Hubert Wudtke

Geschichte des Elbdorfes Rissen


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Claus Dreier, Rissen, kauft von Jakob von Appen senior und junior 3 Scheffel Roggen, die ihnen vor Zeiten abgesagt waren für 9 Mark = 8 Mark je Himten erblich. Dem Käufer werden 10 Spint = 20 Mark nachgegeben und der Rest ist in 2 Terminen zu zahlen (1 Scheffel = 8 Himpten; 1 Himpten = 4 Spint. Claus Dreier werden 10 von 96 Spint erlassen).

      4.07.1587: Vergleich wegen Landesstreitigkeiten zwischen Catherina Lüdemann, Tinsdahl, und ihrem Bruder Ditmar Körner, Vogt in Spitzerdorf: „Aus einem Vertrage vom 3. Oktober 1576. Sie erhält 120 lübsche Mark, mit dieser Zahlung erlöschen ihre sämtlichen Ansprüche, wogegen Ditmar das strittige Land zu gebrauchen hat.“ Verhandelt in Gegenwart des Drosten und Amtmann.

       Alltagsereignisse – kleine Kriminalfälle

      Zu Rissens Dorfleben gehören natürlich nicht nur Alltagsroutinen und friedliche Schlichtungen, bisweilen kommt es auch zu Störungen und Gewalttaten, zu Raufereien, Beschimpfungen, Arbeitsverweigerungen, zu Diebstählen und sexuellen Übergriffen. In den Brücheregistern (1600-1700) sind die Übeltaten, die auf der Hatzburg verhandelt und mit Geldstrafen abgeurteilt worden sind, in schönster Schrift aufgezeichnet:

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       Auszug aus einem Brüchebuch

       Dietrich Behrmann hat des Voigts Johan Biesterfeldt Hund erschossen. Beklagter will beweisen, dass der Dragoner Johan Hinrich den Hund erschossen.

       Derselbe hat Hans Minnermann für einen Räuber und Schundthund, auch dessen Sohn für einen Dieb gescholten.

       Dieter Lange aus Klein Flotbek hat Heinrich Rodan Braun und blau geschlagen.

       Johan Eickhoff hat den Ancker, welchen er Hans Maes getauschet hat, ohne Verlaub wieder an sich genohmen.

       Michel B. hat ohne Verlaub Busch gehauen.

       Johan Struckmann zu Wedell hat Otto Diedrichs Nase und Maull entzwey geschlagen.

       Jochim Langelohe hat daselbst unter der Predigt gezechet.

       Peter Breckwoldt hat Gertken Schulten geschwaengert.

       Hanns zu Tinnsdal hat Hans von H. mutwilligerweise ein Pferd wekgenohmen.

       Der Dockenhuner Kuhirte hat Lüdeken Ladiges geblutwundet.

      So geht es die Jahrzehnte hindurch, die Raufereien, Beschimpfungen und Verstöße wiederholen sich wie die kirchlichen Feste und die Jahreszeiten (vgl. W. Ehlers: Das Amt Hatzburg im Spiegel des amtlichen Brücheregisters 1991) und sind uns bis heute erhalten geblieben.

      Rissen 15. Jahrhundert: erste Steuerlisten

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      Liste der Rissener Steuerzahler 1615 (Pfingstschatz)

      210 Jahre nach der ersten urkundlichen Erwähnung werden für die Ämter Pinneberg und Hatzburg Untertanen- und Steuerregister erstellt, zu diesen gehört das Einnahme- und Ausgaberegister von 1464-65, in diesen sind auch die Orte Rissen und Tinsdal aufgeführt. Für Rissen werden 33 Mark und 22 Schillinge an Steuern (Abgaben und Bitten) notiert. Die Abgaben in Wedel belaufen sich im Vergleich auf 24 Mark 7 Schillinge, die von Osdorf auf 23 Mark 12 Schillinge, aber noch keine Spur von einer Liste der Untertanen von Rissen (vgl. Otto Hintze 1928).

      Steuern werden zu Ostern auf Grund und Boden (Pascheschatz) und im September zur Erntezeit (Michaelisschatz) erhoben, der Zehnte wird vom Korn, Heu und von Mast- und Holzschweinen (im Wald gemästet) gefordert, pro Feuerstelle (Rauch) wird eine Rauchhuhnabgabe verlangt und in der Herrschaft sind „erbittete“ Dienste zu leisten: Arbeiten im Forst, im Moor, beim Bau von Brücken, Deichen und Wegen, bei der Ernte; diese Dienste können auch durch Geld abgelöst werden: Hand-, Spann- und Dienstgeld. Eine „Bede“ wird auch zur Unterhaltung der Gerichte erhoben.

