schon abgelaufen waren, sah, räusperte er sich verlegen, und sprach weiter: »Es gibt allerdings verschiedene Religionen, deren Mythen erzählen von anderen Dingen. Doch nichts lässt sich so richtig beweisen. Weder, dass es nach dem Tod nichts mehr gibt, denn dagegen sprechen die parapsychologischen Beobachtungen, von denen immer mal wieder berichtet wird. Doch auch die Begegnung mit Geistern, oder, dass sich Dinge von alleine, wie von Geisterhand bewegen, sich Gerüche dahin gehend verändern, dass sie auf die Anwesenheit eines Verstorbenen schließen lassen, lassen sich nicht beweisen. Viele tun dies als Einbildung ab.« Er winkte ab. »Wenn Sie mich fragen, dann glauben Sie doch einfach daran, dass es nach dem Tod noch ein anderes, besseres Leben gibt. Es macht bestimmt ganz viele Dinge leichter.«
Quentin erkannte deutlich die Erleichterung, im Gesicht der alten Frau.
Eiligst verlangte er nach einem nach Zimt duftenden Raumspray, zahlte und verließ den Laden.
Der Himmel hatte sich unterdessen mit dunklen Wolken zugezogen, und tauchte alles in ein trübes Weder-Nacht-noch-Tag-werden-wollens.
Dicke Regentropfen entluden sich aus den Wolken.
Hastig zog Quentin die Kapuze seiner Regenjacke über den Kopf und joggte eilig zurück.
Als er zuhause ankam, sah er, dass auch Kim wach war; ihr Rollladen war bis zur Hälfte hochgezogen.
Leise öffnete er die schöne weiße Eingangstür.
Das Betreten des Hauses verursachte einen kleinen Schmerz in seiner Herzgegend, denn Ende nächsten Monats mussten sie aus dem schönen Haus ausgezogen sein, da die Besitzer wieder von ihrer Weltreise zurückkamen. Leider.
Seufzend schloss er die Tür und ging in die kleine Küche.
Er griff nach dem Brötchenkorb, warf die herrlich duftenden Teile, die noch ganz warm waren, hinein und stellte sie auf den Tisch. Anschließend ging er zur Kaffeemaschine und machte Kaffee.
Kim brauchte ihren morgendlichen Kaffee genauso sehr, wie sie auch ihre Zigaretten dazu haben wollte.
Frühstück war bei Kim immer zweitrangig, doch frischen, duftenden, noch warmen Brötchen hatte Kim bisher noch nie widerstehen können.
Nachdem er auch die Butter, Wurst, Käse und Marmelade auf den Tisch gestellt hatte, der Kaffee durchgelaufen war, das Geschirr ebenfalls auf dem Tisch stand, schnappte er sich seinen Autoschlüssel und die Raumsprayflasche, ging hinaus zum Auto und spritzte es von innen über und über damit aus.
»So, jetzt riechst du nach Zimt, und den Geruch mag mein Mädchen, zum Glück. Der Geruch des Todes, wie Kim meint, sollte damit überdeckt sein.«
Er schloss die Autotür und ging zurück in die Küche, in der Kim bereits dabei war, ein Brötchen dick mit Marmelade zu bestreichen.
»Guten Morgen, Darling. Gut geschlafen?« Quentin grinste sie mit seinem jungenhaften Lächeln an.
»Morgen. Geht so.« Kims Worten war anzuhören, dass sie immer noch sauer über den Kauf des Leichenwagens war.
3 - Der Brief
Der Vormittag verlief schleppend.
Kim blieb weiterhin sehr wortkarg, daran hatten auch die frischen Brötchen nicht viel geändert.
Irgendwann, fast gegen Mittag, fragte sie: »Hast du dir schon einmal überlegt, wo wir ab übernächsten Monat wohnen sollen? Oder hast du vergessen, dass wir hier bald raus sein müssen?«
»Vergessen? Wie kann ich das vergessen! Jean erinnert mich fast täglich daran, dass seine Eltern bald wieder von ihrer Weltreise zurück sind.« Er nagte auf seiner Unterlippe herum.
Jetzt kommt sie mir doch tatsächlich, mit noch so einem unbequemen Thema.
