Cemetery Car von der Fahrbahn, hin zu der Burgerbude.
Nachdem sie gegessen hatten, machten sie sich auf den Rest des Weges.
Willkommen in Darkwoodscrown
begrüßte sie ein Schild, rechts am Fahrbahnrand.
»Hört sich ein wenig gruslig an«, frotzelte Quentin, mit einem lächelnden Seitenblick auf Kim.
»Na ja, passt dann aber wenigstens hervorragend zu unserer Karre.« Kim schob die Unterlippe vor. »So wie die aussieht, scheint sie sowieso noch aus dem letzten Jahrhundert zu sein. Kein Leichenwagen der heutigen Zeit, sieht so wie unserer aus. Cemetery Car in Darkwoodscrown, hört sich doch an, wie Namen aus einem mehrteiligen Gruselroman. Wer weiß, vielleicht können wir uns für dein neues Haus auch noch den dazu passenden Namen einfallen lassen«, überlegte sie. »Und damit auch alles passt, könnten wir auch noch einen Geist für das Haus erfinden. Hu, hu«, lachte sie. »Alles richtig schön gespenstig.«
»Hm, vielleicht hat das Haus auch bereits schon einen Namen. Meine Großtante, sie hat auch Spinnen Namen gegeben.« Seine Hand tastete nach ihrer. »Auf einen Geist, allerdings, kann ich gut verzichten, Süße. Lass den in deiner Phantasie leben, das reicht mir, voll und ganz.«
»Egoist!« Mit dem Finger strich sie ihm über die Wange. »Mich würdest du mit einem Geist alleine in dem Haus lassen. Na danke!«, empörte sie sich, und verzog dabei gespielt schmollend, ihren Mund.
»Ist es nicht toll, dass Tantchen uns das Haus vermacht hat«, wechselte er das Thema.
»Du erinnerst dich also wieder an sie?« Kim wollte mehr über diese alte Dame, die Quentin ihr Haus hinterlassen hatte, erfahren.
»Nein, leider immer noch nicht. Bruchstückhaft kommen Erinnerungen aus Kindertagen an die Oberfläche, aber eigenartigerweise kein Gesicht zu Tante Evelyn.«
»Dort vorne, sieh mal, ob es das wohl ist?« Kim sah aus dem Fenster.
Na, wenn hier unser neues Zuhause ist, dann Gute Nacht, alte Waldfee. Hier wohnt anscheinend weit und breit niemand.
Es lief ihr kalt den Rücken runter. Sie fröstelte, und atmete tief durch, während sie zum Fenster hinaus sah und gedankenversunken die Gegend betrachtete.
Seit einer kleinen Ewigkeit fuhren sie durch die Wildnis, und dabei war weit und breit kein einziges Haus zu sehen.
Uns hat’s an den Arsch der Welt verschlagen.
Ganz bestimmt würden sie sich an diesem Ort zu Tode langweilen. Nichts sprach zurzeit dafür, sich für das Ganze all zu sehr zu begeistern. Eher das Gegenteil war der Fall. Zumindest aus ihrer Sicht.
Doch sie sagte nichts, denn sie wollte auch nicht Quentins Freude über das geerbte Haus trüben, zumal sie schon genügend gegen das Auto gewettert hatte. Außerdem waren sie auf das Haus angewiesen, löste es doch ihr Umzugsproblem, so dass sie sich damit nicht weiter belasten und herumschlagen mussten.
Dennoch gruselte es sie. Einen Leichenwagen, ein Haus in dieser Einöde, da fehlte doch tatsächlich nur noch ein Geist, um das Ganze perfekt zu machen.
Sie schauderte aufs Neue.
Cemetery Car, warum nur ein Leichenwagen, und jetzt auch noch ein einsames Haus in der Einöde.
Was sollte das nur alles?
Und auch, wenn sie der Karre einen Namen gegeben hatte, änderte sich nichts daran, dass sie seit gestern Eigentümer eines Leichenwagens waren.
Ein Leichenwagen! Mein Gott. Wie konnte Quentin nur!
Quentin lenkte Cemetery Car von der Landstraße und bog in einen schmalen Seitenweg ein, der zu einem einsam gelegenen Haus führte.
Ja, das musste es sein, denn genauso war der Weg auf der Fahrskizze beschrieben. Er endete mit Erreichen des Hauses. Genauso wie hier. Mit dem einzigen Unterschied, dass es vor ihnen noch zusätzlich ein Schild gab, auf dem der Namen
Silentsend
geschrieben stand.
