Aufmerksamkeit von Christian Hunziker richtete sich sofort wieder auf den Knochenfund. „Am besten rufen wir jetzt die Polizei.“ Er stand auf und zog sein Handy aus der Innentasche seiner Arbeitsjacke. Nach kurzem Zögern hielt er es aber dann Felicitas hin. „Ich glaube, es ist besser, wenn sie anrufen. Schliesslich kennen Sie den Vorgang besser als ich.“ Widerstrebend nahm Felicitas das Handy entgegen, stemmte sich vom Boden hoch und tippte die Nummer des nächst gelegenen Polizeipostens ein. Beinahe sofort meldete sich eine Stimme am anderen Ende der Leitung und Felicitas sagte völlig resigniert: „Hallo, hier spricht Felicitas Moser. Ich habe einen Knochenfund zu melden… Ja, diese Felicitas Moser…! Nein, dieses mal liege ich nicht darauf! Ha, ha! Sehr lustig. Ich habe wirklich Knochen gefunden, respektive meine Hunde. An der alten Tösstalstrasse, gleich neben dem Spielplatz in Rämismühle. Kommen Sie bitte gleich. Danke!“ Felicitas beendete das Gespräch und gab das Handy an den jungen Arbeiter zurück.. Er nahm es entgegen. „Was meinten Sie mit … ‚dieses Mal nicht darauf liegen‘?“ Eine leichte Röte hatte Felicitas Wangen überzogen. Verlegen sagte sie leise: „Das ist eine lange Geschichte und gehört nicht hierher. Am besten, ich bringe die Hunde in den Wagen.“ An Julia gewandt: „Es tut mir so leid, Julia. Du musst aber nicht unbedingt hier bleiben. Wir erzählen der Polizei einfach nichts von Deinem Hiersein, nicht wahr, Herr Hunziker?“ Dieser war einverstanden. Julia jedoch schüttelte den Kopf. Ihre Augen leuchteten. Obwohl sie bis jetzt noch nichts gesagt hatte, schien sie die Situation zu geniessen. „Jetzt nach Hause fahren? Kommt überhaupt nicht in Frage! Ich bleibe!“ Felicitas zuckte die Schultern, rief den Hunden und ging mit ihnen zum Wagen zurück. Sie öffnete die hintere Klappe, zog ein Handtuch unter einer Kiste