Gabriela Hofer

Die verflixte dritte Leiche


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könnte plötzlich wieder vor meiner Haustüre stehen und Stress machen.“ Bevor ihr Maria antworten konnte, klingelte es an der Tür und der nächste Patient trat ein. Ein Blick auf die Uhr oberhalb des Schreibtisches zeigte Maria, dass sie nur noch zehn Minuten hatte, um beim Kiosk zu übernehmen. Sie informierte Hanna darüber. „Ich muss mich beeilen. Karin wartet und Moon sollte bereits bei Romeo drüben sein.“ Da die neue Patientin hinter Maria stand und wartete bis sie dran war, konnte kein privates Wort mehr gesprochen werden, Hanna umarmte Maria noch einmal und meinte: „Lass nur, ich bringe Moon rüber, sobald ich Zeit dazu finde.“ Sie löste sich von Maria und band Moon am Stuhlbein fest. Maria wandte sich zum gehen, rief über die Schulter: „Danke! Danke für alles!“ und war verschwunden. Hanna sah ihr nach, sammelte ihre Gedanken, setzte ein berufliches Lächeln auf und widmete sich voll der Patientin.

      Eine Verhaftung

      Roland stiess die Tür zur Kriminaltechnischen Abteilung auf. Mit Marius auf den Fersen bahnte er sich einen Weg durch Tische, Computer und hin und her laufenden Frauen und Männern in weissen Kitteln. Bei einem älteren Mann mit bereits ergrauten Haaren blieb er stehen: „Hallo Kevin. Du hast etwas für uns?“ Der mit Kevin angesprochene Mann drehte sich um. „Oh, hi, Roland“, der Kriminaltechniker zog überrascht die Brauen hoch und entdeckte dann Marius. „Oh, ein Fremder. Wie lange bist zu denn schon wieder hier?“ Marius gab ihm lächelnd die Hand: „Erst seit zwei Tagen.“ Kevin wurde wieder sachlich: „Wie ihr wisst, wurden bei der jüngeren Leiche, also bei diesem Peter, noch einige Kleiderfetzen und Reste von Gummistiefeln gefunden - und genau diese haben mir etwas erzählt. Ich fand eindeutige, tolle Fingerabdrücke, passend zu einer der Personen, denen sie kriminaltechnisch bereits abgenommen wurden.“ Er verstummte, begeistert die gespannt wartenden Fahnder betrachtend. Marius fragte brummend: „Mach es nicht so spannend, Kevin, zu wem passen sie denn nun?“ „Hanna Peter!“ „Ha!“ Rief Marius triumphierend. „Habe ich es doch gewusst! Sie hat uns einfach ins Gesicht gelogen.“ Roland hatte noch nichts gesagt. Er war sicher gewesen, dass Hanna Peter unschuldig war und eigentlich glaubte er es noch immer. Schliesslich konnten die Fingerabdrücke schon vorher auf diese Stiefel gelangt sein. Dies teilte er den beiden mit. Kevin meinte dazu: „Das ist natürlich möglich. Wie alt diese sind, kann ich nicht sagen.“ Marius hingegen blieb dabei, Hanna Peter stand durch diese Fingerabdrücke und dem, was sie bis jetzt über ein mögliches Motiv wussten, unter dringendem Tatverdacht. Leider konnte Roland nicht widersprechen. Sie bedankten sich bei Kevin, verabschiedeten sich und verliessen die Abteilung.

      Zwei Tage später machten sich die beiden Fahnder erneut auf den Weg nach Rikon, in der Tasche einen Haftbefehl für Hanna Peter.

      Wut

      „Na los, ihr Rabauken, geht die Zeitung lesen“, sagte eine lächelnde Maria zu Romeo und Moon. Sie liess die beiden Hunde von der Leine und genoss den wunderschönen Frühlingsmorgen. Karin übernahm heute Nachmittag den Kiosk, und sie konnte sich endlich in Winterthur ein paar dringende Kleinigkeiten besorgen. Sobald sie Romeo und Moon bei Felicitas zuhause abgeliefert hatte, würde sie starten. Die Praxis blieb heute geschlossen, da Felicitas am Nachmittag zwei Hausbesuche auf dem Programm hatte. Jessie besuchte die Berufsschule und Hanna vertrat sie deshalb. Vor gut einer Stunde ging nun ein Notruf ein, eine kranke Sau. Ihre Gedanken kehrten zurück ins Jetzt und Hier, als sie von einer ihr bekannten Hundehalterin angesprochen wurde. Sie plauderte ein Weilchen mit ihr und ging dann weiter. Etwa eine Stunde später befand sie sich wieder auf dem Rückweg, als plötzlich ihr Handy klingelte. Sie checkte die Nummer und nahm ab. Normalerweise tat sie dies beim Spazieren nicht, da sie immer auf die Hunde achtete, doch es war Felicitas und vielleicht dringend. Das war es auch. „Felicitas! Bitte nicht so schnell! Was haben diese Möchtegern-Polizisten getan? Hanna verhaftet!? Ja geht’s noch? Krisenbesprechung bei dir? Heute Abend um 18 Uhr? Gut, natürlich komme ich. Bis dann.“ Sie beendete das Gespräch, verstaute das Handy in der Jackentasche und stampfte dann wütend mit dem rechten Fuss auf. „Idioten! Immer liegen die falsch! Völlig unfähig!“ Weiterhin leise vor sich hin schimpfend, setzte sie ihren Spaziergang fort. Romeo und Moon hatten die Ohren gespitzt und gehört, was geschehen war. Sie liessen sich etwas zurück fallen, um die Lage zu besprechen. “Das hast du nun von deiner ewigen Einmischerei. Hättest du die Leichen da gelassen, wo sie gewesen sind, wäre alles in Ordnung“, meinte Romeo entrüstet schnaufend zu Moon. Diese warf beleidigt den Kopf nach oben. „Wie hätte ich ahnen können, dass die beiden Fahnder noch immer nicht besser im Schnüffeln sind? Hanna eine Mörderin? So ein Blödsinn! Ich hoffe, Felicitas wird sich nicht wieder einmischen.“ Romeo knurrte: „Genau das wird sie tun, glaube mir! Somit müssen auch wir wieder schnüffeln gehen. Ich hasse das!“ Moon leckte ihm über die Schnauze. „Du Armer! Ich liebe diese Schnüffelei! Es hat so viel Esprit!“„Ha!“, meinte Romeo nur, kehrte Moon das Hinterteil zu und versuchte, Maria wieder einzuholen. Moon folgte ihm voller Vorfreude auf das Kommende.