Vor ihnen lag ein altes Holzhaus.
Ein Holzhaus von anmutender Größe.
Sie stiegen aus, ließen aber die Türen des Leichenwagens offen.
An manchen Stellen wies die weiße Farbe Merkmale vom Zahn der Zeit auf. Die grünumrandeten Holzstreben jedoch sahen aus, als wären sie gerade frisch gestrichen worden. Hinter den Fenstern hingen feinmaschige Spitzengardinen, manche von ihnen trugen, wahrscheinlich, den Gilb der letzten Jahrzehnte in sich.
Nur die des unteren Stockwerks waren blütenweiß, als kämen sie soeben aus der Waschmaschine.
»Was meinst du, Kim?« Quentin strahlte. Mit so einem tollen Haus hatte er beileibe nicht gerechnet. Eher damit, auf ein altes, morsches und baufälliges, relativ ungepflegtes altes Haus, mit einem verwilderten Garten, zu stoßen.
Doch das Haus vor ihnen, das war schon fast ein Palast, auch wenn es seinem Erscheinungsbild nach, ein klein wenig so wirkte, als wäre es aus einer anderen Zeitepoche entnommen und hierher versetzt worden.
Kim besah das Haus mit Staunen, und ihre anfängliche, missmutige Stimmung für die Gegend, änderte sich.
Ihre Begeisterung für das geerbte Häuschen war nicht zu überhören: »Es ist bildschön. Geradeso, als hätte Dornröschen hier gelebt, nur dass der Dornenbusch um das Haus herum fehlt.«
Sie sah sich um. Drehte sich um ihre eigene Achse, und warf dabei ihre Arme freudig in die Luft. Lachend, rief sie: »Paradiesisch schön, auch wenn das Haus am Ende der Welt liegt.«
Ruhe, hier würden sie Ruhe haben, und ihr Leben genießen können.
Sicherlich würde es Tage geben, an denen sie sich langweilen würden, doch das machte die idyllische Gegend mit Sicherheit wieder wett.
Mit einem Mal war Kims anfängliche Furcht vor der Einsamkeit, vorm Leben am Arsch der Welt, einer hoffnungsvollen Zukunft, an einem idyllischen Plätzchen, in einem traumhaften, eigenen Haus, gewichen.
Quentin beschaute die unendliche Weite, betrachtete das Grün und Nichts um sich herum, streifte mit seinem Blick zum Haus hin, und rief ebenfalls, laut lachend: »Es muss auch ein Ende der Welt geben. Also leben wir, ab heute, an besagtem Ende der Welt. Willkommen in unserem neuen Zuhause, Kim!«
Er nahm ihre Hand und zog sie mit sich. Hin zu den Verandastufen, die hoch zu der Eingangstür führten.
Mit flinken Fingern fischte er den großen groben Schlüssel aus seiner Tasche und schloss das alte Schloss, der wunderschönen antiken Eingangstür auf.
6 - Villa Punto auf Silentsend
»Sag, Quentin, was meinst du, was gewesen wäre, wenn du nicht schriftlich dein Versprechen gegeben hättest, dich um den Salbei zu kümmern?«
»Dann hätte ich das Haus wahrscheinlich nicht geerbt, zumindest hat der Anwalt eine Andeutung in diese Richtung gemacht.«
»Aber wieso? Was kann an Salbei so besonders sein? Salbei ist nichts anderes als eine Pflanze. Eine zum Würzen, fertig.« Kim ließ eine Lockensträhne leicht um ihren rechten Zeigefinger kreisen. »Wenn auch, eine gesunde.«
»Salbei ist eine Heilpflanze, und meine Großtante war alt, wer weiß, vielleicht war sie so etwas wie ein Kräuterweiblein. Eins, das ein bisschen in Naturheilkunde bewandert war. Und vielleicht hatte Tante Evelyn eine Salbeipflanze, die, möglicherweise, aus ihrer Sicht, über absolut einzigartige Heilkräfte verfügt.«
»Deswegen ist sie jetzt auch tot. Entschuldige, Quentin, das ist mir nur so ‘rausgerutscht«, entschuldigte sie sich für ihre unbedachte Taktlosigkeit.
Und Quentin tat, als hätte er es einfach nicht gehört.
»Komm,