Hubert Wudtke

Geschichte des Elbdorfes Rissen


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des Kirchenjahres, ab 1561 ist sie eine protestantische Kirche. Die ersten beiden Nienstedter Kirchen werden nach Schiffbarmachung der Norderelbe unterspült und stürzen ab. 1751 wird die heutige Fachwerkkirche eingeweiht.

      Rissen und Tinsdal bleiben beim Kirchspiel Nienstedten, auch als 1314 im nähergelegenen Wedel eine Kirche eingeweiht wird. Erst 1896 wechselt Rissen zum neu entstandenen Kirchspiel Blankenese. 1937 erhält auch Rissen eine eigene Kirche.

      Verwaltungssitz: Hatzburg

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       Bild der Hatzburg

      1311 wird in der Wedeler Marsch auf dicken Eichenpfählen die Hatzburg als säkularer Amts- und Verwaltungssitz für den Bereich Pinneberg von den Schauenburger Grafen errichtet, der Standort kann heute noch in den Marschwiesen identifiziert werden. Geführt von einem Drosten und einem Amtsmann ist die Hatzburg für die Einwohner von Rissen bis 1710 „Regionalregierung, Finanzamt und Gericht“, danach gehen die Verwaltungsgeschäfte an das Amt Pinneberg über.

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      Die erste Hatzburg war eine aus Holz gezimmerte Hügelburg, wie sie im Modell in der Wedeler Marsch heute besichtigt werden kann. In der Elbkarte Lorichs von1568 sieht die neue Hatzburg dagegen fast wie eine Trutzburg aus, in Freeses Tafelbild (1588) von der Grafschaft Pinneberg gleicht sie eher einem Fachwerkhaus.

      Die Kirchspielvogteien und die Landdrosteien bilden die Verwaltungszentren der Grafschaft Pinneberg. Die Kirchenbücher aus Nienstedten – begonnen in den Zeiten nach dem 30jährigen Krieg – mit ihren Tauf- , Heirats- und Sterbeeintragungen und die Steuerlisten, Amts- und Brüchebücher der Hatzburg werden uns in den nächsten Folgen Erhellendes zum Rissener Alltagsleben nach 1600 erzählen.

      Tafelbild der Grafschaft Schauenburg

      1588 gestaltet der Maler und Karthograph Daniel Freese im Auftrag der Schauenburger Grafen ein repräsentatives und detailreiches Tafelbild der Grafschaft Pinneberg (Kopie im Altonaer Museum) auf dem Rissen und Tinsdal am Rande eines Waldgebiets auf dem Höhenufer, das sich bis Blankenese und Dockenhuden zieht, zu sehen sind. Da von Daniel Freese bekannt ist, dass er bei Auftragsarbeiten die dargestellten Orte und Landschaften oft bereist hat und seine Karten sogar als Prozessunterlagen in Gerichtsverfahren verwendet wurden, dürfen wir diese Karte bei aller Vorsicht wie eine informative Bilderbibel lesen.

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       Bildausschnitt: Tafelbild Freese

      Von Tinsdal und Rissen aus führen auf Freeses Tafelbild zwei Wege, die das Spitzer Moor und den Galgenberg einrahmen, nach Wedel. Elbabwärts ist die Hatesburch (Hatzburg) in Form eines mehrstöckigen Fachwerkhauses zu erkennen. Die Häuser auf Freeses Karte symbolisieren die Dorfflecken; man wird ihre Anzahl nicht als Mengenabbildung verstehen dürfen, aber sicher sollen sie auch Größenunterschiede der Orte andeuten. Das Dorf Wedel – „hier steit ein Rolant“ (seit 1450) als Symbol für die „Marktgerechtigkeit“ – ist mit einer Kirche und 13 Häusern der größte Flecken, es folgen Nienstedten mit einer Kirche und 9 Häusern, dann Rissen mit 9 Häusern, Blankenese wie Schenefeld mit 7, Tinsdal mit 6 und Sülldorf, Schulau und Spitzerdorf mit je 5 Häusern.

      Die zwei Schiffe vor Wedel repräsentieren Lastfähren, wie sie insbesondere zur Zeit des Wedeler Ochsenmarktes für den Transport der Tiere aus Jütland über die Elbe weiter bis nach Holland gebraucht wurden; das mit drei Personen besetzte Schiff zwischen Tinsdal und Blankenese zeigt eine Personenfähre. Hinter Rissen dehnt sich ein unbewaldetes Gebiet von Wiesen und Heide bis Schenefeld aus. Hirsche kennzeichnen die für die Herrschaften reservierten Jagdgebiete, und Schafhaltung gibt es in den Tinsdaler und Rissener Heidegebieten.

