Frank Claudy

Sommer mit Ben


Скачать книгу

wie viel ich Katja immer zu erzählen hatte. Ich genoss diese langen Spaziergänge mit ihr, selbst wenn es regnete.

      Aber irgendwie kamen wir über das Stadium des Händchenhaltens und zum Abschied küssen nicht hinaus. Immerhin war unser Abschiedskuss schon von der Wange zum Mund gewandert.

      Wahrscheinlich hätte ich selber mich vorwagen und mehr aus dem Kuss machen müssen. Aber wie ich schon sagte, hatte ich auf dem Gebiet absolut keine Erfahrung und somit keine Ahnung, wie ich es anstellen sollte, dass der Kuss mal länger dauern würde. Aber auch hier konnte ich mich wieder darauf verlassen, dass Katja den nächsten Schritt machen würde.

      Am Freitagabend nach der Probe fragte sie mich, ob wir wieder zur alten Villa gehen sollten. Es hatte die ganze Woche geregnet, aber pünktlich zum Wochenende war das Wetter wieder schön geworden, und da den ganzen Tag die Sonne geschienen hatte, konnten wir davon ausgehen, dass der Boden trocken genug sein würde, um im Gras zu sitzen. Aber ehrlich gesagt, hätte es mich auch nicht weiter gestört, bei Regen auf einer nassen Wiese zu liegen. Vermutlich hätte ich das noch nicht einmal bemerkt, solange Katja bei mir war.

      Wir kauften also wieder Wein und suchten uns einen netten Platz am Flussufer. Diesmal waren kaum Leute im Garten der Villa. Vermutlich war das Wetter die Woche über einfach zu schlecht gewesen. Ich setzte mich ins Gras und Katja legte ganz selbstverständlich wieder ihren Kopf in meinen Schoß. Der Effekt war der gleiche wie die Woche zuvor. Katja schien das zu merken, zumindest hatte ich den Eindruck, dass sie ihren Kopf noch fester gegen mich presste. Zum ersten Mal, seit wir zusammen waren, redeten wir nicht. Ich spielte wieder mit ihren Haaren, mit der anderen Hand streichelte ich über ihre Hand. Plötzlich setzte Katja sich auf und küsste mich. Damit hatte ich zwar gerade gar nicht gerechnet, aber nach einem kurzen Moment des Schocks erwiderte ich ihren Kuss und traute mich dann auch, meine Zunge vorsichtig zwischen ihre Lippen zu schieben. Zum Glück hatte ich gar keine Möglichkeit zum Denken, sonst hätte ich mich nie getraut, sie so zu küssen, aber mein Körper bestand nur noch aus Fühlen. Es dauert nicht lange, bis wir beide im Gras lagen. Wir lagen nebeneinander und küssten und streichelten uns. Ich hätte nie gedacht, dass sich der Körper einer Frau so gut anfühlt. Katja war ganz weich und roch total gut. Lange Zeit streichelte ich nur ihren Rücken und ihre Arme, doch dann nahm sie meine Hand und legte sie einfach auf ihre Brust. Für einen Moment habe ich sie einfach da liegen lassen, bis ich mich getraut habe, ihre Brust zu streicheln. Zur gleichen Zeit streichelte Katja auch meine Brust, doch das habe ich kaum bemerkt, weil ich so sehr damit beschäftigt war, Katja zu spüren.

      Das war auch schon so ziemlich alles, was an dem Abend passiert ist. Doch für mich war es das Paradies, die Verheißung auf neue Abenteuer, der Beginn einer neuen Zeitrechnung.

      Nachdem ich Katja nach Hause gebracht hatte und wir vor ihrem Gartentor noch einen heißen Gute-Nacht-Kuss ausgetauscht hatten, lief ich zurück zur Villa und legte mich dort noch mal ins Gras, um mir den ganzen Abend noch einmal vorzustellen. Ich wollte mir jedes Detail in mein Gehirn einbrennen, um nur ja nichts zu vergessen.

      Ich bin dann auf der Wiese eingeschlafen. Kurz vor Sonnenaufgang wurde ich wach, weil es so furchtbar kalt war. Ich war völlig durchfroren und durchnässt vom Morgentau. Doch auf dem Heimweg dachte ich nur an Katja.

       Kapitel 6

      Katja hatte mich für Samstagnachmittag zu sich eingeladen. Ihre Eltern waren das Wochenende über weg, es würde nur noch ihr älterer Bruder da sein und vermutlich ein paar seiner Freunde. Ich würde also endlich Ben kennen lernen. Katja hatte schon ein paar Mal von ihm erzählt oder eher geschwärmt. Er schien ziemlich cool zu sein und einen Haufen Freunde zu haben. Er war ziemlich sportlich und würde dieses Jahr sein Abitur machen auf einem Sport-Gymnasium am anderen Ende der Stadt. Seine Familie erwartete, dass er dann studieren würde, doch Katja hatte mir erzählt, dass er nach dem Abi mit ein paar Freunden eine Auszeit nehmen und sich die Welt ansehen wollte.

