Frank Claudy

Sommer mit Ben


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Läden geredet wurde, aber es hatte mich nie genug interessiert, um mir auch nur einen Namen zu merken. Warum war Katja eigentlich mit einem Loser wie mir unterwegs? „Keine Ahnung“, sagte ich. „Hast du einen Vorschlag?“ – „Es ist so schön draußen. Sollen wir uns nicht einfach was zu trinken kaufen und uns ans Flussufer setzen?“ Wow. Das gefiel mir. Keine laute Kneipe, in der wir uns hätten anschreien müssen, kein angesagtes Café, in dem wir die halbe Schule getroffen hätten, einfach nur wir beide, ein lauschiges Plätzchen und …. und ungefähr 587 Leute, die die gleiche Idee hatten wie wir.

      So sehr der Vorschlag auch meiner romantischen Ader entgegen kam, erwies sich die Umsetzung doch als schwierig. Wir waren in den nächsten Laden gegangen und hatten eine Flasche Wein gekauft, den „guten“ mit Schraubverschluss, weil natürlich keiner von uns einen Korkenzieher dabei hatte. Ich gehöre nun mal nicht zu den Jungen, die immer ein Schweizer Messer für solche Fälle in der Tasche haben. Außerdem hatte ich noch eine Packung Kekse gekauft.

      Und jetzt standen wir am Flussufer inmitten all der anderen Menschen, die versuchten, den Frühling in der Stadt zu genießen.

      Ich muss dazu sagen, dass sich der Fluss zwar durchs ganze Stadtgebiet schlängelt, es aber nur wenige Möglichkeiten gibt, an seinem Ufer sitzen zu können. Und diese Möglichkeiten schienen komplett besetzt zu sein.

      Zum Glück hatte Katja die Idee, zu einer alten verfallenen Villa zu gehen, die in den 80ern mal von einer Gruppe Autonomer besetzt worden war und seit der letzten Räumung wieder in einen Märchenschlaf versunken war. Sie hatte einen wunderschönen Garten mit alten Bäumen und einem privaten Zugang zum Fluss. Man musste halt nur die ganzen ‚Zutritt verboten’-Schilder ignorieren und über zwei niedrige Zäune klettern, um dann fernab vom Großstadtlärm am Flussufer sitzen zu können. Auch diese Idee hatten außer uns schon ein paar andere junge Menschen gehabt, aber hier war trotzdem noch genug Platz für Katja und mich.

      Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich ganz froh darüber war, dass wir beide nicht alleine waren. Ich war noch nie mit einem Mädchen, das ich mochte, allein gewesen, und hätte keine Ahnung gehabt, wie ich mich hätte verhalten sollen. Was macht man beim ersten Date? Hätte ich nur mit ihr reden sollen? Oder hätte sie erwartet, dass ich die Möglichkeit nutze und mich gleich auf sie stürze?

      Aber da wir nicht allein waren, stellte sich mir diese Frage nicht. Wir suchten uns einen einigermaßen ruhigen Platz und setzten uns ins Gras. Wir waren weit genug weg von einer Gruppe, die eine Party organisiert hatte, um in Ruhe reden zu können, aber nah genug, um ihre Musik zu hören. Zum Glück war niemand hier, den wir kannten.

      Wir saßen erst so nebeneinander, teilten den Rotwein, den wir beide aus der Flasche tranken, und die Kekse und redeten über die Theaterproben, meine Zeitungsartikel und die Schule. Dann kamen wir auf die Bücher zu sprechen, die wir gelesen hatten. Es stellte sich heraus, dass Katja die gleichen Bücher mochte wie ich. Ich fühlte mich total wohl. Ich hätte nie gedacht, dass ich mich mit einem anderen Menschen so gut verstehen könnte. Katja schien sich genau so gut zu fühlen, denn irgendwann legte sie sich einfach ins Gras, den Kopf in meinem Schoß.

      Ich hatte schon reichlich Wein getrunken, aber ich glaube nicht, dass das der Grund war, warum mir ganz schwindlig wurde. Es fühlte sich total gut an. Natürlich regte sich gleich was bei mir. Ich hoffte nur, dass sie das nicht merken würde. Und dann dachte ich wieder, warum eigentlich nicht. Ich saß da, völlig verkrampft, und wusste nicht, was ich mit meinen Händen machen sollte. Erst stützte ich sie hinter mir ab, dann hielt ich sie seitlich. Erstaunlicherweise redeten Katja und ich weiterhin ganz normal miteinander, als sei es das Natürlichste der Welt, dass sie ihren Kopf in meinem Schoß hatte. Eine Haarsträhne war ihr ins Gesicht gefallen. Ich strich sie zurück, und wo meine Hand einmal in ihren Haaren war, ließ ich sie einfach dort und fing an, mit ihren Haaren zu spielen. Ihr Haar war ganz weich und fühlte sich total gut an.

      Die ganze Zeit hatte Katja mich angesehen, doch jetzt machte sie die Augen zu und schien es zu genießen, wie ich ihr Haar streichelte. Sie kuschelte sich dabei ganz fest an meine Oberschenkel. Mann, ich musste mich echt zusammen nehmen, um nicht an Ort und Stelle zu kommen. Die ganze Zeit dachte ich an meine Mathehausaufgaben und löste im Kopf schon mal die Rechnungen. Naja, zumindest versuchte ich es.