      Die Karte lässt sich wie eine Erzählung lesen, die Kirche und der Pfarrer, die Hatzburg und der Vogt, der Galgen und der Henker, die Herrschaften und die Jagd stehen für die öffentlichen Räume; Schiffe, Weiden, Felder, Heidegebiete und Häuser für bäuerliches Leben und Wirtschaften, für Fischfang und Verkehr.

      Zur Ergänzung könnte man auch noch einen Blick auf die berühmte Elbkarte von Melchior Lorichs aus dem Jahre 1568 werfen, unglücklicherweise aber sind gerade dort, wo Rissen und Tinsdal ihren Platz haben, eine Windrose und Lorichs Logo zu sehen, allein Wittenbergen wird durch ein paar Häuser zwischen Schulau und Blankenese markiert.

      Erste Namen und erste Dorfereignisse aus Rissen und Tinsdal um 1590

      Die ersten Namen von Einwohnern aus Rissen haben wir in den Pinneberger Amtsbüchern von 1587-1591 gefunden: Claus Dreier, Catharina Lüdemann, Clawes Biermann, Metten Biermann, Engelen Brüggemann, Max Ellerbruch, Elsabe Kleinschmied und ihre Kinder Catherine, Johann und Siemon Kleinschmied.

      Die seit 1582 geführten Amtsbücher enthalten rechtsrelevante Handlungen und Ereignisse, die uns bis heute einen guten Einblick in das ländliche Familien- und Alltagsleben gewähren. So erfahren wir von Clawes Biermann, dass er aus dem Nachlass seiner verstorbenen Frau am 28. Januar 1590 das Erbe für seine Tochter Metten regelt und am selben Tag ein zweites Mal heiratet und sich mit Engelen Brüggemann befreit, die einen ansehnlichen Brautschatz mit in die Ehe bringt.

      „Clawes Biermann zu Rissen sagt seiner Tochter Metten der sel. Mutter wegen ab: 150 Mark, eine Kuh, der Mutter Kleider sollen zum Besten des Kindes verkauft und auf Rente gelegt werden.

      Clawes Biermann zu Rissen befreit sich mit Engelen Brüggemann von Spitzerdorf: sie bringt als Brautschatz ein: 200 lübsche Mark, 5 Schafe, 1 Kuh, 1 Stier, Kisten und Kistenpfandt nach Landesgebrauch.“

      Für 200 Mark, so belegen Kaufverträge aus diesen Jahren, kann man eine kleinere Hufe und weiteres Land kaufen. Für 200 Mark konnte man aber auch einem Maurermeister 400 Tageslöhne (bei 8 Schillingen pro Tag) bezahlen. Clawes (Klaus) Biermann hat also eine ordentliche Partie gemacht wie wohl auch Engelen Brüggemann. Der Name Biermann benennt vermutlich die für die Familie namensstiftende Tätigkeit eines Bierhändlers oder Schankwirts. Es soll um 1610 schon einen Krug in Rissen gegeben haben (Beuche 1991), war Clawes Biermann der Vollbauer mit Krugrecht in Rissen?

      Aus den Verträgen geht auch die traditionelle Wertschätzung für die nötigen Alltagsgegenstände hervor; Engelen Brüggemann bringt nach Landesbrauch bewegliche „leblose Fährnisgegenstände“ (Kleidung, Gefäße, Schmuck, Bett- und Tischwäsche) als Kisten und Kistenpfandt mit in die Ehe, während die Tochter aus dem Verkauf der Kleider der Mutter einen Zins bekommen soll. Kleider und Schuhe werden gehütet, weitergegeben, als Wertgegenstände behandelt und bis zur Neige getragen.

      Am 27.11.1591 regelt nach dem Tod von Tönnies Kleinschmied (Kleinschmedes) auch Elsabe Kleinschmied das Erbe für sich und ihre drei Kinder und heiratet am selben Tag den Schweinemeister Max Ellerbruch aus Pinneberg, der lebendige Habe – wohl Schweine und Ferkel – mit in die Ehe bringt.

      Max Ellerbruch „nimmt die Güter in Rissen an. Er bringt ein 300 lübsche Mark, sonstige lebendige Habe, Kleider und Kleinodien.“ Elsabe Kleinschmedes teilt ab an ihre Kinder: „Catherine 120 lübsche Mark auf nächste Ostern – Johann 80 lübsche Mark Ostern über 1 Jahr – Siemon 80 lübsche Mark Ostern über 1 Jahr. Beide Jungs erhalten zusammen 1 Fohlen und jeder 1 Bett und Zubehör. Darüber hinaus für die Jungs das sandige Land im Hof, das die Mutter jedoch zeitlebens nießen und gebrauchen soll. Verheiratet sich die Mutter wieder, sind die beiden Söhne vorkaufsberechtigt für Haus und Hof.“

      Diese Vertragstexte zeigen, wie besonnen das Leben im Rahmen der niederen Gerichtsbarkeit geregelt wurde. Die ältesten gefundenen Eintragungen zu Claus Dreier und Catherine Lüdemann