      Ich war schon sehr gespannt darauf, ihn zu treffen und hoffte, wir würden uns verstehen, zumal er Katja so viel bedeutete. Genauso aufgeregt war ich aber auch, weil ich den ganzen Tag mit Katja verbringen würde in ihrer sturmfreien Bude. Wir hatten nicht darüber gesprochen, aber ich hoffte, ich würde die Nacht über bei ihr bleiben können. Ich traute mich gar nicht, darüber nachzudenken, was zwischen uns passieren könnte. Ich hätte es einfach nur schön gefunden, neben ihr zu liegen und gemeinsam aufzuwachen. Trotz alledem fuhr ich vorsichtshalber in die Stadt, um Kondome zu kaufen.

      Ich ging in eine dieser großen, anonymen Drogerien, in denen man so schnell wie möglich abgefertigt wird und die Kassiererin weder Zeit hat, sich die Artikel anzusehen, die sie über den Scanner zieht noch einen jemals ansieht. Einen kurzen Moment lang überlegte ich, noch irgendeinen anderen, für mich völlig unnützen Artikel zu kaufen, damit es mir an der Kasse nicht so peinlich sein würde, nur ein Päckchen Präservative zu bezahlen, doch mein chronisch klammer Geldbeutel nahm mir die Entscheidung ab. Er half mir allerdings nicht dabei zu entscheiden, welche Gummis ich nehmen sollte. Klar hatte ich schon das ein oder andere Mal geschaut, welche Auswahl es gab, doch bisher hatte es ja keinen konkreten Grund für mich gegeben, mich für eine Marke oder eine Sorte zu entscheiden. Irgendwie habe ich mir in dem Moment vor dem Regal gewünscht, in den prüden 50er Jahren zu leben, wo man zum Friseur seines Vertrauens gehen konnte, der die Kondome hinter seinem Ladentisch hervor zauberte. Aber vielleicht wäre mir das sogar noch viel peinlicher gewesen.

      Die ganze Aufklärung in der Schule oder die Anti-AIDS-Kampagnen im Fernsehen, die uns einreden wollten, dass es ganz normal ist, Kondome zu kaufen und dass selbst ältere Damen die Preise kennen, halfen mir jetzt auch nicht weiter. Und dabei hielt ich mich bisher immer für jemand, der über den Dingen steht und niemals seine Nerven verliert.

      Ich entschied mich, eine Packung ‚ganz normale’ Kondome zu kaufen, nicht extra-feucht, keine Noppen und vor allem ohne Geschmack. Die Frage war nur noch, wie viele ich kaufen sollte. Bisher wusste ich ja noch nicht einmal, ob ich überhaupt eins brauchen würde. Aber falls es wirklich dazu kommen sollte, würden wir es auch gleich mehrere Male tun? Oder würde es bei dem einen Mal bleiben? Da das Haltbarkeitsdatum auf den Packungen jedoch weit genug in der Zukunft lag, entschied ich mich ganz optimistisch, dass ich bis dahin auf jeden Fall Verwendung für die Dinger finden würde und kaufte ganz mutig eine 10er Packung. Ich war nur froh, dass es nicht auch noch verschiedene Größen gab, denn wie zum Teufel hätte ich wissen sollen, ob meiner eher groß oder klein oder durchschnittlich war. Klar fand ich mich selber ganz gut ausgestattet, aber ich hatte nun mal keine Vergleichsmöglichkeiten. Wie gesagt, hing ich nicht viel mit anderen Jungen herum. Ich hatte zwar davon gehört, dass sie untereinander schon mal Maß nahmen, aber in meiner Gegenwart war so etwas nie vorgekommen. Vielleicht handelte es sich dabei aber auch nur um eine der vielen Geschichten, die dauernd erzählt werden. Auf jeden Fall nahm ich mir vor, das nächste Mal nach dem Sport in der Umkleide mal genauer hinzusehen. Bisher hatte ich mich nie wirklich getraut, weil ich mir nicht sicher war, ob meine homoerotischen Phantasien nicht eine Reaktion auslösen würden, die mir vor den anderen ziemlich peinlich sein könnte.

      Der Kassiervorgang war dann wirklich relativ angstfrei. Die Kassiererin zog die Packung über den Scanner, ich packte sie ganz schnell in eine Tüte, zahlte und war draußen, ohne auch nur einen Blick oder ein Wort gewechselt zu haben. Manchmal hat es schon seine Vorteile, in einer Großstadt zu leben.

       Kapitel 7

      Ich hatte noch ein paar Stunden Zeit, bevor ich bei Katja sein sollte. Da die Bücherei am Samstag geschlossen ist, ging ich ins Museum. Da bin ich schon früher immer hin gegangen, wenn meine Eltern samstags einkaufen gingen. Ich liebte die Expressionisten, insbesondere die Bilder von Marc. Doch dieses Mal waren meine Gedanken zu sehr bei Katja und dem, was am Abend eventuell oder hoffentlich passieren würde, als dass ich mich auf Kunst hätte konzentrieren können. Ich stand ewig lange vor Bildern, die ich gar nicht sah, weil ich in Gedanken in Katjas Bett lag.

      Alle paar Minuten sah ich auf meine Uhr, deren Zeiger sich irgendwie gar nicht bewegen wollten. Viel zu schnell lief ich dann den Weg zu Katja, so dass ich fast eine halbe Stunde zu früh bei ihr war. Aber so früh konnte ich doch nicht klingeln, das sah ja aus, als hätte