      An den Steuerzahlungen kann man ablesen, dass Rissen ein Bauerndorf von der Größe und Produktivkraft wie Wedel, Schenefeld oder Osdorf gewesen ist. Die Steuerlisten erfassen aber nur die Abgaben ans Amt Hatzburg nicht aber an das Hamburger Domkapitel.

       Rissen um 1600 – das Schweineregister

      Da es um 1600 noch keine Meldeämter oder Volkszählungen gibt, muss nun auf Umwegen herausgefunden werden, wer und wie viele Personen in Rissen, Tinsdal und Wittenbergen gelebt haben. Es klingt ein wenig anrüchig, wenn ausgerechnet im Schweineregister aus den Hatzburger Amtsrechnungen nach den Einwohnern von Rissen gefahndet werden soll. Aber dieses Register enthält die älteste mir zugängliche Personenliste von Einwohnern Rissens, die zur Grundherrschaft Pinneberg gehören. In dem Register von 1590 finden wir die Personennamen und ihnen zugeordnet die Anzahl der Mastschweine und die entrichteten Steuersummen.

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       Albrecht Dürer: Der verlorene Sohn bei den Schweinen 1496/97

      Für Rissen werden 21 Besitzer von Mastschweinen und 3 für Tinsdal genannt, von diesen führen zwei Personen keinen richtigen Familiennamen. Dass alle Einwohner einen amtlichen Vor- und Nachnamen haben, ist erst eine Errungenschaft des ausgehenden Mittelalters und hängt mit dem Wachstum der Bevölkerung und der sich durchsetzenden Führung von Kirchenbüchern und Steuerregistern zusammen.

      Die Namensbildung erfolgt nicht selten in Anlehnung an den Beruf wie bei Müller, Krüger, Bauer, Biermann, Dreier, Kleinschmied, Schmidt. In unserer Liste werden der Kuhhirte und die Kleinschmiedsche ohne Ruf- und Zunamen aufgeführt. Ob es sich bei der „Kleinschmiedsche“ um die Tochter von Elsabe Ellerbruch handelt? In der Liste können wir noch weitere Bekannte wieder entdecken: Klaus Biermann, Claus Dreier, Lüdemann. Viele der Namen lassen sich auch in den nächsten Jahrzehnten und Jahrhunderten finden.

       Name (Zahl der Mastschweine):

       Rissen

      Jochim Grothe (19), Hans Wolter (14), Hans Moller (25), Hans Rambke (16), Hans Maes (20), Illies Kone (2), Michel Botthoip (12), Bartelt Langelo (13), Die Kleinschmiedsche (14), Claus Steer (2), Redar Maes (27), Cordt Honermann (3), Johan Eickhoff (34), Clauß Dreier (14), Clauß Bierman (16), der Kuhirte (2), Jürger Hünerman (3), Jürg Ellerbrock (4), Linnies Wagener (6), Jellies Kotare (3), Marx Pauls (3)

       Tinsdal

      Clauß Lüdeman (21), Cord Grothe (17), Catharina Ludemand (8 + 4 Ferkel)

      Diese Liste dürfte fast alle Rissener Hofbesitzer aufführen und erlaubt es uns, ein wenig über die Gesamteinwohnerzahl von Rissen zu spekulieren und Fehlmeldungen oder Fehlformulierungen zurückweisen, wie etwa diese: „Noch 1610 zählte (Rissen) lediglich 19 Einwohner“ (Schröter: Die Elbvororte, Hamburg 1992, 73) oder auch diese Meldung aus der Werbebroschüre des Rissener Bürgervereins: „1610 Rissen hat 16 Einwohner und „1 Krog“.“

      Die Liste nennt uns 24 Haushalte. Zu jedem Haushalt kann man im Durchschnitt 5-7 Familienmitglieder (die Eheleute, die Alten, die Kinder, die unverheirateten Verwandten) zählen. Vollhufner hatten darüber hinaus Knechte und Mägde im Haushalt. Ferner nennen diese Listen nicht die Einwohner, die keine Steuern entrichten mussten wie die Tagelöhner und meisten Häusler oder Besitzer von Freihöfen, wie es sie in Wedel und Sülldorf gab, oder die ihre Steuern nicht an die Hatzburg zahlen mussten.

      Halten wir fest:

      Rissen ist um 1600 ein größeres Bauerndorf mit mindestens 100, vermutlich aber eher mehr als 120 Einwohnern und dank ihrer Namen treten sie für uns aus dem Dunkel der Geschichte für ein paar Momente ins Helle unser kleinen Erzählungen.

      Rissen ist ein Dorf auf sandigem Boden; die Bauern betreiben Schweinemast und Schafzucht