      Auf einmal sah Katja auf ihre Uhr: „Verdammt. Ich habe versprochen, heute Abend zu Hause zu sein.“ Sie sprang auf und schnappte ihre Sachen. „Warte. Ich bring dich nach Hause.“ Es war inzwischen dunkel geworden, und ich wollte sie nicht alleine durch die Straßen laufen lassen, aber wenn ich ehrlich bin, wollte ich mich auch noch nicht von Katja verabschieden. Es war einfach zu schön mit ihr. Ich war nur froh, dass ich eine weite Hose angezogen hatte, das hätte sonst ganz schön unangenehm werden können.

      Ich half Katja über den Zaun, obwohl sie das auf dem Hinweg noch ganz gut allein geschafft hatte. Aber ich wollte einfach jede Möglichkeit nutzen, sie anzufassen. Als wir von der Villa weg gingen, nahm ich einfach ihre Hand. Sie zog sie nicht weg und so gingen wir Hand in Hand zu ihr.

      Eigentlich gehe ich nicht gerne zu Fuß, aber dieses Mal hätte der Weg ruhig länger sein können. Katjas Hand fühlte sich einfach toll an. Zwischendurch strich ihr Daumen über meinen Handrücken. „6.840 geteilt durch 8 ist gleich…“ Selbst Mathe half mir nicht mehr wirklich.

      Gleichzeitig zermarterte ich mir das Gehirn, wie ich sie vor ihrer Haustür verabschieden sollte. Waren wir schon so weit, dass ich sie küssen konnte? Oder sollte ich mir das fürs nächste Treffen aufheben? Würde es überhaupt ein nächstes Treffen geben? Aber so sehr ich auch die Zeit mit Katja hinaus zögern wollte, so sehr wünschte ich mir auch, endlich allein in meinem Bett zu liegen und mir Erleichterung zu verschaffen, natürlich nicht, ohne dabei an Katja zu denken. Endlich würden meine Phantasien eine reale Bezugsperson haben.

      Als wir bei Katja ankamen, nahm sie mir alle Entscheidungen ab. Katjas Eltern bewohnten ein riesiges Haus mit Garten und Gartentor. Katja schloss das Tor auf, küsste mich auf die Wange und lief einfach den Weg zum Haus hinauf. Alles ging total schnell. Wir hatten noch nicht einmal mehr darüber reden können, ob und wie es mit uns weitergehen sollte.

      Ich wusste nicht, ob Katja mich vielleicht von innen sehen konnte, deswegen drehte ich mich schnell um und ging so cool, wie es mir möglich war, nach Hause.

      Ich hatte noch eine ganze Weile zu laufen. Inzwischen war es ziemlich kühl geworden, doch das Gehen in der frischen Luft tat mir gut. So konnte ich meine Gedanken sortieren, von Katja träumen und der Mitte meines Körpers die Möglichkeit geben, sich wieder zu beruhigen. Natürlich nur, bis ich zu Hause war und meinen Gefühlen für Katja in der Stille meines Zimmers in aller Ruhe nachgehen konnte. Ganze drei Mal.

       Kapitel 4

      Das Wochenende war langweilig und aufregend zugleich. Zum ersten Mal reichte es mir nicht, mit einem Buch in der Ecke zu sitzen. Ich wünschte mir, bei Katja zu sein. Mehr als ein Mal schlich ich zum Telefon und wählte ihre Nummer, nur um gleich wieder aufzulegen, noch bevor es klingelte. Eigentlich war das ja totaler Quatsch. Ich hätte sie doch ruhig anrufen können. Schließlich hatte sie mich zum Abschied geküsst, auch wenn es nur auf die Wange war. Wer hatte eigentlich die dämliche Regel aufgestellt, dass man ein paar Tage warten soll, bevor man anruft. Gab es so eine Regel überhaupt? Vielleicht saß sie ja zu Hause und wartete nur auf einen Anruf von mir.

      Am späten Nachmittag hielt ich es nicht mehr aus und legte nicht auf, bevor es klingelte. Katjas Bruder, Ben, war am Apparat: „Katja ist nicht da, sie verbringt das Wochenende bei unseren Großeltern. Ich sag ihr, dass du angerufen hast.“ Und schon hatte er wieder aufgelegt. Das war übrigens mein erster Kontakt mit Ben. Das sollte mir später noch wichtig sein.

      Soviel dazu, dass Katja zu Hause sitzen und auf meinen Anruf warten könnte. Irgendwie ärgerte ich mich jetzt darüber, dass ich angerufen hatte.

      Trotzdem verbrachte ich das ganze Wochenende mit Katja. Sie ging mir einfach nicht aus dem Kopf. Noch nie hatte ich mich so auf Montag und die Schule gefreut.

      Sonst konnte das Wochenende gar nicht lang genug sein, doch jetzt wünschte ich mir, die Zeit würde schneller vergehen, damit ich Katja endlich