      Eine Stunde zuvor: Die beiden Fahnder standen vor der verschlossenen Praxis, den Zettel an der Tür lesend. Resigniert liess sich Marius dagegen fallen: „Bitte nicht! Weshalb muss sich diese, diese unmögliche Frau immer genau auf diesem dreckigen Hof aufhalten, wenn wir sie suchen? Wo ist eigentlich diese Peter?“ Roland, auch nicht gerade erfreut darüber, diesen speziellen Hof besuchen zu müssen, meinte: „Vielleicht ist sie mit gegangen? Los, fahren wir hin. Dann wissen wir es.“ Grinsend fragte er Marius: „Du hast nicht vielleicht Gummistiefel dabei?“ Marius erwiderte sein Grinsen: „Nein, Du?“ Die beiden Fahnder stiegen in ihr Auto und fuhren los. Nach einer Weile bogen die sie in den grossen Vorplatz des Bauernhofes ein. Marius zeigte zum Jeep der ebenfalls dort stand. „Dr. Moser ist auf jeden Fall hier. Doch wo ist sie?“ Beide stiegen aus und sahen sich suchend um. Plötzlich hörte man ein fürchterliches Quieken aus dem hinteren Teil der vielen Pferche auf der linken Seite. Dazwischen menschliche Stimmen. „Schweine.“, tönte die resignierte Stimme von Marius. Auch Roland seufzte laut, sagte aber nichts. Gemeinsam suchten sie sich den am wenigsten schlammigen Weg, um dorthin zu kommen. „Mensch Hanna, halte es doch fest!“ Felicitas hatte die Spritze aufgezogen und versuchte nun, dem vor Angst zappelnden Schwein in den vorderen rechten Oberschenkel zu stossen. Es hatte sich dort leicht verletzt. An und für sich keine grosse Sache, doch bei diesem Dreck gefährlich. Beide Frauen sahen nicht mehr gerade sauber aus, gut hatten sie sich Overalls und Gummistiefel angezogen. Hanna pustete eine sich gelöste Haarsträhne aus dem Gesicht. „Tut mir wirklich leid, Feli! Warum muss Jessie aber auch gerade heute nicht hier sein.“ Verzweifelt klammerte sie sich an das Schwein. Felicitas hob beschwichtigend die freie Hand. „Schon gut, Hanna. Du machst das sehr gut. Jessie musste diesen Kurs machen. Es ist Pflicht. Es wäre einfacher gewesen, wenn wir es hätten betäuben können, doch bei Trächtigkeit tue ich es nicht. Bist Du bereit?“ Hanna presste die Lippen zusammen und nickte. Sie kniete sich in den Dreck, packte noch einmal fester zu. Ihre Stimme klang etwas atemlos, als sie keuchte: „Ja, jetzt!“ Felicitas beugte sich über das Schwein. Ihre Hand stiess die Spritze in den Oberschenkel. Genau in diesem Moment geschahen drei Dinge gleichzeitig: Die Fahnder kamen in Sichtweite, Hanna sah sie, erstarrte, das Schwein riss sich los und katapultierte die arme Felicitas nach hinten. Diese ruderte wild mit den Armen, die Spritze flog in hohem Bogen aus dem Pferch. Leider fanden ihre Füsse auf dem glitschigen Boden keinen Halt. Laut fluchend landete sie nicht gerade sanft im Futtertrog. Sie hätte ihren Kopf erheblich an den Pferchstangen angeschlagen, wären da nicht plötzlich zwei grosse starke Arme gewesen, die sie aufgefangen hätten. Sie sah in zwei unwahrscheinlich blaue Augen, die einen Moment sehr besorgt wirkten. Doch sobald Marius merkte, dass sie sich nicht verletzt hatte, erschien wieder der übliche spöttische Ausdruck. Er zog seine Arme zurück, mit denen er sie geschützt hatte, so, als ob er sich verbrannt hätte. Das Ergebnis war, dass Felicitas vollends in den Futtertrog rutschte. Da lag sie nun, alle Viere in der Luft, wie ein Käfer auf dem Rücken. Roland war ebenfalls an den Pferch getreten und schaute laut lachend auf sie nieder. Hanna hatte sich unterdessen von ihrer Starre gelöst, trat schnell an den Pferch und zog die vor Verlegenheit völlig rot gewordene Felicitas auf die Füsse. „Oh, Felicitas, es tut mir so leid, bitte entschuldige! Mein Gott, wie siehst Du aus!“ Die Tierärztin sah aus wie ein Monster. Der Futterbrei klebte im Gesicht, den Haaren und am ganzen Körper. Mit der letzten Würde, die sie noch besass, sagte sie: „Es ist schon gut Hanna. Du kannst