»Ich habe Zeitungsanzeigen über Zeitungsanzeigen durchgeblättert.« Kopfschüttelnd, fuhr er fort: »Nichts Brauchbares für uns dabei. Nicht eine Wohnung, gleich, wo ich auch nachgesehen habe. Die einen sind zu teuer, die anderen zu weit weg. Was also, Kim, soll ich, deiner Meinung nach, tun? Wie wäre es, wenn auch du einmal zur Abwechslung nach einer neuen Bleibe für uns suchen würdest?«
»Als wenn ich das nicht täte! Aber ich kann nicht jeden Tag im Lokal aushelfen und gleichzeitig auf der Suche nach einer Wohnung sein. Du, Quentin, du hast den ganzen Tag Zeit dafür, folglich, tu' auch etwas!« Kim warf ihm einen zornigen Blick zu, ihre Augen funkelten wütend.
Gerade, als Quentin etwas erwidern wollte, klingelte es an der Tür.
»Ging Gong! Was für ein Glück für dich. Wirst mal wieder gerettet«, fauchte sie und zündete sich eine Zigarette an, während Quentin achselzuckend zur Tür lief.
Als wenn er etwas dafür konnte, dass es ausgerechnet gerade jetzt klingelte.
Kim konnte nicht verstehen, was an der Tür gesprochen wurde, so stand sie auf und sah aus dem Fenster. Doch das Erste, was sie sah, war der alte verbeulte Leichenwagen, und damit sank ihre Laune auch sogleich wieder auf den Nullpunkt.
Abrupt drehte sie sich um und spähte zur Küchentür hinaus. Sie sah gerade noch, wie sich ihr Verlobter mit Handschlag von einem Mann verabschiedete.
Ihre Augenbrauen bogen sich nach oben, und sie sah Quentin fragend an.
»Was ist? Ein Brief von Jeans Eltern? Kommen sie früher zurück? Das fehlte noch«, brummte sie.
»Nein, nicht von Jeans Eltern. Ist von einer Großtante von mir, die ich seit einem halben Leben nicht mehr gesehen habe.« Quentin hielt ihr den Brief entgegen.
Kim legte den Kopf schief und las. »Ist deine Tante Anwältin?«
»Großtante, Kim, nicht Tante, Großtante. Nein, das ist ein Schreiben von ihrem Anwalt. Der Mann, der den Brief gebracht hat, er arbeitet für ihn.«
»Was will sie? Hat der Mann das auch gesagt?«
»Kim, was wird jemand schon wollen, wenn Post vom Anwalt kommt? Sie ist gestorben, und ich soll anscheinend ihr Erbe sein. Obwohl ich das gar nicht verstehe. Es ist so lange her, seit ich sie das letzte Mal gesehen habe, dass ich mich gar nicht mehr an sie erinnern kann.«
»Dann öffne doch endlich den Brief, Quentin. Los, lies, was sie von dir will. Gewollt hat«, verbesserte sie sich.
Quentin lief ins großflächige Wohnzimmer und suchte in der untersten Lade des antiken Sekretärs nach einem Brieföffner. Nachdem er ihn gefunden hatte, durchtrennte er mit einem einzigen Schnitt den obersten Kuvertrand.
Langsam zog er die Seiten heraus. Sie dufteten nach Lavendel.
Lavendel! Oh ja, dieser Geruch brachte Erinnerungen mit sich. Aber nicht an Tante Evelyn, sondern an ihr weißes, stets gestärktes Stofftaschentuch, das von Spitzen umsäumt und in Lavendel getränkt gewesen war.
Quentin faltete den Brief auseinander und begann zu lesen, während Kim sich neugierig hinter ihn stellte und ebenfalls mitzulesen versuchte.
Mein lieber Quentin,
es ist lange her, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben.
Auch wenn ich nie verstanden habe, weshalb du nicht mehr gekommen bist, so habe ich es respektiert. Ich weiß, dass du immer sehr viel zu tun, auch immer für die Schule und deine Prüfungen gebüffelt hast, aber dennoch hättest du dich, wenigstens in den Semesterferien, hin und wieder, bei mir sehen lassen können.
Doch dieser Brief soll kein Vorwurf an dich sein, nein, Gott bewahre, und den brauche ich derzeit so dringend, den lieben Gott, meine ich.
Wie du weißt, habe ich dich immer sehr lieb gehabt. Habe mich immer für dich und dein Leben interessiert, auch wenn es deiner Mutter nicht gefallen hat.
Sie und ich, wir hatten einfach eine ganz unterschiedliche Art,