Hymer Georgy

Geheimauftrag für SAX (4): SPECTATOR II


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Frauenakt-Druck des Künstlers Jiri Ruzek und schien ein unbewusstes Spiegelbild ihrer selbst zu sein. Der Titel war klein darunter vermerkt: „Wanna have fun…“.

      „Lassen Sie immer fremde Männer so schnell in ihre Wohnung?“, fragte Freysing daher spitz, nachdem er auf dem von ihm freigemachten einfachen Stuhl gegenüber Platz genommen hatte. Sie schmollte etwas, gab aber keinen Kommentar zu seiner frivolen Vermutung ab. „Sie haben gesagt, sie seien ein Freund von Marius. Nicht viele Leute wissen, dass ich mit ihm zusammen bin. Und er besitzt eine gute Menschenkenntnis. Sie wüssten es sicher nicht, wenn er es nicht wollte“, meinte sie stattdessen.

      „Er arbeitet in Prag, Sie hier…“, setzte er an. Doch sie plapperte gleich wieder drauflos.

      „…ja, ich bin hier in der Nähe in einer Klinik für plastische Chirurgie beschäftigt. Hatte heute den Tag über leider Dienst und mich gerade hingelegt, als sie klingelten. Aber nun sagen sie schon, was ist mit Marius? Wir hatten uns am Samstagabend vor einer Woche treffen wollen, aber er ist nicht gekommen. Gar nicht seine Art. Ich habe versucht ihn anzurufen, aber vom Handy kam nur die Nachricht, dass er im Moment nicht zu erreichen sei. Später war es dann ganz tot!“

      „Und normalerweise ist er für Sie zu erreichen?“

      „Ja. Eigentlich schon. Wir haben sonst immer jede Woche zwei bis dreimal miteinander telefoniert, wenn wir uns schon nicht sehen konnten.“

      „Vielleicht hat er ja eine andere?“, reizte er sie, und Irina schmollte erneut.

      „Niemals! Er weiß schließlich, was er an mir hat!“ stellte sie überzeugt fest. „Und ich würde ihm die Augen auskratzen, wenn er zusätzlich was mit einer anderen anfinge!“

      Erst jetzt fielen Freysing die relativ langen, gepflegten aber unlackierten Fingernägel auf, die so gar nicht zu einer Krankenschwester passen wollten. Und schon gar nicht zu einer Ärztin. Er fragte sich selbst, was genau Irina wohl in der Klinik arbeitete, wollte von Irina allerdings etwas anderes wissen: „Sie hatten sich also für das letzte Wochenende mit ihm verabredet. Hat er gesagt, warum er herkommen wollte – außer um Sie zu sehen?“

      „Irgendeine Messe. Sie sollten doch wissen, dass er so eine Art Handelsattaché bei eurer Botschaft in Prag war und daher oft in Brno zu tun hatte.“

      Er nickte. Brno war unter anderem auch ein bedeutendes Messezentrum Osteuropas, und genau dies war die Tarnung des deutschen Führungsagenten für seine oftmalige Anwesenheit in der Stadt gewesen. Hatten die Tschechen einen Verdacht geschöpft?

      „Wir wollten abends essen gehen, und dann…“, lachte sie, den Satz unvollendet lassend, wie um sich selber etwas die Spannung zu nehmen. „Marius ist ein ganz liebenswürdiger Mann. Eigentlich ist er ja für mich zu alt, aber er hat das gewisse Etwas… - und ich dachte, sie könnten mir sagen, wo er ist.“

      Sie wirkte enttäuscht, und Sax sah es ihr an. „Ich hatte eher umgekehrt gehofft, von Ihnen etwas zu erfahren“, bedauerte er. „Auch ich war mit Marius verabredet, allerdings heute auf dem Rennkurs. Er ist nicht aufgetaucht, und da dachte ich, schau doch mal, wo er sich so rumtreibt. Marius hatte mir mal von Ihnen erzählt.“

      „Und auch, wo ich wohne?“, fragte sie sofort skeptisch und zog dabei ein Gesicht, als handele sich um einen üblen Vertrauensbruch.

      „Das war wirklich nicht schwer, herauszufinden.“

      „Ich stehe nicht im Telefonbuch!“ Der Dreiklang der Türglocke unterbrach ihre Unterhaltung und befreite ihn erst einmal von der Notwendigkeit, sich eine gute Lüge einfallen zu lassen, um ihr glaubhaft zu machen, wie er an ihre Adresse gelangt war. Schließlich konnte er nichts von Ernö und Hollers geheimer Tätigkeit erzählen, wollte aber andererseits ihr Vertrauen gewinnen, um möglicherweise mehr zu erfahren.

      „Erwarten Sie noch jemanden?“ Sax runzelte die Stirn und war sofort auf der Hut.

      „Nein. - Das heißt, vielleicht ist es ja Marius!“

      Sax glaubte das nach den bisherigen Ermittlungen eher weniger. Fast schon euphorisch sprang Irina jedoch auf und lief die wenigen Schritte zur Tür, während Freysing sich ebenfalls erhob und zum Fenster trat, das tatsächlich zur Straßenseite führte. Es war fest geschlossen, leicht schmutzig, und eine Scheibengardine in angegrautem Weiß deckte es zu Dreivierteln ab. Er sah hinaus und erblickte auf der gegenüberliegenden Straßenseite einen Skoda Octavia 1.8 im silberblauen Design der Exekutivbehörden. Gleichzeitig hörte er in der Gegensprechanlage, vor der Irina jetzt stand, die Worte Kriminalistický ústav. Tschechische Kriminalpolizei!

      Das war Freysing nun gar nicht recht. Er wusste, dass die Polizei des Landes gut geschult und misstrauisch gegenüber allen Fremden war, aufgrund der historischen Zusammenhänge zuweilen eben auch besonders gegenüber Deutschen. Er hatte schon früher mit der Polizei des Landes zu tun gehabt, ´90 oder ´91 war das wohl erstmals gewesen, bei einem kleinen Zuträgerjob, als diese noch VB - Veřejná bezpečnost - hieß, jedoch zu der Zeit eher mit der Abteilung Sbor národní bezpečnosti - und der kommunistischen Geheimpolizei Státní bezpečnost, dem berüchtigten SB. Seitdem hatte sich strukturell viel geändert, aber viele der Männer waren auch nach der Polizeireform übernommen worden und weitestgehend die gleichen geblieben. Weshalb aber waren Sie hier? Gar Seinetwegen? Oder wegen Irina?

      Nun, er würde es gleich erfahren, denn Möglichkeiten, sich noch schnell unbemerkt aus dem Staube zu machen, gab es nicht. Das Appartement bestand neben dem kurzen Flur nur aus einem einzigen Zimmer, der angrenzenden kleinen Kochnische und einem Badezimmer mit Toilette. Durch das Fenster ging es drei Stockwerke hinab in die Tiefe, und nach oben führte das Treppenhaus auch nur noch eine Etage sowie in den Dachstuhl weiter aufwärts.

      Die Polizisten kamen nun bereits die Treppe herauf, nachdem Irina ohne großes Zögern die Haustür über den Summer aufgedrückt hatte. Es waren zwei Beamte in Zivil, welche ihre Ausweise in den Händen hielten, während sie sich an Irina vorbei in das Appartement drängten, und diese dann wieder wegsteckten. Beide waren fast gleich korrekt in Anzüge von der Stange gekleidet und schwitzten trotz der frühen Abendstunde etwas unter dem derben, nicht klimatisierten Stoff. Der eine, ältere, mochte bereits auf die Rente zugehen, sein großes, vierkantiges Gesicht bedeckten graumelierte dichte Haare. Er war ungefähr so groß wie Freysing und besaß eine sportlich trainierte ebenbürtige Figur. Sax erkannte auf den ersten Blick, dass es sich bei ihm wohl um einen alten Kämpen aus der kommunistischen Zeit handeln musste. Der Polizist stellte sich sogleich mit langsamer, tiefer Stimme als Oberinspektor Derek Blansko vor und schien etwas überrascht, einen Besucher hier anzutreffen.

      Der deutlich jüngere der beiden Beamten war kleiner, schmächtiger, mit einem sonnenbebrillten Dreiecksgesicht, und eher ein ziemlicher Frischling. Weder machte er sich die Mühe, seinen Namen oder Rang zu nennen, noch wurde er von Blansko namentlich benannt. Zu viert war das Appartement schon beinahe übervölkert.

      „Und Sie sind?“, fragte der Ältere den anwesenden Freysing, dabei ohne es besonders zu zeigen oberflächlich amüsiert dessen Outfit mit Strohhut und Fernglas betrachtend, welche beides er auch in Irinas Wohnung bisher ja nicht abgenommen hatte. „Freysing!“, stellte der sich vor. „Günter Freysing. Günter ohne „H“ und Freysing mit Ypsilon.“ - Blansko lächelte dazu nicht einmal ansatzweise.

      „Deutscher?“, fragte er stattdessen misstrauisch.

      „Ja!“, gab der Agent nickend zu verstehen.

      „Ausweis!“ – Blansko streckte fordernd seine flache linke Hand aus, keinen Widerspruch duldend.

      Sax zog seinen deutschen Personalausweis aus der Hosentasche und reichte diesen seinem Gegenüber. Der Beamte nahm ihn entgegen und betrachtete sich die Plastikkarte einige Sekunden lang sehr genau, ohne sie anschließend direkt zurückzugeben. „Der Anlass ihres Besuches in der Tschechischen Republik?“, fragte er stattdessen.

      „Der Herbstpreis!“, antwortete Freysing mit fester Stimme mit leichtem Schulterzucken, und hielt anschließend wie zur Unterstreichung kurz das umgehängte Fernglas etwas hoch.

      „War